Regie: Luis Bunuel
Surreales Bilderrätsel....
Das Regiedebüt von Luis Bunuel war eine Gemeinschaftsarbeit mit seinem
Freund Salvador Dali und dauert nur 16 Minuten. Einer der ganz wenigen
Kurzfilme, die enormen Einfluß auf das Kino hatten und sich vor allem
mit einem Bild in das Unterbewusstsein gegraben hat. Im Prolog schärft
ein Mann (Pierre Batcheff) sein Rasiermesser - dann ein kurzer Blick aus
dem Fenster: Eine Wolke zieht vor dem Vollmond vorbei - eine Frau
(Simone Mareuil) sitzt auf einem Stuhl. Der Mann schneidet ihr dann mit
einem Rasiermesser durchs Auge. Dieser aufgeschlitze Augapfel. Das Auge
aus der berüchtigten Rasiermesserszene stammt laut Luis Bunuel von einem
toten Kalb. Wenn ich mich recht erinnere, hat Pier Paolo Pasolini in
seinem Skandalfilm "Salo - die 120 Tage von Sodom" eine ähnliche Szene
gezeigt.
Vor dem Film erscheint ein Text auf der Leinwand: "Jedes Bild, jeder
Gedanke, der in den Mitarbeitern aufstieg, wurde sofort wieder
verworfen, wenn er aus der Erinnerung oder aus ihrem Kulturmilieu
stammte oder wenn er auch nur eine bewußte Assoziation mit einem
früheren Gedanken hatte. Bunuel und Dali wollten nur Bilder, die auch
bei gründlichsten Untersuchungen keine Erklärungsmöglichkeiten mehr
anbieten konnten. Moral und Vernunft sollen dadurch aufgehoben werden.
Es herrscht das irrationale und surreale Geheimnis. Ein Inhalt kann
daher auch nicht richtig beschrieben werden. Die 16 Minuten sind in vier
Zwischentitel unterteilt:
1. Acht Jahre später
2. Gegen drei Uhr morgens
3. Vor 16 Jahren
4. Im Frühling
...dort ist das Liebespaar am Ende dann bis zur Brust im Sand eingegraben.
"Ein andalusischer Hund" war er erste surrealistische Kinoerfolg. Bunuel
wollte natürlich durch die Art der Erzählung den bürgerlichen Zuschauer
irrietieren und erschrecken. Bis heute ist der Einfluss des
Surrealismus im Film präsent. Neben diesem 16 minütigem Bilderrätsel
gilt vor allem die ein Jahr später enstandene weitere Zusammenarbeit
"Das goldene Zeitalter" von Bunuel und Dali als bedeutendster
Filmbeitrag des Surrealismus. Ähnliche Motive finden sich aber im
Spätwerk von Bunuel (Die Milchstraße, Der diskrete Charme der
Bourgeouisie) oder bei den Werken der Regisseure David Lynch, David
Cronenberg, Gaspar Noe oder in einigen Werken der Japaner Sion Sono und
Takashi Miike.
Bunuel und Dali kannten sich bereits seit ihrer Studienzeit in den
20ern. Bei einem Treffen erzählten sie sich gegenseitig zwei ihrer
Träume. Bunuel träumte von einer langgezogenen Wolke und einem Vollmond
und einer Rasierklinge, die ein Auge zerschnitt. Dali sah in seinem
Traum eine Hand, die voll mit Ameisen war. Bekannt wurde auch die Szene,
indem ein Mann ein Mädchen verfolgt und in einem Zimmer plötzlich zwei
Seile ergreift. An diesen Seilen hängen Korkplatten, Melonen, zwei
Geistliche und zwei Konzertflügel, auf dem zwei verwesende Eselskadaver
liegen.
Aus Angst vor den wütenden Reaktionen des Publikums hatte Buñuel bei der
Pariser Premiere des Films seine Taschen vorsorglich mit Steinen
gefüllt. Das Premierenpublikum reagierte jedoch überraschend
wohlwollend. Sehr entspannt also, was man dann von der Premiere von "Das
goldene Zeitalter" nicht mehr sagen konnte.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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