Samstag, 25. August 2018

I´m a cyborg but that's ok

Regie: Park Chan Wook

Der Roboter, der Dieb und Omas Gebiss...

Die junge introvertierte Young-gun (Lim Soo-jung) arbeitet in der Fließbandproduktion eines Elektronikunternehmens, dort baut sie Radiogeräte zusammen. Das junge Mädchen ist felsenfest davon überzeugt, ein menschlicher Roboter - ein Cyborg - zu sein.
Dort schneidet sie sich die Pulsadern auf, setzt sich unter Strom, weil sie sich direkt an eine Streckdose anschliesst. Sie wird gerettet, kommt aber in die Klapse, wo sie die Aufnahme von Nahrung verweigert. Ihre Mutter (Yong-nyeo Lee), eine Restaurantbesitzerin, gibt der Psychiaterin verzweifelt Auskunft und macht dabei selbst einen etwas sonderbaren Eindruck. Noch absurder klingt die Familiengeschichte, denn Young-guns Großmutter stellte ihrer Tochter irgendwann mal die neuen Geschwisterchen vor...es waren kleine Ratten, die die sonderbare Frau dann aufzog und Rettich zu essen gab. Da sie dann auch nur noch Rettich verspeiste und die ganze Wohnung danach stank, wurde sie ins Altersheim abgeschoben. Für die damals kleine Young-Gun brach eine Welt zusammen. Nun hockt sie in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie und lernt eine ganzen Kosmos durchgeknallter Mitpatienten kennen. Die Leute haben einen Knacks, aber auch immer mal ganz spezielle Fähigkeiten. Während das Mädchen weiterhin hungert, spricht sie mit dem Getränkeautomaten und den Deckenlampen. Der Roboter in ihr versucht verzweifelt an Energie zu gelangen. Il-sun (Jung Ji-hoon) interessiert sich sehr schnell für den Neuankömmling, der junge Mann ist ein Dieb von ganz besonderen Dingen. Als Kleptomane hat er es auf Eigenschaften seiner Mitmenschen abgesehen, die er ihnen versucht zu mopsen...





Der koreanische Filmemacher Park Chan Wook mit einem eher untypischen Film, wenn man "I´m a Cyborg, but that´s ok" mit seiner Rachetrilogie "Old Boy", "Lady Vengeance" und "Sympathie for Mr. Vengeance" vergleicht.
In der Welt der Verrückten kann sich der Filmemacher wieder einmal so richtig austoben. Die wahnwitzigen Charaktere auf der Krankenstation sorgen für eine durchweg lebendige und amüsante Story. Spezialeffekte und phantastische Fantasiewelten runden das Ganze stilsicher ab und sorgen für wunderbare visuelle Highlights, nicht umsonst wird der Film als eine Art koreanische Ausgabe von "Die fabelhafte Welt der Amelie" angesehen. Highlight des Films ist jedoch die äusserst sensible, kleine Liebesgeschichte, die Park Chan Wook so ganz nebenbei erzählt.
Ein kleines, wunderbares Juwel des koreanischen Kinos.





Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Andrej Rubljow







































Regie:Andrej Tarkowski

Die Schaffung eines Kunstwerkes, die Zweifel des Künstlers...

Die Geschichte spielt um 1400, also in einer Zeit als sich das Mittelalter langsam verabschiedete, als der Mensch entdecken und erfinden wollte und sich eine Aufklärung langsam einleitete.
Da ist einmal die Geschichte um den Ikonenmaler Rubljow, der bei dem grossen Meister Theopan lernt, um der Kunst immer vollendetere Formen zu verleihen. Da wird aber auch der Künstler seiner Schranken bewusst, wenn er zum Spielball des Grossfürsten wird, der beispielsweise mehrere Künstler hat blenden lassen, damit sie seinem Bruder als Auftragsgeber keine wertvolleren Kunstwerke machen können.
Eine Zeit, in der der Mensch das Fliegen erprobt - die Eingangssequenz zeigt erste Versuche dazu. Da hebt einer auf dem Kirchturm ab, geht in die Lüfte, nach einem kurzen Hurra gehts dann abwärts auf den Boden der Tatsachen.
Eine stark religiös geprägte Zeit mit ersten Zweifeln an der bedingungslosen Gotteshingabe
Das Land sieht zerstört aus, die Armee mordet. Rubljow erschlägt einen Menschen, um eine Frau vor der Vergewaltigung zu retten. Immer wieder Zweifel, die Ideale des Künstlers verschwinden. Er hört zu Malen auf und schweigt fortan.
Erst die Begegegnung mit Boriska, dem Sohn eines berühmten Glockengiessers führt zu einer Wende.
Boriska hat den Auftrag für den Grossfürsten eine riesige Glocke zu giessen. Mit vollendeter Hingabe führt Boriska, fast Kind noch, dieses Werk aus. Dabei ist nicht das Rezept des grossen Vaters, wie er immer wieder betont, der Schlüssel zur Vollendung seines Kunstwerks - einzig und allein der Glaube des jungen Künstlers und seine Fähigkeit schaffen die vollendete Glocke.
Rubljow beobachtet die Arbeit fanziniert und legt sein Schweigegelübde ab, zusammen mit Borsika will er eine Kirche glanzvoll schön machen, er die Bilder und der andere die Glocke.





