Dienstag, 5. März 2019

Das Gespenst der Freiheit








































Regie: Luis Bunuel 

Vivan las Cadenas...
"Das Gespenst der Freiheit" war der vorletzte Film des surrealistischen Meisterregisseur Luis Bunuel. Zu den wichtigsten Merkmalen seiner Filmographie gehörte die Kritik an das gehobene Bürgentums und und an das Christentum. Bunuel war fest davon überzeugt, dass christliche Werte in einem demoraralisierenden Milieu nie verwirklicht werden können. Seine Filme arbeiten daher häufig mit Tabubrüchen und einige seiner Filme beinhalten sogar eine Vielzahl von schockierenden und blasphemisch wirkenden Bildern und Szenen. Durch einen tiefgründigen, surrealisten Humor verstand er es die Wirkung dieser Bilder zu brechen.
In "Das Gespenst der Freiheit" sieht der Zuschauer anscheinend eine Folge von surrealen Szenen, die nur lose zusammenhängen - obwohl sich die Anfangssequenz und der Schluß dahingehend ähnlich sind, weil die Aufständischen in beiden Szenen "Vivan las cadenas" der Obrigkeit zurufen. Möglicherweise meint Bunuel, dass eine fremdbestimmte Freiheit auch nicht besser ist als ein selbstgewähltes Leben in Ketten.
In einer nächsten Epsisode macht der Zuschauer Bekanntschaft mit der Familie Foucauld (Monica Vitti, Jean-Claude Brialy). Die kleine Tochter zeigt der Mutter Bilder, die ihr ein netter Onkel und Kinderfreud im Park zugesteckt hat. Der Zuschauer erwartet natürlich pornographisches Material, weil die Eltern sichtlich schockiert sind. Aber die Fotos zeigen harmlose Sehenswürdigkeiten. Die Eltern ziehen einige der Skandalbilder ein, der Rest wird der Kleinen wieder ausgehändigt - dafür muss das Kindermädchen die Koffer packen, denn schließlich wird sie als Schuldige auserkoren, sie hätte besser auf das Kind aufpassen müssen.
Tags darauf geht Foucauld zum Arzt, der Film konzentriert sich dann aber auf die Krankenschwester (Milena Vukotic), die ein paar Tage freinehmen muss, weil ihr Vater im Sterben liegt. Auf der Fahrt dorthin trifft sie auf eine Panzereinheit von Soldaten, die sie fragen, ob sie irgendwo einem Fuchs begegnet wäre. Sie verneint dies und wird noch freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, dass ein Erdrutsch die Straße zur Stadt ihres Vaters unpassierbar gemacht hat. Daher muss sie in einem kleinen Hotel auf dem Land übernachten. Dort haben sich auch vier Karmeliter-Mönche, ein Neffe (Pierre Francois Pistorio) und seine Tante (Helene Perdriere) einquartiert. Auch ein masochistischer Hutmacher (Michael Lonsdale) und seine dominante Gespielin (Adriana Asti), die er als seine Assistentin ausgibt, belegen eins der Zimmer. In der Nacht klopfen die Mönche an die Zimmertür der Krankenschwester. Sie beten gemeinsam den Rosenkranz mit der Frau, anschließend spielen sie Karten, rauchen Zigaretten und trinken einiges an Alkohol. Als Höhepunkt des Epsiodenfilms trifft sich eine Gesellschaft zum gemeinsamen Stuhlgang - zum Essen zieht man sich in eine kleine Kammer zurück. Eine geniale Umkehr der Konventionen - diese gemeinsame, gesellig ritualisierte Klosettbenutzung vs. das heimlich, sanktionierte Essen auf einem stillen Örtchen...




Es schließen sich weitere heftige Imaginationen und Geschichten um eine Polizeischule und das skurrile Verschwinden der kleinen Aliette Foucauld (Valerie Blanco) an, denen eine Episode um einen Amokläufer und den Polizeipräfekten folgen, der eine kuriose Verdopplung erfährt. In der Rolle eines der Präfäkten ist wieder einmal Michel Piccoli zu sehen, der bereits in Bunuels "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" einen kleinen, aber feinen Cameo-Auftritt hatte. "Das Gespenst der Freiheit" war zwar nicht ganz so erfolgreich wie Bunuels oscarpreisgekrönter Vorgänger, aber dennoch ist ihm erneut ein Alterswerk voller Genialiät gelungen. Einige Szenen werden unvergessen bleiben. Man kann lachen, aber das Lachen tut auch weh. Die Erwartungen der Zuschauer werden von Bunuel ins Leere gelenkt. Kinder werden nicht ernst genommen "Du redest nur, wenn Du gefragt wirst" sagt der Kommissar (Claude Pieplu) zu der kleinen Aliette, die gesucht wird, obwohl sie sich ständig bemerkbar machen möchte, dass sie da ist. Auch viele Tiermotive wie Spinnen, ein Hahn, ein Strauß, Fuchs, Hund, Vogel) machen das Werk zusätzlich be(deutungs)voller.



Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen