Ich erinnere mich....
Federico Fellini gewann 1975 den Oscar für seinen Episodenfilm
"Amarcord" - es war nach "La Strada", "Die Nächte der Cabiria" und "8
1/2" sein 4. Sieg in der Kategorie des besten Auslandsfilms.
Insgesamt strahlt der Film eine große Lebensfreude aus und die
Erzählstruktur besteht aus Anekdoten, Erlebnissen, Erfahrungen und auch
Träumen. Der Titel "Amarcord" bedeutet "Ich erinnere mich" im Dialekt
von Rimin, der Küstenstadt in der Fellini im Jahr 1920 geboren wurde.
Hier sammelte der Regisseur Legenden seiner Jugend und stattet diese
Erinnerungen auch mit einer Fantasie und mit Verklärung aus. "Amarcord"
ist auch ein Bilderfilm, die von Kameramann Giuseppe Rotunno (Das letzte
Ufer, Der Leopard, Satyricon, Die Bibel, All that Jazz) gemacht wurden
und der damit eine seiner stärksten Leistungen überhaupt abliefert.
Aus einer tumultartigen Szene im Schnee entsteht beispielsweise ein
Bild von vollkommener Schönheit, wenn der Pfau eines Grafen entkommt,
in die Lüfte steigt und sich dann seine blendenden Schwanzfedern an
einem Brunnen ausbreitet - und genau in diesem Moment schneit es auch in
der ansonsten sonnigen Stadt.
Es sind die Erlebnisse des jungen Titta Biondi (Bruno Zanin), mit
denen der Zuschauer ins Reich der Nostalgie und der Freude abtaucht.
Gemäß der Erkenntniss, dass wir das lieben und begehren, was wir sehen,
schwärmt er für die begehrenswerteste Frau der Stadt. Es ist die
Friseuse Gradisca (Magali Noel) für die alle Männer und auch die ganz
jungen Männer des Ortes schwärmen. Sicherlich hat sich Giuseppe
Tornatore in seinem "Der Zauber von Malena" von diesem großen Fellini
Klassiker inspireren lassen.
Natürlich findet er den Busen der drallen Tabakverkäuferin (Maria
Antonietta Beluzzi) einfach geil und er hat auch schon näheren Kontakt
zu der nymphomen wie verrückten Prostituierten Volpina (Josiane
Tanzilli). Diese Zeit zwischen dem Frühjahr 1933 und dem Frühjahr 1934
steht für die sexuelle Neugier von Titta, der davon träumt mit der
städtischen Schönheit zu schlafen.
In der ersten Szene wird der Winter durch ein Brauchtumsfest
vertrieben, dort auf der lebnhaften Piazza werden die Figuren der
Geschichte eingeführt.
Fellini inszenierte originell, so ist zum Beispiel eine ganze
Galerie karikaturistischer und überzeichneter Lehrer zu sehen, die die
Schüler unterrichten. In der Familie Biondi geht es meistens lautstark
zu. Der Vater Aurelio (Armando Brancia) ist ein Gegner der immer stärker
werdenden Faschisten, was ihm bei einem Fest der Partei mächtigen Ärger
einbringt. Er wird verdächtigt die Veranstaltung sabotiert zu haben und
bekommt nach dem Verhör eine Portion Rizinusöl eingeflößt. Die Mutter
Miranda (Pupella Maggio) ist besonders temperamentvoll und streitet sich
sehr oft mit dem Vater. Die Wortgefechte finden meistens beim
gemiensamen Essen statt. Mirandas Bruder Lallo (Nando Orfei), der
Großvater (Giuseppe Ianigro) und Tittas kleinerer Bruder (Stefano
Proietti) lassen sich allerdings durch die heftigen Wortgefechte nicht
stören. Der geistig behinderte Onkel Teo (Ciccio Ingrassioa), der in
der Irrenanstalt lebt, wird wie jeden Sommer von der Familie zu einem
Ausflug nach Hause geholt. Doch diesmal läuft das Familientreffen nicht
reibungslos ab. Der Onkel klettert auf einen Baum, schreit über 5
Stunden lang von dort "Ich will eine Frau" herunter, bis eine
kleinwüchsige Nonne es schafft ihn wieder auf den Boden der Realität zu
bringen..
Fellini zeichnet dieses eine Jahr mit sehr viel Melancholie und die
Rituale dieses Dorfjahres sind unterlegt mit der grandiosen Filmmusik
von Nino Rota. Eine strengere Struktur hat Fellini dabei vermieden, aber
sein Kaleidoskop lebt hervorragend von meisterhafen und effektvollen
Bildern. Dabei lotet der Regisseur auch die Geschmacksnerven seines
Publikums aus, denn in "Amarcord" wird uriniert, masturbiert und heftig
an einem Busen gesaugt. Dieser letzte kommerziell richtig erfolgreiche
Film des Italieners kanalisiert durch die Verstärker wie Ausstattung,
Farbgestaltung, Kostüme und Szenenbildern den perfekten Anteil an reiner
Poesie zum Zuschauer.
Ein Advokat (Luigi Rossi) fungiert als Erzähler. Neben der
unvergesslichen Pfauenszene bietet der Film noch weitere gleichwertige
Highlights, wenn Titta im Schnee seiner Angebeteten auflauert, sie
verfolgt und versucht ihr rein zufällig zu begegnen - er findet sie aber
nicht mehr. In einer Totalen wird nur dem Zuschauer gezeigt, dass sich
die beiden begegnet wären, aber er lief etwas zu schnell, sie zu
langsam. Eine traurige Szene bietet das Ende - Gradisca heiratet einen
Offizier der Carabinieri am Strand. Nach und nach verlassen die
Hochzeitsgäste den Strand, auch Gradisca verlässt mit ihrem Gatten die
Stadt. Der Strand leert sich nach und nach, bis er menschenleer ist. Ein
wehmütiger Ausklang und das Ende einer Epoche.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen