In den Schuhen des Fischers...
Der Ire John Michael McDonagh ist der ältere Bruder von Filmregisseur Martin McDonagh (7 Psychos, Brügge sehen...und sterben) und dreht seit 2000 selbst Filme. Sein erster Kinofilm war "Gesetzlos - Die Geschichte des Ned Kelly" im Jahr 2003. Er ließ allerdings 8 Jahre verstreichen um seinen zweiten Film zu realisieren. 2011 entstand das Buddy-Movie "The Guard - Ein Ire sieht schwarz" - eine schwarze Komödie mit Brendan Gleeson und Don Cheadle, einer Vielzahl von wunderbar verschrobenen und ambivalenten Charakteren, sowie einer gefährlichen Drogenschmugglerbande, die alle inmitten dieses grünen Landes agieren und irische Tugenden wie Renitenz, schlechte Laune und Dickköpfigkeit vermitteln. In seinem neuen Film "Am Sonntag bist du tot" (Original: Calvary) sieht das nicht viel anders aus, aber es dominiert nicht mehr die Komöide, die einen schweren Stoff umgibt. Der Film ist eher ein Drama über die Verfehlung der Kirche, aber er behandelt auch die Chance. Und vor allem plädiert McDonagh für die Vergebung. Darüberhinaus ist ihm auch im kleinen Subgenre des Priesterfilms ein echtes Highlight gelungen. Das kleine klassische Genre ist zwar in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten - aber es gibt durchaus eine Tradition von Don Camillo bis Pater Brown, von Hitchcocks "I confess" bis hin zu Otto Premingers großem Epos "Der Kardinal". Ja sogar Päpste kamen zu Filmehren, auch wenn sie so aussahen wie Anthony Quinn in "In den Schuhen des Fischers". Ich hatte zwar etwas Mühe mit "The Guard", aber McDonaghs neuer Film hat mich doch restlos überzeugt. Dem Filmemacher ist ein sehr ungewöhnlicher, extrem gut fotografierter (Larry Smith) gelungen, der jenseits von allgegenwärtiger medialer Häme ein differenziertes Bild auf die Figur eines katholischen Pfarrers zulässt. In der Rolle dieses irischen Dorfpriesters James Lavelle glänzt ein hervorragender Brendan Gleeson. Er ist kein perfekter Mensch, hatte eine Vergangenheit vor seinem Priesteramt und bemüht sich gut zu sein. Er kennt das Leben und die dunklen Seiten der Menschen. Am Ende soll dieses rotbärtige Raubein die Sünden der Dorfbewohner und die der Kirche selbst alleine auf sich nehmen und diese tragen. Er wird dadurch zu Gottes einsamem Kämpfer. Der Originaltitel "Cavalry" bedeutet Golgatha, der deutsche Verleih hat dem Film einen reisserischerischen Titel gegeben, der mir weniger gefällt - aber passen tut "Am Sonntag bist du tot" auch. Denn genau eine Woche Zeit hat der Priester Lavelle (Brendan Gleeson) nach der schrecklichen Beichte eines seiner Schäfchen im Beichtstuhl mit sich selbst und mit der Gemeinde ins Reine zu kommen. Der Mann im Beichtstuhl hat ihm gestanden, dass er mit 7 Jahren zum ersten Mal von einem Priester missbraucht wurde und in der Folgezeit jeden zweiten Tag. Längst ist der Täter, dieser Kirchenmann, tot - aber der Mann hat ein schockierendes Statement vor. Er will sich rächen, aber es soll einen unschuldigen Priester treffen. Und damit kündigt er an, dass er Lavelle am nächsten Sonntag am Strand erwartet. Dort will er die symbolhafte Greueltat auch umsetzen. Der Mord an einem guten Priester werde für viel Aufheben sorgen. Obwohl James die Stimme seines künftigen Mörders erkennt, bricht er das Beichtgeheimnis nicht. Er geht in den nächsten Tagen wie gewohnt seinen pastoralen Pflichten nach und begegnet so den unterschiedlichsten Menschen in seinem irischen Küstendorf unweit von Sligo und der Zuschauer merkt bald, dass jeder der Einwohner fähig sein könnte so eine Tat zu begehen...
Im Gespräch mit diesen Menschen und indem deren Lebensschicksale beleuchet werden, ist auch das Thema Schuld, Sühne und Vergebung sichtbar. So könnte es der harmlos wirkende altersschwache Schriftsteller (M. Emmet Walsh) genauso gut auf den Priester abgesehen haben wie der zynische Doktor (Aiden Gillen), dem nichts heilig ist. Auch der snobbistische und enorm depressive Millionär (Dylan Moran) oder der homosexuelle Callboy des ebenso verdächtig wirkenden Expolizisten . Auch der Metzger Jack Brennan (Chris O´Dowd), der vermutlich seine Frau (Orla O´Rourke) schlägt könnte ein Motiv haben. Ebenso der dunkelhäutige Liebhaber (Issach de Bankole) dieser Frau. Lavelle nimmt sich allen an, wenn auch auf seine ganz eigene Art. Dem junge Milo (Kilian Scott), der noch nie Sex hatte, schlägt er "Pornographie" vor statt in die Armee zu gehen, wo man diese inzwischen aufgestauten Aggressionen über die Enthaltsamkeit loswerden kann, In dieser Schicksalswoche hat sich auch noch seine Tochter Fiona (Kelly Reilly) angekündigt, ausserdem kümmert er sich rührend um seinen kranken Hund und ein Besuch im Knast bei einem jungen Serienkiller (Domnhall Gleeson, Brendans ältester Sohn). Alles an "Am Sonntag bist du tot" ist eher ungewöhnlich: Die Machart und das Thema. Der Zuschauer stellt sich beim Vorstellen der Dorfgemeinde die Frage, ob es tatsächlich in diesem Kaff einen halbwegs normalen Menschen gibt. Alle haben einen an der Waffel. Der Priester ist der Beobachter - er führt mit den Menschen Gespräche. Daher ist der Film auch extrem dialoglastig. Aber keine Sorge: Das Drehbuch ist so gut - McDonagh hat es selbst geschrieben - das die Geschichte rund um die vielen Sünder in diesem kleinen Kosmos Dorf bis zum Schluß interessant bleibt. Es geht hier um einen Konfikt, der so alt ist wie die christenheit. Soll man das Kreuz auf sich nehmen und für einen anderen sterben ? Bezüge zum neuen Testament und der Passionsgeschichte gibt es reichlich. Es ist aber sehr lebendig umgesetzt worden. Natürlich muss man die starke Leistung von Brendan Gleeson erwähnen. Man schaut ihm gerne zu in dieser Schicksalswoche. Versucht er diesen Konflikt zu umgehen oder stellt er sich dieser Bürde ? Gleich mit seiner erschreckenden Eröffnungssequenz im Beichtstuhl weißt der Film auf sein starkes Thema hin und er wird dieser Aufgabe mehr als gerecht. Auch seine symbole Kraft ist enorm. Nicht umsonst ist als Platz für den Showdown das Meer gewählt. Eine Art Unendlichkeit liegt dann in der Luft und die Frage, ob wir doch von etwas viel Größerem umgeben sind. Angesichts des durch die Dorfgemeinschaft gezeigten Werteverfall beschäftigt sich der irische Film mit der Frage welche Werte lohnend sind sie wieder den rast- und ziellosen Menschen nahe zu bringen. Im Tarnanzug einer Tragikomödie hat der Film eine hohe Spiritualität zu bieten. Pefekt auch viel messerscharfe Dialoge mit lakonischen und trockenem Witz, der aber niemals die Ernsthaftigkeit seines Anliegens in Frage stellt. Der Priester agiert in einer kaputten Welt mit einer genauso kaputten Kirche. Als Lohn für Gleesons fulminante Darstellung gabs eine Felix Nominierung 2014 als bester Hauptdarsteller.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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