Abschied für immer...
Das 1987 entstandene 2. Welkrieg-Drama "Auf Wiedersehen Kinder" von
Louis Malle wurde bei seinem Erscheinen mit Preisen überhäuft. Es gab 7
Cesars (Film, Regie, Drehbuch, Kamera, Ausstattung, Ton, Schnitt), den
golden Löwen von Venedig, den Europäischen Filmpreis für das beste
Drehbuch, viele weitere Preise und jeweils eine Nominierung für den
Oscar und den Golden Globe als bester ausländischer Film. Tatsächlich
hat Louis Malle mit diesem ergreifenden Film ein Meisterwerk geschaffen,
dass zu den besten und glaubwürdigsten seiner Gattung zählt.
Der Regisseur hat in diesem Film eigene Erlebnisse und Erinnerungen
verarbeitet. Dabei setzte er auf eine eher unspektakuläre Machart.
Malle gab in einem Interview an "1944 ist vergangen. Doch ich weiß, dass
ein Jugendlicher von Heute meine Gefühle von damals teilen kann. Denn
Ungerechtigkeit und Rassismus sind nicht verschwunden". Es ist ein
trauriger Film, ein Abgesang der Unschuld und ein Film über den
Abschied. Am Anfang verabschiedet sich der elfjährige Julien (Gaspard
Manesse) am Bahnhof von seiner Mutter (Francine Racette). Er möchte
nicht ins Karmelitergymnasium im Wald von Fontainebleau. Doch sein
größerer Bruder Francois (Stanislas Carre de Malberg) macht sich über
das Anlehnen an die Mutter ein bisschen lustig und so steigt der Junge
ein in den Zug. Es ist Winter 1944 und es ist Weltkrieg. Die verwöhnten
Kinder der Pariser Bourgeoisie sind auf dem Land viel sicherer und die
Erziehung der Padres Jean (Philippe Mourier-Genoud) oder Pater Michel
(Francois Berleand) ist streng. Am Ende wird Julien auch von Pater Jean
und drei Jungen Abschied nehmen müssen. Der Pater ruft den Kindern noch
einen letzten Gruß zu "Auf Wiedersehen Kinder, bis bald" und wird von
der Gestapo abgeführt. Der Pater weiß, dass es kein Wiedersehen geben
wird. Denn er und die 3 Jungen werden die Qualen des KZs nicht
überleben. Juliens letztes Winken wirkt auch sehr hoffnungslos....der
Junge ahnt, dass mit den Menschen, die abgeführt werden, schlimmes
passieren wird. Darunter ist auch sein Freund Jean Bonnet (Raphael
Feito).
Dieser wurde als neuer Mitschüler vorgestellt. Die Aufmerksamkeit von Julien hatte der Neue sofort.
Denn Jean Bonnet war zuerst mal eher ein Ärgernis für Julien. Er
schrieb bessere Noten, er spielte im Klavierunterricht viel besser - die
Rolle von Julien als Klassenprimus war plötzlich gefährdet. Zuerst
ärgert er den Neuen und sie prügeln sich auch. Doch irgendwann werden
die beiden Freunde.
Das Leben im Internat ist nicht einfach. Die Lebensmittel, die die
Eltern schicken, sollen mit den Anderen geteilt werden. Es gibt nicht
immer warmes Wasser und so blüht auch das Tauschgeschäft untereinander.
Wer Zigaretten oder Aktphotos will, der muss die gute Marmelade von
Mutter opfern. Immer mehr kommt auch Julien dem Geheimnis seines
Freundes auf die Spur, denn er ist anders als die anderen. Er hat keine
Eltern, die ihm schreiben oder ihn mal besuchen. Er spricht nachts bei
kerzenlicht fremdartige Gebete. Julien schnüffelt beharrlich und findet
heraus, dass Jean nicht Bonnet sondern Kippelstein heißt. Ein jüdischer
Junge. Die Padres lassen verfolgte Judenkinder in ihrer Schule
untertauchen. Tatsächlich wird der Tauschhandel zum großen Stolperstein
für das Versteck von Jean und zwei weiteren jüdischen Jungs. Der
Küchenjunge Joseph (Francois Negret) wird beim Diebstahl erwischt und
entlassen. Aus Rache verrät er die Padres an die Deutschen...
Und dieser Joseph erinnert durch seine Reaktion auf die Entlassung
auch an "Lacombe Lucien", den jungen Kollaborateur aus Malles
gleichnamigen Film aus dem Jahr 1973.
Louis Malle gelingt das seltene Kunststück in seinem 104 minuten
langen Meisterstück keine Sentimentalitäten zuzulassen. Alles läuft
präzise ohne inhaltliche Klischees ab. Er lässt ausschließlich die
Erlebnisse der Kinder für sich sprechen und schafft dadurch größte
Intensität und gleichzeitig einen zeitlosen Klassiker des französischen
Films. Die beiden noch sehr jungen Hautpdarsteller beeindrucken durch
ihre Unverstelltheit und Natürlichkeit. Bei der US-Premiere des Films
auf dem Telluride Film Festival brach Malle in Tränen aus, so große
seelische Schmerzen verursachten ihm seine über 40 Jahre zurückliegenden
Kindheitserinnerungen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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