Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Die Intuition des Künstlers...
"Zufällig gewählte Illustriertenbilder, Passfotos von Automaten,
beliebige Schnappschüsse aus Familienalben. Alles unscharf abgemalt. Mit
solchen Bildern, die aus unerklärlichen Gründen eine echte Kraft
besitzen, scheint sich Kurt Barnert zum führenden Künstler seiner
Generation zu entwickeln. Und das mit der tot gewähnten Malerei. Aber
wie viele seiner Generation hat er nichts zu erzählen, nichts zu sagen.
Er löst sich von jeder Tradition, verabschiedet sich vom biografischen
Ansatz in der Kunst und schafft so zum ersten Mal in der Kunstgeschichte
ein Werk ohne Autor" - so ein Reporter der ersten Ausstellung von
Barnerts Bilder in Wuppertal. Die Kunstgemeinde geht davon aus, das
seine künstlerisch wuchtigen Bilder so wenig mit ihm zu tun habe, dass
man kaum von einer Urheberschaft im herkömmlichen Sinn sprechen könne.
Diese Szene zeigt Florian Henckel von Donnersmarck am Ende seines 188
Minuten langen Films, der im Jahre 1937 bei einer Wanderausstellung in
Dresden zum Thema "Entartete Kunst" beginnt und endet Anfang der 60er
Jahre mit dieser Anerkennung als Künstler. Schon als kleiner Junge hat
Kurt (Cai Cohrs als Kind, Tom Schilling als Erwachsener) gemalt und
versucht auf die Wirkungskraft der ehrlichen Kunst zu vertrauen.
Einen großen Einfluss auf sein weiteres Leben hat seine hübsche
kunstsinnige Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl). Die junge Frau ist sehr
exzentrisch, manchmal sogar durchgeknallt und durch ihr Verhalten im
Dritten Reich unangemessen. Sie wird nachdem sie nackt vor ihrem Neffen
Klavier spielte in eine psychiatrische Anstalt gesteckt. Dort wird die
Frau in die Obhut von Obersturmbannführer Prof. Carl Seeband (Sebastian
Koch), der die Dresdner Frauenklinik leitet, gegeben. Dort wird sie
sterilisiert und gegen Ende des 2. Weltkriegs in Pirna im Zuge der
Euthanasie vergast.
von Donnersmarcks Film ist nicht leicht zu entschlüsseln, diese
Gemeinsamkeit teilt er mit den Bildern des Protagonisten. Dabei lieferte
der US-Kameramann Caleb Deschanel (Willkommen Mr. Chance, Der Stoff,
aus dem die Helden sind, Der Patriot, Die Passion Christi, Winters Tale)
mit seiner Kameraarbeit eine Weltklasseleistung ab. Optisch erinnert
von Donnersmarck Film mit seiner opulenten Machart sogar an die
Melodramen von Vincente Minelli wie "Die Erbe des Blutes" oder "Die vier
apokalyptischen Reiter", aber auch aufgrund der Vielschichtigkeit an
Bille Augusts "Das Geisterhaus". Wie in diesen Filmen steht auch die
Familie im Fokus und diese Werke versuchen ebenfalls mehrere
Handlungsstränge irgendwann zu verbinden, als Einheit zu zeigen. Und
alle diese Filme scheinen durch die vielen Themen, die auftauchen, als
etwas überfrachtet. Man kann allerdings froh sein, dass Florian Henckel
von Donnersmarck sich dafür entschieden hat wieder in Deutschland zu
drehen. Immerhin hat er 2005 mit "Das Leben der Anderen" vielleicht den
anerkanntesten deutschen Film des 00er Jahrzehnts geschaffen und sein
Ausflug nach Hollywood mit "The Tourist" war lediglich nette
Unterhaltungsware. Mit "Werk ohne Autor" hat er sicherlich einen
weiteren wichtigen deutschen Film realisiert, in den USA war der Film so
erfolgreich, dass er nicht nur eine Oscarnominierung als bester
Auslandsfilm erhielt, sondern noch eine weitere für die großartige
Kameraarbeit.
Denn der Künstler Kurt Barnert zeigt in Wahrheit das Leben und den
Werdegang des deutschen Malers, Bildhauers und Fotograf Gerhard Richter.
Dessen Tante wurde tatsächlich im Rahmen der zweiten Phase der
nationalsozialistischen Euthanasie durch NS-Ärzte ermordet. Der Vater
von Richters erster Ehefrau gehörte als SS-Führer und Verantwortlicher
für die Zwangssterilisation zu den Tätern. Opfer und Täter sind von
Gerhard Richter mehrfach porträtiert worden, offenbar ohne dass ihm
diese Hintergründe bewusst waren.
Im zweiten Teil des Films lernt der junge aufstrebende an der
Dresdner Kunstakademie, wo er Malerei studiert, die junge Ellie (Paula
Beer) kennen, die ihn stark an seine verstorbene Tante erinnert. Ellie
ist die Tochter von Prof. Seeband. In Dresden schwört man auf den
Sozialen Realismus, die Künstler sollen sich in den Dienst des Staates,
in den Dienst einer höheren Sache stellen. Seeband versucht die Liason
seiner Tochter mit allen Mitteln zu verhindern, muss aber selbst Angst
haben, dass irgendwann seine dunkle Nazivergangehheit publik wird, die
er bisher verschleiern konnte. Kurt und Ellie heiraten und können wie
Seeband in den Westen fliehen. Dort wird er von dem seltsamen Professor
Antionus van Verten (Oliver Masucci) in der Kunstakademie aufgenommen.
Er probiert dort vieles aus, aber erst das Zeitungsbild eines gefassten
Nazi-Euthanasiegutachters, das Foto von ihm und seiner Tante und die
vier Passfotos seines Schwiegervaters inspirieren ihn dazu diese Bilder
fotorealistisch abzumalen. Als Collage wirken sie auf seinen
Schwiegervater wie die Offenlegung seines Geheimnisses....
Obwohl Kurt nicht ahnt warum Seeband so erschrocken bis ergriffen
ist, weiß er ab diesem Zeitpunkt, dass er sich auf seine Intuition
verlassen muss. Es gibt irgendwas, was das Intellekt nicht fassen kann,
aber wahrhaftig und echt ist. In diesem Sinne ist "Werk ohne Autor" auch
ein Film, der in der Schwebe bleibt und nicht alles auflöst oder
erklärt. Vielleicht ist "Werk ohne Autor" für manchen Zuschauer
insgesamt zu schwammig und zu künstlich, dennoch muss man dem Film etwas
bescheinigen, was heute eher selten ist: Er übt eine eigenartige
Faszination aus. Und bleibt auch nach dem Abspann interessant, denn man
fragt sich wer oder was diese drei Bilder so zusammengefügt hat. War es
wirklich nur der Instinkt des Künstlers ?
Die Schauspielerleistung sind hervorragend. Und
Sebastian Koch scheint inzwischen die Rolle des Nazi-Arztes abonniert zu
haben. Schon in Kai Wessels "Nebel im August" spielte er den Arzt, der
die Kranken auf politischen Befehl erlöst.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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