Regie: Franklin J. Schaffner
Das Schicksal der Familie Romanow...
Vom erfolgreichen FilmProduzenten Sam Spiegel stammt folgendes Zitat"Ich
behaupte seit Jahren, dass das Niveau des Publikums viel höher ist, als
die Filmproduzenten und Filmregisseure und Filmchefs der Welt vermuten.
Und ich behaupte immer, dass man zum Niveau des Publikums
hinaufschreiben muss und nicht patronisierend herunterschreibt" - und
für seine anspruchsvollen Produktionen erhielt er dreimal den Oscar für
den besten Film des Jahres. 1955 für "Die Faust im Nacken" und für die
David Lean Filme "Die Brücke am Kwai" und "Lawrence von Arabien". 1968
kaufte Spiegel die Leinwandrechte zu Robert K. Massies Buch "Nicholas
and Alexandra", das sich 1967 über vier Monate lange in den
amerikanischen Bestsellerlisten hielt. Der Bühnenautor James Goldman
(Der Löwe im Winter) hatte die Aufgabe das Buch für die Leinwand zu
adaptieren - die Regie übernahm Franklin J. Schaffner, der für sein
Kriegsepos "Patton" einige Monate vorher den Oscar als bester Regisseur
gewonnen hatte.Auf die Geschichte der Familie Romanow stieß der
Buchautor Robert K. Messie im Rahmen seiner Suche nach Informationen
über die Bluterkrankheit, unter der sein Sohn litt. Bei seinen
Bemühungen herauszufinden, wie andere Familien mit dieser Krankheit
umgingen, beschäftigte sich der Autor mit dem Leben und der Ära des
letzten russischen Zaren Nikolaus II, dessen einziger Sohn, der
Zarewitsch Alexis, ebenfalls Bluter war.
"Nikolaus und Alexandra" wurde in den Sevilla Studios in Madrid
realisiert - zu den für den Film sorgfältig recherchierten Kulissen
gehören die Korridore, Hallen, Treppenhäuser, Büros un der Empfangssalon
des Zarenpalastes bei St. Petersburg. Aber auch das Jadgschloss in
Spala, sowie der Speisesaal und Ballsaal des Großherzogs Nikolaus. Bei
den Kritikern wurde der Film sehr positiv aufgenommen. Die Academy
entschied auf 6 Nominierungen für den Oscar. Als bester Film, beste
Musik, beste Kamera Freddie Young, Beste Ausstattung, beste Kostüme und
die Britin Janet Suzman als beste Darstellerin für ihre Rolle als
unbeliebte Zarengattin Alexandra.
Zwei dieser Nominierungen (Kostüme und Ausstattung) wurden auch in Siege
umgewandelt. Somit ein guter Erfolg für diesen klassischen
Monumentalfilm. Er hatte aber an der Kinokasse beträchtliche Probleme
und konnte in den USA lediglich 7 Millionen Dollar einspielen. Bei einem
Budget von 9 Millionen kein gutes Ergebnis. Dabei wurde ja schon
drastisch gespart, weil bereits David Lean ein Jahr zuvor mit seinem
opulenten Irland-Drama "Ryans Tochter" unter den Erwartungen lag.
Möglicherweise war die Zeit dieser ausufernden Leinwandspektakel vorbei.
Man wollte für die Hauptrollen Peter O´Toole und Vanessa Redgrave, doch
das hätte den Rahmen des Budget völlig gesprengt - so erhielt Michael
Jayston von der Royal Shakespeare Company und die britische
Theaterdarstellerin Janet Suzman den Zuschlag für die Hauptrollen.
Interessanterweise tauchen aber auch in "Nikolaus und Alexandra" ganz
große Namen in ganz kleinen Rollen auf: Laurence Olivier, harry Andrews,
Jack Hawkins, Michael Redgrave, Ian Holm und Curd Jürgens sind zu
sehen.
Das Herzstück des Films ist tatsächlich der Zar und seine Frau, die
bemerkenswerteste Nebenrolle ist der Sohn des Jahres, der vom britischen
Kinderstar Roderic Noble gespielt wurde. Er hat einige der besten und
nachhaltigsten Szenen des ganzen Films und scheint als Einziger am Ende
"das Ende" seiner Familie kommen sehen. Darüberhinaus zeigt "Nikolaus
und Alexandra" auf eindrückliche Weise wie ein Mensch Opfer seiner Rolle
ist bzw. ganz automatisch in eine bestimmte Rolle hineinwächst - hier
als Zar - und erst zu spät erkennt, dass durch sein Einwirken und seinem
Festhalten an diesem Status - Millionen von Menschen sterben müssen.
Somit sind hier sicherlich Parallelen zum franzöischen Königshof vor der
Revolution zu entdecken - aber auch zum Leben und Wirken von Pu Ji ,
dem letzten Kaiser von China, dessen Schicksal in einem viel bekannteren
Film von Bertolucci verfilmt wurde.
Natürlich bekommt auch die russische Revolution einen großen Platz in
dieser Geschichte. Für diese Umwälzungen im Land sind Leute wie Lenin
(Michael Bryant), Trotzki (Brian Cox) oder Stalin (James Hazledine)
verantwortlich. Eine Schlüsselrolle fällt dem selbsternannten Heiler
Rasputin, gespielt von Tom Baker, zu. Der wird zum Ratgeber der Zarin
und zieht sich alleine schon damit den Zorn des Volkes zu. Er wird von
dem schwulen Adligen Prinz Felix Jussupow (Martin Potter) in eine
tödliche Falle gelockt. Schaffners Film wirkt auf den ersten Blick etwas
spröde, doch er steigert sich von Minute zu Minute. Nach der
Intermission wirds sogar hochspannend. Leider ist "Nikolaus und
Alexandra" inzwischen sehr stark in Vergessenheit geraten. Schade, denn
für mich ist der Film äusserst gut gelungen - ein glänzendes Epos alter
Schule, etwas dunkler und viel düsterer als viele seiner filmischen
Verwandten. Der Zar war ein Schlächter und das wird ihm erst dann klar
als man ihn mit seinen Verbrechen konfrontiert. Vorher war er Zar und
über jeden Zweifel erhaben. Ein nicht ganz einfaches, eher unbequemes
Epos, dass für mich Geschichte lebendig werden lässt durch seine
Deutlichkeit und seine immense Detailtreue.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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