180 Minuten - da ist Geduld und Interesse an der Thematik erforderlich. Die Szenen sind nicht actiongeladen, sie strahlen aber eine visionäre Kraft und Vitalität aus. Auch philosophische Inhalte sind wie immer bei Tarkowski mit dabei.
Wenn der Film zu Ende ist, bleiben viele Bilder im Kopf hängen. Tarkowski hat es dem Zuschauer (wie immer) nicht gerade einfach gemacht, man hat Futter zum Nachdenken. Aber ist froh, um diese Bereicherung. Denn Filme von Tarkowski münden vor allem am Ende zur grossen Einheit, lange vorher war man ratlos, fasziniert...und in der Nachbetrachtung überrascht immer wieder die Wucht und die Substanz, die die Filme ausmachen.






Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.

Hitlerjunge Salomon







































Regie: Agnieszka Holland

Europa, Europa...
 
Bei der Oscarverleihung 1992 hat sich Deutschland vielleicht zum zweiten Mal um den Sieg in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" gebracht. Bereits 1983 wäre mit Wolfgang Petersens U-Boot Film "Das Boot" sicherlich der effektiivere Vorschlag gewesen. Doch die German Films Service + Marketing GmbH entschied sich für "Fitzcarraldo". 9 Jahre später standen die Zeichen wieder auf Sieg: Agnieszka Hollands verfilmte mit "Hitlerjunge Salomon" (internationaler Titel: Europa, Europa)  das Schicksal von Salomon Perel, der 1925 in Peine als Sohn polnischer Juden geboren wurde und durch die Wirrungen des Krieges flüchten muss und auf seiner Odyssee zum Hitlerjungen wird.  Der Film wurde in den USA hochgelobt und wurde bereits einige Monate vor der anstehenden Oscarverleihung vom National Board of Review Award ausgezeichnet, am 18. Januar 1992 konnte der Film den Golden Globe als bester ausländischer Film entgegennehmen. Doch für das Jahr 1992 wurde von deutscher Seite gar kein Vorschlag eingereicht, weil man keinen geeigneten Film zur Hand hatte. "Hitlerjunge Salomon" kam nicht in Frage, weil er dem Auswahlgremium zu seicht erschien. Welch eine Fehleinschätzung. Kritikerpapst Roger Ebert bezeichnete dann auch prompt die Nomininierung des Films in der kategorie "Bestes adaptiertes Drehbuch" als deutliche Zurechtweisung von seiten der US-Filmacademy in Richtung deutsches Oscarkomitee, die einen möglichen Sieg verschlafen haben.
Selten gab es so deutlich unterschiedliche Diskrepanzen bei der Kritik eines Films, International wurde "Hitlerjunge Salomon" fast ausschließlich positiv besprochen, die deutsche Kritik ging nicht sonderlich gut mit der Verfilmung der Autobiografie Perels um, viele Kritiker bemängelten die schwache Inszenierung und auch schauspielerisch fand man den Film sehr schwach.
Das Publikum möchte aber den Film schon immer und aus heutiger Sicht kann man diese Nörgelei immer noch nicht verstehen. Vielleicht lag es an der etwas eigenwilligen Geschichte selbst, sie erzählte nicht unbedingt von einer Tragödie mit klar verteilten Rollen im Gut und Böse Schema, sondern zeigt einen Jungen, der in Not zum phantasievollen Überlebenskünstler wider Willen wird. Gerade diese verschiedenen Rollen, die Sally Perel (Marco Hofschneider) zwischen den Pogromen bis zum Ende des 2. Weltkrieges spielen muss machen die Geschichte ja zu etwas ganz Besonderem, es gilt sich so anzupassen, dass man den Wahnsinn überleben kann...die gute Schauspielerleistung des jungen Marco Hofschneider wirkt sehr authentisch und glaubwürdig, man kann sich sofort mit ihm und mit seinen Nöten identifizieren.
