Regie: Ang Lee
Jack, ich schwöre.....
Als "Schwulen Western" propagiert wurde Ang Lees "Brokeback Mountain"
aus dem Jahr 2005 ein überragender Kassenhit, für ein Filmdrama spielte
er weltweit 178,1 Millionen Dollar ein. Da der Film auch überaus
anspruchsvoll in Szene gesetzt wurde, regnete es auch zahlreiche
Oscar-Nominierungen. Bei der Oscarverleihung 2006 ging der Film mit 8
Nominierungen (Bester Film, beste Regie, Bester Hauptdarsteller Heath
Leadger, beste Nebendarsteller Jake Gyllenhal, beste Nebendarstellerin
Michelle Williams, beste Kamera Rodrigo Prieteo, beste Filmmusik Gustavo
Santoallala und bestes Drehbuch Larry McMurtry und Diana Osanna) als
riesengroßer Favorit ins Rennen. Am Ende schnappte ihm mit Paul Haggis
Episodenfilm "L.A. Crash" ein echter Überraschungskandidat den
Hauptpreis weg. Ang Lee bekam aber seinen Regie-Oscar und das Drehbuch
sowie die Musik waren auch erfolgreich.
Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo auch die Prüderie sehr groß
geschrieben wird, sorgte der Film nicht für Aufsehen, sondern auch für
eine gewisse Empörung. Vor allem christlich konservative Kreise ärgerten
sich darüber, dass "Brokeback Mountain" mit diesem homosexuellen
Lebensstil christliche Wertvorstellungen total untergraben würde. Der
Film stelle eine solche Beziehung gleichwertig der Ehe zwischen Mann und
Frau gleich und durch den heimlichen Ehebruch wird nicht eingehend auf
die Tatsache eingegangen, dass die Frauen dieser Männer in den
Hintergrund der Geschichte geraten.
Dabei ist genau dies völlig an den Haaren herbeigezogen, wie ich finde.
Ang Lee schafft gleichermaßen das Leben der beiden Cowboys - ausserhalb
der von der Gesellschaft geächteteten Leidenschaft in natürlicher
Idylle - zu skizzieren.
Der 19jährige Ennis del Mar (Heath Ledger) und der etwas ältere Jack
Twist (Jake Gyllenhaal) lernen sich erstmalig im Jahr 1963 in Wyoming
kennen, weil beide einen Job bei dem mürrischen Schaftzuchtbetreiber Joe
Aguirre (Randy Quaid) annehmen. Die beiden Cowboys sollen einige Monate
gemeinsam am Brokeback Mountain in den Rocky Mountains eine riesige
Schafherde beaufsichtigen.
Das Verhältnis zwischen dem recht einsilbigen Ennis und dem etwas
wilderen Jack entwickelt sich im Laufe der Zeit zu einer Kameradschaft.
Ennis kümmert sich um den Lagerplatz, während Jack tagsüber zwischen
Weide und Lager pendelt und die Nacht bei den Schafen verbringt. In der
Einsamkeit der Berge führt diese wachsende Vertrautheit in einer
schicksalhaften Nacht zu sexuellen Handlungen. Am Morgen danach werden
Grenzen gezogen und jeder der beiden behauptet nicht schwul zu sein.
Doch in der nächsten Nacht schlafen sie erneut miteinander. Im Herbst
gehen die beiden Cowboys wieder getrennte Weg. Ennis heiratet seine Alma
(Michelle Williams), wie er es schon vor den Ereignissen in den Bergen
vorhatte und auch Jack lernt beim Rodeoreiten seine spätere Ehefrau
Lureen Newsome (Anna Hathaway) kennen, die Tochter eines schwerreichen
Geschäftsmannes.
Erst vier Jahre später treffen sie sich und bei diesem Wiedersehen wird
ihnen sofort klar, dass ihre Liebe kein Versehen war. Von nun an
verabreden sie sich immer wieder zu gemeinsamen Angelausflügen. Ennis
Frau Alma hat das Geheimnis ihres Mannes zwar entdeckt, sie schweigt
aber darüber. Dennoch zerbricht die Ehe und die beiden Töchter kann
Ennis nur alle 2 Wochen einmal sehen. Jack könnte sich ein gemeinsames
Leben mit Ennis vorstellen, doch Ennis fürchtet die Ausgrenzung. Als
Junge hat er schon einmal erleben müssen, wie zwei schwule Männer
ermordet aufgefunden wurden. Ennis geht eine Beziehung mit der blonden
Cassie Cartwright (Linda Cardellinii) ein, während Jack gelegentlich
nach Mexiko fährt, um dort im Strichermilieu die Zärtlichkeiten zu
finden, die ihm fehlen. Doch die lebenslange Liebesbeziehung wird
aufrechterhalten...
Sie hat jedoch in der Gesellschaft dieser Zeit keinen Platz und demnach
unterdrücken beide Männer ihre Gefühle und gehen Ehen ein, die den
beiden Männern im Grunde nichts mehr bedeuten. Ang Lees Kameramann
Rodrigo Prieto bringt die schroffe Schönheit dieser Landschaft voll zur
Geltung. Es scheint zuerst etwas feindlich, doch diese Natur erweist
sich für die beiden Männer wie das Paradies. Hier sind sie zusammen und
allein - sie müssen keinem Rechenschaft ablegen. In einer Szene des
Films sagt Jake zu Ennis "Dies geht nur uns beide etwas an" und gilt
aber auch für das Versteckspielen und für die Heimlichtuerei in ihrem
ganz normalen Umfeld. Ang Lee setzt dabei voll auf die hervorragende
Leistung seiner beiden Hauptdarsteller, auf ein weiteres gut spielendes
Ensemble und auf die wunderbaren Bilder, die natürlich zu einem Western -
wenn auch zu einem extrem ungewöhnlichen - gehören. "Brokeback
Mountain" war aber nicht der erste Western mit dieser Thematik. Edward
Dmytryks "Warlock" zeigte - wenngleich viel versteckter - die tragische
Lovestory zwischen zwei Revolverhelden, die damals von Henry Ford und
Anthony Quinn verkörpert wurden.
Eine thematische Verwandtschaft sehe ich aber eher bei David Millers
"Einsam sind die Tapferen" oder "Der Wildeste unter allen" - diese
hervorragenden 60s Klassiker der NeoWestern Sparte, die ein Bild vom
Wilden Westen nach der Zeit des Wilden Westens liefert.
Insgesamt ist der Film ruhig und macht nicht viel Worte - genauso wie
Ennis. Und der Film selbst ist weit entfernt von einem Schwulenwestern,
wenn man es genau nimmt. Es geht um die Unterdrückung eigener Gefühle
zugunsten von gesellschaftlichen Konventionen. "Brokeback Mountain" -
eine Meditation über die Liebe, wenn sie sich frei enfalten könnte. Und
ein Film über eine Momentaufnahme. Etwa dann, wenn Ennis am Ende im
Kleiderschrank von Jack sein verschwundenes Hemd entdeckt, dass am
selben Bügel hängt wie Jacks blutverschmiertes Jeanshemd von damals. Er
riecht daran, so als wolle er die Zeit noch einmal spüren und diesen
schönen Augenblick für immer konservieren.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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