Regie: Agnieszka Holland
Europa, Europa...
Bei der Oscarverleihung 1992 hat sich
Deutschland vielleicht zum zweiten Mal um den Sieg in der Kategorie
"Bester fremdsprachiger Film" gebracht. Bereits 1983 wäre
mit Wolfgang Petersens U-Boot Film "Das Boot" sicherlich
der effektiivere Vorschlag gewesen. Doch die German Films Service +
Marketing GmbH entschied sich für "Fitzcarraldo". 9 Jahre
später standen die Zeichen wieder auf Sieg: Agnieszka Hollands
verfilmte mit "Hitlerjunge Salomon" (internationaler Titel:
Europa, Europa) das Schicksal von Salomon Perel, der 1925 in
Peine als Sohn polnischer Juden geboren wurde und durch die Wirrungen
des Krieges flüchten muss und auf seiner Odyssee zum Hitlerjungen
wird. Der Film wurde in den USA hochgelobt und wurde bereits
einige Monate vor der anstehenden Oscarverleihung vom National Board
of Review Award ausgezeichnet, am 18. Januar 1992 konnte der Film den
Golden Globe als bester ausländischer Film entgegennehmen. Doch für
das Jahr 1992 wurde von deutscher Seite gar kein Vorschlag
eingereicht, weil man keinen geeigneten Film zur Hand hatte.
"Hitlerjunge Salomon" kam nicht in Frage, weil er dem
Auswahlgremium zu seicht erschien. Welch eine Fehleinschätzung.
Kritikerpapst Roger Ebert bezeichnete dann auch prompt die
Nomininierung des Films in der kategorie "Bestes adaptiertes
Drehbuch" als deutliche Zurechtweisung von seiten der
US-Filmacademy in Richtung deutsches Oscarkomitee, die einen
möglichen Sieg verschlafen haben.
Selten gab es so deutlich
unterschiedliche Diskrepanzen bei der Kritik eines Films,
International wurde "Hitlerjunge Salomon" fast
ausschließlich positiv besprochen, die deutsche Kritik ging nicht
sonderlich gut mit der Verfilmung der Autobiografie Perels um, viele
Kritiker bemängelten die schwache Inszenierung und auch
schauspielerisch fand man den Film sehr schwach.
Das Publikum möchte aber den Film
schon immer und aus heutiger Sicht kann man diese Nörgelei immer
noch nicht verstehen. Vielleicht lag es an der etwas eigenwilligen
Geschichte selbst, sie erzählte nicht unbedingt von einer Tragödie
mit klar verteilten Rollen im Gut und Böse Schema, sondern zeigt
einen Jungen, der in Not zum phantasievollen Überlebenskünstler
wider Willen wird. Gerade diese verschiedenen Rollen, die Sally Perel
(Marco Hofschneider) zwischen den Pogromen bis zum Ende des 2.
Weltkrieges spielen muss machen die Geschichte ja zu etwas ganz
Besonderem, es gilt sich so anzupassen, dass man den Wahnsinn
überleben kann...die gute Schauspielerleistung des jungen Marco
Hofschneider wirkt sehr authentisch und glaubwürdig, man kann sich
sofort mit ihm und mit seinen Nöten identifizieren.
Zunächst wächst der junge Sally seher
behütet in guten Verhältnissen mit seinen Eltern (Klaus Abramowsky,
Michele Gleizer) und den Geschwistern Isaak (Rene Hofschneider),
David (Piotr Kozlowski) und Bertha (Martha Sendrovicz) auf. Doch 1933
ist die Familie schon üblen Diskriminierungen ausgesetzt, so dass
die Familie beschließt von Peine nach Lodz zu ziehen. Sally geht nur
ungern nach Polen. Auch in der neuen Heimat stehen die Zeichen wieder
auf Flucht, denn die deutsche Armee marschiert am 1. September 1939
in Polen ein und somit ist die Sicherheit, die der Vater anstrebte,
vorbei. Er schickt die beiden Söhne Sally und Isaak in Richtung
Russland, dort so hofft er sind die besten Aussichten. Es kommt aber
sehr schnell zu einer Trennung der brüder und Sally landet in einem
Waisenhaus in Grodno. Der Junge lernt nicht nur die russische
Sprache, er kann sich auf für die Ideologie begeistern. Immerhin hat
er noch brieflichen Kontakt mit seinen Lieben in Lodz, das jetzt von
den deutschen Besatzern in "Litzmannstadt" umbenannt wurde.
Die Familie lebt in einen Ghetto. Bei dem Angriff der Deutschen auf
Russland, muss Sally wieder flüchten. Er wird mit einer Gruppe
anderer Flüchtlinge von der deutschen Armee aufgegriffen. Sally gibt
sich aus Angst als Volksdeutscher aus und behauptet Josef Peters zu
heißen. Er hilft den deutschen Soldaten als Übersetzer und wird
bald als "Jupp" von allen sehr gemocht. Ein Hauptmann nimmt
sich dem Waisenjungen an, den er angibt zu sein und so kommt es
irgendwann zur Aufnahme an eine Adolf Hitler Schule. Dort freundet er
sich mit dem Hitlerjungen Gerd (Ashley Wanninger) an und verliebt
sich in die hübsche Leni (Julie Delpi). Und immer steht läuft die
fürchterliche Angst der Entdeckung mit. So verzichtet er auch darauf
mit Leni zu schlafen, da die Beschneidung zu seiner Aufdeckung als
Jude führt...
Es ist vor allem die Geschichte die so
fasziniert, man kann gar nicht glauben, dass dies sich tatsächlich
so zugetragen hat. Doch es ist eine Geschichte, die tatsächlich so
stattgefunden hat. Salomon Perel war für eine gewisse Zeit dieser
"Hitlerjunge Salomon". Ausser seinen beiden Brüdern
überlebte keiner der Familie Perel den Holocaust. Nach dem Ende des
Krieges emigrierte der Autor nach Israel, weil er sich in Deutschland
nicht mehr willkommen fühlte. Er brauchte 40 Jahre, um das Erlebte
zu verarbeiten, bevor er sich schließlich dazu entschloss seine
Odyssee im 2. Weltkrieg aufzuschreiben. Diese Erlebnisse erschienen
dann erstmalig 1990 als Buch, dass dann auch ziemlich schnell von
Agnieszka Holand verfilmt wurde. Sally Perel feierte in diesem Jahr
seinen 90. Geburtstag und lebt in Israel.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen