Regie: Ulu Grosbard
Ewiger Verlierer...
Die 70er Jahre haben filmgeschichtlich sehr viele Meisterwerke
hervorgebracht, die auch heute noch von den Filmliebhabern im besonderen
Maße geschätzt werden. Kein Jahrzehnt danach hatte diese vielen
progressiven Stoffe zu bieten, das Publikum hatte ein starkes Interesse
an realistischen Geschichten, sie durften auch düster und hoffnungslos
sein. Verlierer gab es in diesem Film häufig, dafür weniger Superhelden.
Luke Skywalker von "Star Wars" und der von Christopher Reeve gespielte
"Superman" waren da die Ausnahme.
Der gebürtige Belgier Ulu Großbard stammt aus einer jüdischen
Familie, die aufgrund der Verfolgung durch die Nazis Europa verließen
und auf Umwegen in die USA auswanderte.
Seine Liebe galt dem Theater, er interessierte sich aber auch für
den Film. Unter Arthur Penn war er Regieassistent in dem Erfolgsfilm
"Licht im Dunkel". Seine Regiearbeit "Wer ist Harry Kellerman ?" fand
große Beachtung, es vergingen allerdings 7 Jahre bis er die Regie in dem
düsteren Neo Noir "Straight Time" übernahm - der Film ist in
Deutschland unter dem Titel "Stunde der Bewährung" bekannt. Wobei
"bekannt" fast schon etwas übertrieben ist. Trotz der ausserordentlichen
Qualität dieses Films, in dem Hauptdarsteller Dustin Hoffman eine
seiner besten Rollen in seiner Karriere zeigt, ist der Film stark in
Vergessenheit geraten.
Großbard zeigt die Geschichte des Verlierers Max Dembo - am Ende
des Films werden seine polizeilichen Verhaftungsfotos der Jahre 1972,
1966 und 1954 gezeigt. Letzeres zeigt Hoffman als Teenager. Somit wird
dem Zuschauer klar, dass die kriminelle Karriere dieses Mannes schon in
seiner frühen Jugend begann. Viele wollten in diesem Max Dembo den
Straftäter Edward Bunker gesehen haben, der einst der jüngste Gefangene
von San Quentin war.
Die Geschichte beginnt mit Dembos Entlassung aus dem Gefängnis. Er
saß dort 6 Jahre und jetzt endlich kommt er auf Bewährung frei. Doch so
frei, wie Max es gerne hätte, ist diese Bewährungszeit nun nicht. Zum
einen muss er die Schikanen des ruppigen Bewährungshelfer Earl Frank (M.
Emmet Walsh) ertragen. Desweiteren muss er zeitnah einen Job finden.
Die von ihm gemietete Bleibe, ein billiges Zimmer, darf er auch nur dann
behalten, ansonsten sagt Earl Frank, wo er zu wohnen hat. Max hat
tatsächlich vor seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Was nicht ganz
einfach ist, denn als er Kontakt mit seinem Freund Willy Darin (Gary
Busey) aufnimmt, ist dessen Frau Selma (Kathy Bates) nicht besonders
erfreut. Sie gibt Max zu verstehen, dass er unter Umständen einen
schlechten Einfluss auf ihren Mann ausübern könnte, Dieser habe seit
einiger Zeit die Kurve in ein besseres Leben hinbekommen. Als Willy ihn
eines Abends in seiner Bude besucht, packt Willy Heroin und Besteck aus
und spritzt sich trotz der Warnung von Max. Es kommt wie es kommen muss.
Bei einem Kontrollbesuch von Earl entdeckt dieser vergessene
Streichhölzer und sofort verdächtigt er Max, dass er heimlich
konsumiert. Max kommt in Untersuchungshaft und wird von der jungen Jenny
Mercer (Theresa Russell) besucht. Jenny ist Mitarbeiterin des
Arbeitsamtes und hat Max den Job besorgt. Durch ein gemeinsames Essen
sind sich die beiden näher gekommen. Jenny kann die Verhaftung nicht
verstehen. Als der Drogentest endlich Aufschluß gibt, wird Max wieder
entlassen. Er wird von Earl abgeholt, der während der Autofahrt
unbedingt herausbekommen will, wer nun in Max´s Bude Drogen genommen
hat. Nun ist die Grenze erreicht, Max wird handgreiflich und begibt sich
auf Flucht. Er muss untertauchen. Jenny hält weiterhin zu Max und es
entsteht eine Beziehung, die aber überschattet wird von der Angst der
Frau und der mangelnden Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft. Max plant
einen großen Coup zu landen, was ihn wieder mit seinen alten Kumpels
zusammenbringt. Mit Jerry Shue (Harry Dean Stanton) plant er einen
Überfall, bei dem vielleicht 20.000 Dollar herausspringen...
Kameramann Owen Roizman hat es gut verstanden, dieses tragische
Verliererepos in graue Bilder zu packen. Roizman wurde insgesamt fünfmal
für den Oscar nominiert (French Connection, Exorzist, Tootsie, Wyatt
Earp und Network), konnte sich aber nie als Sieger durchsetzen. 2018
wurde ihm aber der Ehrenoscar für sein Lebenswerk zuerkannt. Grosbard
ist ein kleines Meisterwerk des Neo Noir gelungen. Er erklärt seine
Hauptfigur Max nicht. Er zeigt ihn so wie er ist. Der Zuschauer muss
selbst die Lücken füllen. Hoffman zeigt eine sehr ambivalente Figur, die
Anfangs recht sympathisch wirkt und später durch den Druck immer mehr
die Kontrolle verliert und zu extremsten Aggressionen und zur höchsten
Unberechenbarkeit neigt. Trotz der nur wenigen Zugeständnisse an die
Publikumserwartung ist der Film vom Anfang bis zum Schluß fesselnd. Ein
unbekannter großartiger Film.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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