Regie. Bob Fosse
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Bob Fosses "Cabaret" ist kein gewöhnliches Musical. Es stellt sogar
die Gesetze dieses vor allem in den 50s und 60s beliebten Filmgenres
total auf den Kopf. Dies war aber bereits beim Vorgänger "Sweet Charity"
abzusehen, dass Fosse das Musical revolutionieren wollte - weg von der
glücklichmachenden Idylle, hin zu mehr Realismus. Stattdessen fährt er
einen moströsen Reigen an menschlichen Schwächen vor: Betrug, Untreue,
Opportunismus und auch den Rassenhass zur Zeit der Wirtschaftskrise, wo
man Schuldige braucht und ganz besonders in der Weimarer Republik, wo
die Brutalität des beginnenden Nazi-Regimes bereits erstarkt.
Die vielen Songs, die fast alle zu Evergreens wurden, werden dabei
im berüchtigten Berliner Kit Kat Club aufgeführt. Dort hat auf der Bühne
ein dämonisch wirkender androgyner Confrerencier (Joel Grey) das Zepter
in der Hand und dirigiert seine Kit Kat Dancers (Kathryn Doby, Inge
Jaeger, Angelika Koch, Helen Velkovosrska, Gitta Schmidt und Louise
Quick) bei den einfallsreichen und manchmal auch politisch gefärbten
Tanzeinlagen. Dort gehts dekadent und verrufen zu, manche der Mädchen
sind Jungs (Ricky Renee). Berlin ist eine Weltmetropole mit morbidem
Touch, hier scheint alles möglich und die junge Sally Bowles (Liza
Minelly) singt im Club, sucht sich ihre Freier und versucht ein Filmstar
bei der UfA zu werden. Auch den jungen Briten Brian Roberts (Michael
York) verschlägt es in die brodelnde Großstadt, die niemals schläft. Der
angehende Autor und Sprachwissenschaftler will dort seine Doktorarbeit
voranbringen. Er sucht in Berlin ein Zimmer und findet es dort in einer
etwas heruntergekommenen Pension, wo auch Sally zur Untermiete lebt.
"Cabaret" ist eines der besten Musicals überhaupt und gab der
großartigen Interpretin Liza Minelly Gelegenheit als Ikone genauso
unsterblich zu werden wie ihre Mutter Judy Garland. Für die Rolle der
Sally Bowles bekam sie auch den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Auch
Joel Grey für seine großartige Performance als dämonischer
Zeremonienmeister gabs die begehrte Filmtrophäe. Überhaupt gewann
"Cabaret" 8 Oscars und ist bis heute der Film mit den meisten
Auszeichnungen ohne den Sieg als bester Film in diesem Jahr zu bekommen.
Der ging an "Der Pate". Weitere Siege gabs in den Kategorien Regie
(Fosse), Kamera (Geoffrey Unsworth), Schnitt, Ton, Original-Score (Ralph
Burns) und für die beste Art Direction (Rolf Zehetbauer, Hans Jürgen
Kiebach, Herbert Strabel).
Um seinen Unterhalt zu finanzieren, gibt der Brian
Englischunterricht und flirtet mit der in Liebesdingen erfahrenen Sally.
Zu Brians Kunden zählen der Gigolo Fritz Wendel (Fritz Wepper) und die
reiche jüdische Kaufmannstochter Natalia Landauer (Marisa Berenson). In
Berlin ist immer mehr der Einfluss vom kommenden Faschismus zu spüren,
das Hakenkreuz sieht man überall. Während dieser Zeit kommen sich Sally
und der zurückhaltende Brian näher und werden ein Paar. Dann lernen sie
den Adligen Maximinal von Heune (Helmut Griem) kennen, der an beiden
sexuelles Interesse zeigt. Auch im Kit Kat Club wird die Bühne immer
mehr zum Spiegelbild von dem, was draußen auf der Straße passiert. Der
Conferencier macht sich über die Nazis lustig, indem er einige schrille
Gesangseinlagen zu diesem Thema auf die Bühne bringt. Doch alles ist
natürlich ein Tanz auf dem Vulkan...
"Cabaret" ist optisch brilliant und Liza Minelly ist die perfekte
Besetzung für die unerschütterlich scheinende Sally, die angesichts der
gesellschaftlichen und persönlichen Katastrophen ihre Lebensfreunde
verliert, doch am Ende singt sie im schäbigen Kit Kat Club trotzig "Life
is a Cabaret". Der Film greift viele Tabuthemen auf, so ist "Cabaret"
auch ein Kind seiner Zeit, indem der Zuschauer Interesse an kontroversen
Themen hatte: Ganz beiläufig geht es in "Cabaret" um Themen wie
sexuelle Ambivalenz, Homosexualität, Promiskuität, Prostitution und
Abtreibung.
"Cabaret" wurde zu Recht ein großer Welterfolg und spielte 42
Millionen Dollar ein. Bob Fosse, der Regisseur, entwickelte nach diesem
Triumph weiter und drehte seine eindringlichen Charakterstudien "Lenny"
und "All that Jazz".
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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