Zunächst wächst der junge Sally seher behütet in guten Verhältnissen mit seinen Eltern (Klaus Abramowsky, Michele Gleizer) und den Geschwistern Isaak (Rene Hofschneider), David (Piotr Kozlowski) und Bertha (Martha Sendrovicz) auf. Doch 1933 ist die Familie schon üblen Diskriminierungen ausgesetzt, so dass die Familie beschließt von Peine nach Lodz zu ziehen. Sally geht nur ungern nach Polen. Auch in der neuen Heimat stehen die Zeichen wieder auf Flucht, denn die deutsche Armee marschiert am 1. September 1939 in Polen ein und somit ist die Sicherheit, die der Vater anstrebte, vorbei. Er schickt die beiden Söhne Sally und Isaak in Richtung Russland, dort so hofft er sind die besten Aussichten. Es kommt aber sehr schnell zu einer Trennung der brüder und Sally landet in einem Waisenhaus in Grodno. Der Junge lernt nicht nur die russische Sprache, er kann sich auf für die Ideologie begeistern. Immerhin hat er noch brieflichen Kontakt mit seinen Lieben in Lodz, das jetzt von den deutschen Besatzern in "Litzmannstadt" umbenannt wurde. Die Familie lebt in einen Ghetto. Bei dem Angriff der Deutschen auf Russland, muss Sally wieder flüchten. Er wird mit einer Gruppe anderer Flüchtlinge von der deutschen Armee aufgegriffen. Sally gibt sich aus Angst als Volksdeutscher aus und behauptet Josef Peters zu heißen. Er hilft den deutschen Soldaten als Übersetzer und wird bald als "Jupp" von allen sehr gemocht. Ein Hauptmann nimmt sich dem Waisenjungen an, den er angibt zu sein und so kommt es irgendwann zur Aufnahme an eine Adolf Hitler Schule. Dort freundet er sich mit dem Hitlerjungen Gerd (Ashley Wanninger) an und verliebt sich in die hübsche Leni (Julie Delpi). Und immer steht läuft die fürchterliche Angst der Entdeckung mit. So verzichtet er auch darauf mit Leni zu schlafen, da die Beschneidung zu seiner Aufdeckung als Jude führt...





 Es ist vor allem die Geschichte die so fasziniert, man kann gar nicht glauben, dass dies sich tatsächlich so zugetragen hat. Doch es ist eine Geschichte, die tatsächlich so stattgefunden hat. Salomon Perel war für eine gewisse Zeit dieser "Hitlerjunge Salomon". Ausser seinen beiden Brüdern überlebte keiner der Familie Perel den Holocaust. Nach dem Ende des Krieges emigrierte der Autor nach Israel, weil er sich in Deutschland nicht mehr willkommen fühlte. Er brauchte 40 Jahre, um das Erlebte zu verarbeiten, bevor er sich schließlich dazu entschloss seine Odyssee im 2. Weltkrieg aufzuschreiben. Diese Erlebnisse erschienen dann erstmalig 1990 als Buch, dass dann auch ziemlich schnell von Agnieszka Holand verfilmt wurde. Sally Perel feierte in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag und lebt in Israel.




Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

The Florida Project


Regie: Sean Baker

Willkommen im Magic Castle Motel...

