Samstag, 7. Januar 2023
Wiedersehen in Howards End
Regie: James Ivory
Das Landhaus der Familie Wilcox
Der englsiche Schriftsteller Edward Morgan Forster wurde am 1. Jan. 1879 als Sohn eines Architekten geboren. Da der Vater früh starb, hatten seine Mutter und seine Tante Marianne Thornton den stärksten Einfluss auf sein Leben und seinen Werdegang. Als Mitglied der höheren Kreise durfte er in Cambridge klassische Sprachen und Geschichte studieren und war in einigen intellektuellen Zirkeln. Als Erbe seiner Tante wurde er finanziell völlig unabhängig und unternahm am Anfang des letzten Jahrhunderts mehrere ausgedehte Reisen, nach Deutschland, Griechenland und Italien, wo er immer wieder zurückkehrte. Er begann das Schreiben und nach einigen erfolgreichen Kurzgeschichten verfasste er seine grossen Gesellschaftsromane wie "Zimmer mit Aussicht", "Reise nach Indien", "Wiedersehen in Howards End" oder dem zur damaligen Zeit sehr gewagten Roman "Maurice" über unterdrückte Homosexualität in den feinen Kreisen.
Seine Romane sind geprägt von einer sehr einfühlsamen und exakten Beschreibung der englischen Gesellschaft in der Zeit um 1900 bis 1920, Forsters treffende Beobachtungsgabe liess ihn zu einem sehr subtilen Zeitzeugen machen.
Seine Werke, die die Zwänge der wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich einflussreichen Klasse, der etablierten Elite aufzeigt, sind in den 80er Jahren durch die britischen Regisseure David Lean (Reise nach Indien) und vor allem durch James Ivory für das zeitgenössische Kino äusserst erfolgreich wiederentdeckt worden und machten den Schriftsteller auch einem ganz neuen jüngeren Publikum bekannt.
Tatsächlich gelang es allen Verfilmungen dem Geist der Vorlage gerecht zu werden und die Geschichten äusserst werkgetreu und atmosphärisch stimmig in grosse Kinobilder zu verwandeln.
"Howards End" wurde 1992 vom gleichen Team realisiert, das schon erfolgreich bei "Zimmer mit Aussicht" und "Maurice" zusammenarbeitete: Director James Ivory, Produzent Ismael Merchant und das Drehbuch wie gewohnt brilliant von Ruth Brawer Jhabwala verfasst. Die superben Bilder entwarf Kameramann Tony Pierce-Roberts.
Im spätviktorianischen England kreuzen sich die Wege der unkonventionellen, recht progressiven und emanzipierten Schlegel-Schwestern, Margaret (Emma Thompson) und Helen (Helena Bonham Carter) mit denen der sehr konservativen Familie Wilcox.
Die Familien lernen sich auf einer Wanderung in Deutschland kennen, die jüngere Helen besucht daraufhin den Landsitz der Wilcox, Howards End, und hat dort einen Flirt mit dem jüngsten Sohn der Wilcox (Joseph Bennett). Natürlich wird das Techtelmechtel von allen Seiten gebührend hochgespielt und ins Korsett der gängigen standesgemässen Konventionen gepresst, obwohl sich alles als harmlos und nicht weiter relevant herausstellt, aber fortan sind die Familien irgendwie miteinander verbandelt, man weiss aber auf keiner Seite, wie man damit umgehen soll. Problematischer wird es, als die Wilcox (Anthony Hopkins/Vanessa Redgrave) in London direkt bei den Schlegels gegenüber ein Haus beziehen. Margaret macht daraufhin einen Anstandsbesuch bei der Familie und freundet sich mit Mrs. Wilcox an, die schwer krank ist.
Helen lernt durch einen Zufall (sie verwechselt Regenschirme) den mittellosen, jungen Bankangestellten Leonard Best (Samuel West) kennen...
Arthaus Premium präsentiert den 3fachen Oscargewinner von 1993 (Emma Thompson, bestes Drehbuch, bestes Szenenbild) in einer sehr wertvollen Edition mit einigem an Bonus und mit einer sehr guten Bildqualität.
Wer gerne in eine andere Zeit eintauchen möchte, der ist bei "Howards End" richtig. Der Film schafft es perfekt die damalige Zeit und die Menschen darin zu porträtieren und die Schauspieler verbringen Höchstleistungen, um die Figuren mit all den Stärken und Schwächen "echt" werden zu lassen.
Sicherlich sind Filme wie "Howards End" nicht jedermanns Sache, denn sie bieten wenig Action und man muss sich schon die Mühe machen, einzutauchen und etwas Geduld aufbringen, den die Geschichte entwickelt sich nur langsam.
Für mich ist "Howards End" eine sehr gelungene Literaturverfilmung auf höchstem Niveau. Eine gute Empfehlung für Freude guter Filme mit historischem Hintergrund.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen