Regie: Luis Bunuel
Gefühle und Gedanken von Severine...
Der 1967 entstandene Spielfilm "Belle de Jour" ist Luis Bunuels
erfolgreichstes Werk. Er selbst führte den Erfolg im Kino auf das
delikate und erotische Thema zurück, dabei bietet "Belle de Jour" viel
mehr.
Einerseits wird der Zuschauer mit den Träumen und Phantasien einer
masochistischen Frau konfrontiert. Es ist die zurückhaltende Pariserin
Severine Serizy (Catherine Denueve), die mit einem attraktiven Arzt
(Jean Sorel) verheiratet ist. Die Beziehung könnte voller Erfüllung
sein, denn die beiden lieben sich. Aber Pierre würde sich von seiner
Frau weniger Zurückhaltung bei der körperlichen Liebe wünschen. Severine
wirkt manchmal richtig unnahbar, doch er hat Geduld und hofft, dass die
Geschlechtskälte bald überwunden sein wird.
Am Anfang des Films fährt eine noble Kutsche durch einen gepflegten
herbstlichen Park - zwei Kutscher sitzen auf dem Bock und führen
Severine und Pierre aus, die zärtlich und rücksichtsvoll miteinander
umgehen. Doch sie möchte seine zärtlichen Avancen nicht, deshalb lässt
er abrupt den Wagen anhalten und die beiden Domestiken müssen Severine
mit Gewalt aus der Kutsche schleifen, sie wird mit primiten
Schimpfwörtern an einen Baum gefesselt, wo sie auf Geheiß des liebenden
Gatten ausgepeitscht und später vergewaltigt wird.
Es ist aber ein Tagtraum, den Severine hat. In der Phantasie ist
sie alles andere als prüde und als sie von Henri Husson (Michel
Piccoli), einem Bekannten ihres Mannes, der ihr unverhohlen sein
sexuelles Interesse offenbart, von den berüchtigten Pariser
Etablissements erfährt, lässt sie der Gedanke nicht mehr los dort zu
arbeiten.
Im "Modesalon" der Madame Anais (Genevieve Page), der in einem eher
feinen Pariser Arrondissement liegt, wird sie als dritte Arbeitskraft
engagiert und muss neben Charlotte (Francoise Fabian) und Mathilde
(Maria Latour) für das Wohl der wohlhabenden Gäste sorgen. Die sind
zahlungsfähig, haben aber sehr oft seltsame sexuelle Vorlieben. Madame
Anais gibt der Neuen den Namen "Belle de Jour" weil die nur in der Zeit
von 14 bis 17 Uhr arbeiten kann. Danach ist sie wieder die liebende Frau
ihres verständnisvollen Mannes.
Irgendwann taucht der junge Gangster Marcel (Pierre Clementi) im
Salon auf, der zu ihrem Stammfreier wird und sie bald für sich alleine
haben will. Auch der ungeliebte Freund des Mannes - Husson - taucht
irgendwann dort auf. Das Doppelleben kann vielleicht nicht länger
verborgen werden...
Bunuel spielt in "Belle de Jour" wieder einmal genüsslich mit Traum
und Realität, die sogar hier als gleichwertig akzeptiert werden und mit
den gleichen stilistischen Mitteln dargestellt werden. Ihre
masochistischen Phantasien sind Wunschträume, die die junge Frau im
Ehebett träumt, wo sie Mühe hat sich gehen zu lassen. Werturteile werden
von Bunuel wieder auf den Kopf gestellt und der Schluß ist mehrdeutig.
Oder wie Bunuels Stipendatin Julie Jones mal verlauten ließ, dass der
Regisseur selbst nicht wusste, was das Ende tatsächlich bedeutet. Ein
wahrlich meisterhafter, wie irrwitziger Film, der mit hinreißend schönen
Bildern seiner Heldin in ihr Leben und in ihre Gedankenwelt folgt.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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