Aufeinander angewiesen...
In der Zeit seiner Entstehung war "Flucht in Ketten" ein Film mit echtem Sprengstoff. Doch die Rechnung ging für den Produzent und Regisseur Stanley Kramer auf. Der Film erhielt 9 Oscar-Nominierungen (u.a. für seine beiden jungen Hauptdarsteller Tony Curtis und Sidney Poitier, für die beiden Nebendarsteller Theodore Bikel und Cara Williams, auch Regisseur Stanley Kramer), zwei davon wandelte er in Siege um. So wurde der Kameramann Sam Leavitt und die Drehbuchautoren Nedrick Young und Harold Jacob Smith ausgezeichnet.
Stanley Kramer war ein Filmemacher, der sich auch an kontroverse Themen
heranwagte - er schuf Filmklassiker wie "Das letzte Ufer" (die Welt nach
einem Atomschlag), Wer den Wind sät (die Lehre Darwin vs. Religion),
Das Urteil von Nürnberg (deutsche NS-Richter auf der Anklagebank) oder
"Das Narrenschiff" (Antisemitismus auf einem Schiff in den 30er
Jahren). Vielleicht war "Flucht in Ketten" aber dennoch sein
kontroversester Film - denn in den späten 50er Jahren war der Rassenhass
noch allgegenwärtig und die Gesetze immer noch diskriminierend. Erst am
2. Juli 1964 unterzeichnete Präsident Lyndon B. Johnson mit dem Civil
Right Act das bedeutendste US-Bundesgesetz zur Gleichstellung ethnischer
Minderheiten. "Flucht in Ketten" enstand 6 Jahre zuvor und man hatte
ein paar Monate zuvor endlich die Rassentrennung an den Schulen für
verfassungswidrig erklärt. Da waren zwei angekettete Sträfinge - der
eine weiß, der andere schwarz - ein Stoff, der für Furore sorgte und so
war "Flucht in Ketten" von Anfang an ein Film der polarisieren konnte.
Große Hollywood-Stars wie Robert Mitchum, Kirk Douglas oder Marlon
Brando sollen für die Rolle des John "Joker" Jackson im Spiel gewesen
sein, doch die etablierten Stars fanden den Stoff nicht geheuer und
sagten ab. So bekam Jungstar Tony Curtis seine große Chance, die er
bestens nutzen konnte und eine seiner besten Leistungen zeigte. Auch
Sidney Poitier, der sich mit "Die Saat der Gewalt" und "Ein Mann besiegt
die Angst" eine gute Popularität erspielen konnte, zeigte eine
hervorragende Leistung.
Die Handlung ist denkbar einfach. Die erste Szene zeigt einen Bus, der
nachts auf einer regennassen Straße fährt. Es ist ein Gefängnisbus mit
einigen Sträflingen, die vom Arbeitslager kommen. Der farbige Verbrecher
Noah Cullen (Sidney Poitier) geht mit seinem a-capella Gospel Gesang
nicht nur den Wärtern auf die Nerven. Seinem Nebenmann John "Joker"
Jackson ((Tony Curtis) missfällt dies auch und schon sieht alles nach
Schlägerei aus, obwohl die schweren Jungs alle aneinandergefesselt sind.
Durch diesen Tumbult wird der Fahrer unkonzentriert und rast mit dem
Bus eine Böschung hinunter. Die nächste Szene zeigt den Sheriff Max
Muller (Theodore Bikel) und Captain Frank Gibbons (Charles McGraw) beim
Inspizieren der Unfallstelle. Schnell wird klar - zwei Gefangenen ist
die Flucht gelungen. Und die müssen eingefangen werden - so schnell wie
möglich. Dazu hat sich eine riesige Verfolgerschar gebildet, Spür- und
Bluthunde sind ebenfalls dabei. Der Sheriff könnte sich aber vorstellen,
dass die beiden Männer, die aneinandergefesselt sind, sehr schnell in
Streit geraten und die Hatz so auch bald ein Ende finden dürfte. Denn
die Flüchtigen sind Cullen und Rassist Joker. Doch das gemeinsame Ziel
schmiedet die beiden Gegner wohl oder übel zusammen. Mehr noch. Auf
einer Farm, die von einer alleinstehenden Frau (Cara Williams) mit ihren
kleinen Jungen (Kevin Coughlin) bewohnt wird, gelingt es die Ketten zu
sprengen. Jeder könnte nun seine Flucht alleine fortsetzen. Doch es
kommt ganz anders..
Die einzelnen Szenen sind sehr spannend gestaltet. Vor allem die
Sequenzen auf der Farm mit der einsamen Frau. Auch die Szene in einem
Terpentin Lager ist hervorragend gelungen. Dort bekommen die beiden
Sträflinge unerwartet Hilfe von Lon Chaney. Auch Claude Akins und Whit
Bissell - beides vielbeschäftigte Nebendarsteller - spielen mit. Aus
heutiger Sicht wird das Thema "Rassismus" vielleicht zu moralisch
überdeutlich behandelt, man muss aber auch bedenken, dass es im Jahr
1958 vielleicht auch den Holzhammer brauchte, um die Message
durchzubringen. An der Dramaturgie dieses 96 Minuten langen Filmdrama
gibts aber auch heute nichts auszusetzen. Mit einer einfachen Geschichte
und einer grandiosen Ensembleleistung die größtmögliche Spannung
erzielt. "Flucht in Ketten" ist ein 50er Jahre Hollywood Klassiker, der
auch heute noch überzeugt.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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