Das American Film Institute wählte Sean Bakers ungewöhnlichen Film "The Florida Project" unter die 10 besten Filme des Jahres 2017. Und Nebendarsteller Willem Dafoe erhielt immerhin gerechterweise jeweils eine Oscar- und eine Golden Globe Nominierung als bester Nebendarsteller des Jahres.
Den noch eher unbekannten Filmemacher Sean Baker, geboren 1971, sollte man sich auf jeden Fall merken, denn in seinem Film setzt er total auf den Kontrast zwischen den amerikanischen Traumwelten wie Disney Land und der Realität der Straße.
Seine vorigen Filme blieben allesamt Geheimtipps. In "Four Letter Words" sind junge amerikanische Männer und ihre Einstellung das Thema, es folgten "Starlet" und "Tangerine L.A.", den er komplett mit einem iPhone 5S. Er feierte damit beim Sundance Film Festival Premiere.
Mit "The Florida Project" drehte er seinen bisher erfolgreichsten Film, für den er auch das Drehbuch schrieb. Es ist die Geschichte einer Mutter und Tochter aus der Unterschicht, die vorübergehend in einem Motel in der Nähe von Disney World in Florida wohnen.
Dabei nimmt der Film vor allem die Perspektive der kleinen Monee (Brooklyn Prince) ein, die als Kind noch sehr unbeschwert wirkt. Dabei hat ihre junge tätowierte Mutter Halley (Bria Vinaite) vor kurzem ihren Job verloren und das Geld ist natürlich mehr als knapp. Nur durch kleine Gaunereien, mit Schnorren und gelegentlichem Strippen kann sich die junge Mutter die Miete fürs Motel leisten. Geschäftsführer dieses rosaroten Wohnkomplexes ist Bobby (Willem Dafoe), der zwar knallhart die Miete einfordert, aber dennoch gewisse Sympathien für seine Mieter - allesamt Unterschicht, allesamt Verlierer - aufbringt. Die kleine Monee hängt mit ihren gleichaltrigen Freunden Scooty (Christopher Rivera) und Dicky (Aiden Malik) rum, die Kinder haben ständig Unsinn im Kopf und frech und respektlos gegen die Erwachsenen. Als sie auf das Auto von Grandma Stacy (Josie Olivo) spucken, findet das Mom Halley eher witzig. Aber die drei müssen das Auto zur Strafe putzen und so lernt Monee auch die etwa gleichaltrige Jancey (Valeria Cotto) kennen, die später ihre beste Freundin wird. Mom Halley geht mit Ashley (Mela Murder), ebenfalls alleinstehend und Mutter des kleinen Scooty, am Abend aus. Sie werden Freundinnen. Doch nicht für lange. Denn die Kinder verursachen durch ein Feuerzeug einen Brand. Ashley verbietet ihrem kleinen Jungen den weiteren Kontakt zu Monee. Halley hält sich mit Betrügereien über Wasser, doch bald muss sie anschaffen gehen. Das Jugendamt bekommt davon Wind. Am Ende soll ihr die Tochter weggenommen. Doch Monee will bei ihrer Mom bleiben, sie haut ab und erreicht in Disney das legendäre Märchenschloß...







Was dann auch das Schlußbild eines hervorragenden Films ist, der ein realistisches Bild der Unterschicht zeigt. Der Regisseur hegt aber ebenfalls - ähnlich wie seine Filmfigur Bobby - Sympathien für diese Benachteiligten, er zeigt daher nicht nur die Schattenseiten und schlechten Eigenschaften. Er zeigt Halley auch wie sie sich bemüht eine gute Mutter zu sein, man merkt, dass sie ihre kleine Tochter sehr liebt. Für die kleine Monee ist die Motelanlage, die die Kinder Magic Castle, nennen. ein Stück weit unbeschwerte Kindheit. Sean Baker zeigt dies alles sehr unaufdringlich und phasenweise einfach als Beobachter, der die Kamera auf diese Welt am Rande der Gesellschaft hält. Dabei verzichtet er auf eine konventionelle Dramaturgie, vielmehr sind es Episoden, die am Ende zum Großen Ganzen werden.
Die Umgebung dient als beinahe unwirklicher Katalysator. Der Spielplatz ist eine Art Sumpfgelände, der Supermarkt hat die Form einer Orange und über die "Straße der sieben Zwerge" erreichen sie ihr Zuhause. Gelegentlich essen die Kinder ein Eis aus einem Eisladen, der die Form einer Eiswaffel hat. Das Motel ist schäbig, bietet aber Schutz und Heimat. Ein Film mit großer Wirkung - ein bisschen verwandt mit "American Honey" von Andrea Arnold - fast schon eine Art Bestandsaufnahme einer benachteiligten Unterschied und ein Film, der eigenartig faszinierend ist - aber aber auch betroffen macht. Als das Jugendamt auftaucht ist das ähnlich intensiv wie Ken Loachs "ladybird".








Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.