Regie: Andrej Swjaginzew
Aussichtsloser Kampf...
Andrej Swjaginzews Film "Leviathan"
aus dem Jahr 2014 spielt sicherlich auf Thomas Hobbes´gleichnamige
Schrift von 1651 an, in der der Philosoph den Staat mit dem Seeungeheuer
Leviathan vergleicht, gegen dessen Macht jeder Widerstand zwecklos ist.
Interessanterweise ist es dem Filmemacher gelungen eine Parabel zu
realisieren, die auch Kritik an den aktuellen Verhätnissen in Russland
mit einschließt. Leider erscheinen in Deutschland nur selten Filme
dieses Ausnahmeregisseurs. Noch immer wartet der Filmliebhaber auf die
DVD Veröffentlichung seiner weiteren Meisterwerke wie "Loveless" oder
"The Banishment". Eine Geschichte über die Unterdrückung des Einzelnen,
des Individuums. In "Leviathan" ist es der Automechaniker Nikolai
Sergejew (Alexej Serebrjakow), der zusammen mit seiner jungen Frau Lilia
(Jelena Ljadowa) und Roman (Sergej Pochodajew), seinem Sohn aus erster
Ehe in einem Holzhaus auf einer Halbinsel in der Barentsee, dass er
selbst gebaut hat. Umso frustierter ist er, dass der korrupte
Bürgermeister Wadim Schelewjat (Roman Madjanow) der naheliegenden Stadt
Pribeschny bislang erfolgreich die Enteignung des Grundstückes
vorangetrieben hat. Bisher hat das Gericht immer im Sinne des Staates
entschieden und Nikolai soll mit einem eher geringen Kaufpreis
entschädigt das Feld räumen. Nikolais letzte Hoffnung ist sein Freund
Dmitri Selesenjow (Wladimir Wdowitschenkow), der in Moskau als Anwalt
arbeitet und belastendes Material gegen den Bürgermeister in der Hand
hat. So will man Schelewjat einschüchtern mit dem Ziel, dass er sein
Vorhaben aufgibt. Dennoch sind die Chancen sehr schlecht und tatsächlich
entscheidet das Gericht auch in der Berufung für die angeblichen
"Staatlichen Interessen". Diese Konflikte übertragen sich auch auf die
Familie. Nikolaj trinkt sehr viel Wodka, sein Sohn versteht sich nicht
mit seiner Stiefmutter, die ebenfalls verbittert ist. Bei einem
Familienausflug mit einigen Kumpels und deren Frauen wird viel gesoffen,
eine Wodkaflasche kreist. Alle Männer haben Gewehre dabei. Sie wollen
um die Wette schießen. Als Zielscheiben dienen die Portraits früherer
führender Politiker wie Breschnew, Gorbatschow oder Jelzin. Einer fragt
"Was ist mit den aktuellen Politikern ?" der andere entgegnet "Noch zu
früh, zu wenig historische Distanz".
An diesem Nachmittag kommt heraus,
dass Lilia ein Verhältnis mit Dmitri eingegangen ist, die beiden werden
von Nikolaj entdeckt, wie sie sich küssen. Es gibt Prügel und weitere
Zerwürfnisse. Währenddessen berät sich der Bürgermeister mit der
Richterin, der Staatsanwältin und dem Polizeichef. Auch der Bischof wird
zu Rate gezogen. Nach diesen Gesprächen ist der Bürgermeister fest
entschlossen, seine Macht zu demonstrieren...
Und dies auf besonders perfide Art
und Weise. Am Ende gibt es eine Leiche, einen Verdächtigen und einen
Prozess, der mit einem schuldspruch endet. Swjaginzew hat dieses Drama
minutiös und sehr nüchtern festgehalten. Es ist gerade dieser nüchterne
Erzählstil und die etwas spröde Machart die "Leviathan" zu einem der
besten Filme dieses Jahrzehnts machen. Kameramann Michael Kritschman
setzte stark auf die Landschaft, sie wirkt sowohl grausam wie malerisch.
Bilder einer Küste mit vielen alten Booten, die wie Mahnmale wirken,
dazu das Skelett eines Wals. Überhaupt ist die Umgebung ein Mischmasch
aus reich und arm. Schicke Häuser sind neben Ruinen entstanden und das
Meer wirkt durch die graue Küste manchmal seltsam bedrohlich. Swjaginzew
schildert eine Alltagsgeschichte im Russland der Gegenwart und versucht
in die russische Seele einzudringen, die einem System von Korruption,
Gier, Gewalt und Wodka ausgeliefert sind. Der Kampf, der hier geführt
wird, war von Anfang an zum großen Scheitern verurteilt. "Leviathan"
wurde mehrfach für den europäischen Filmpreis und für den Oscar als
bester Auslandsfilm nominiert. Immerhin siegte er beim Golden Globe in
dieser Kategorie.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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