Regie: Gerhard Lamprecht
Emil Tischbein und der unheimliche Herr Grundeis...
Emil Erich Kästner (1899 bis 1974) war ein deutscher
Schriftsteller, Publizist und Drehbuchautor. Bekannt wurde er vor allem
durch seine sehr erfolgreichen Kinderbücher wie "Emil und die
Detektive", "Das doppelte Lottchen" und "Das fliegende Klassenzimmer".
Bereits
1931 wurde sein erstes Kinderbuch "Emil und die Detektive", das im
Oktober 1929 erschien, von Gerhard Lamprecht verfilmt. Das Drehbuch
schrieb der junge Billy Wilder.
Die Detektivgeschichte enstand
auf Anregung von Edith Jacobsohn, der Witwe des Verlegers der
"Weltbühne". Das Buch wurde alleine in Deutschland 2 Millionen Mal
verkauft und bis heute in 59 Sprachen übersetzt. Obwohl Kästner selbst
nicht ganz so zufrieden war mit der Verfilmung, war auch der Kinofilm
äusserst erfolgreich.
Erzählt wird von der abenteuerlichen
Reise und dem noch gefährlicheren Aufenthalts des kleinen Emil Tischbein
(Rolf Wenkhaus) aus dem ländlichen Neustadt. Mit seinen Freunden spielt
er dort auf dem Land sehr gerne auch mal dem Wachtmeister Jeschke
(Rudolf Bierbrach) einen Streich, indem die Lausbuben ein Denkmal
kurzerhand so umgestalten, dass es dem Beamten ziemlich ähnlich sieht.
Doch die Mutter (Käthe Haack) schickt ihn auf eine Bahnfahrt nach
Berlin. Der Junge soll seiner Großmutter (Olga Engel) 140 Reichsmark
vorbeibringen, die er aus Vorsicht vor Dieben noch zusätzlich mit einer
Nadel in seiner Jackentasche befeistigt. Auf der Zugfahrt sitzt Emil
zuest in einem vollen Abteil, einer der Mitreissenden ist ein
zwielichtiger Unbekannter (Fritz Rasp) , der sich als Herr Grundeis
vorstellt. Als dieser merkt, dass der kleine Junge Geld bei sich haben
könnte, wartet er nur auf eine günstige Gelegenheit. Die bietet sich als
die anderen Reisenden aussteigen. Er bietet Emil ein Bonbon ein. Mit
dem darin enthaltenen Schlafmittel hat er leichtes Spiel. Während Emil
komische Träume hat, wird das Geld gestohlen. Der Junge kommt erst
wieder am Berliner Bahnhof Zoo zu sich und entdeckt sofort, dass er
beraubt wurde. Er kann aber Grundeis folgen. Zum Glück trifft er auf
einen Jungen, der sich Gustav mit der Hupe (Hans Schaufuß) nennt. Der
erklärt sich schnell bereit dem Jungen vom Land zu helfen. Und da er
Anführer einer Kinderbande ist, hat er schnell weitere kleine Helfer um
sich getrommelt. So wird der noch ahnungslose Grundeis von Jungs wie
Fliegender Hirsch (Hans Richter) oder der kleine Dienstag (Hans Albrecht
Löhr) observiert. Die Kinderbande informiert auch die Oma, die mit
Emils Kusine Pony Hütchen (Inge Landgut) am Bahnhof Friedrichsstraße
vergeblich auf den Gast aus Neustadt gewartet haben. Pony Hütchen hilft
den Jungs. Inzwischen hat sich der böse Gauner in ein Hotel
einquartiert...
Diese erste Verfimlung des Kinderbuches ist
sogar einer der bedeutendsten frühen deutschen Tonfilmen. Er weist sogar
inhaltlich einige Parallelen zu Fritz Langs "M" auf - allerdiings als
viel hoffungsvollere und weniger düstere Variante. Ein Übeltäter wird
von einer Gruppe beobachtet, die immer größer wird und schließlich von
dieser Gruppe zur Strecke gebracht. In Fritz Langs "M" sind es die
Gauner, die plötzlich eigennützig Jagd auf den Kindermörder machen, hier
bei Lamprecht sind es Kinder, die aus Spass am Abenteuer bei der
Verfolgung des Diebes begeistert am Ball bleiben. Am Ende siegt der
Zusammenhalt der Kinder.
Darüberhinaus glänzt der Film mit
sehr guten Szenen, vor allem wenn Fritz Rasp die Szene betritt. Im Zug
erzählt er den Reisenden von Berlin, dort wo die Häuser 100 Stockwerke
hoch sind und die Aufzüge eine Küche haben, damit auf dem Weg nach oben
nicht verhungert. Die Betäubung mit präparierten Bonbons führt zu
surrealen Bildern im Kopf des träumenden Emil.
Im Hotel hätte Emil die Chance einer Revanche, aber so leicht kann der gemeine, kriminelle Grundeis nicht überwältigt werden.
Während
"M" von Fritz Lang ganz düstere Situationen in der Weimarer Republik
abbildet, die am Ende der Verfolgung eine Gerichtsverhandlung zeigt.
Eine bei dem das Urteil für den Angeklagten schon feststeht und er
gerichtet werden soll, da seine selbsternannten Richter, ihm das das
Recht zu existieren verweigern. Ganz anders sind die Deutungen in "Emil
und die Detektive", denn durch das beherzte Eingreifen der jungen
Detektive kann man eine gewisse Demokratisierung des deutschen Alltags
erkennen.
Darüberhinaus sorgen die unprätentiösen
Dokumentaraufnahmen von Berliner Straßenszenen eine Stadt, in der die
demokratischen Grundrechte gerade am erblühen und gedeihen sind. Hier
bei Lamprecht erscheint mit Fritz Rasp als Dieb wie ein Dämon, den eine
fatale Aura des Bösen umgibt. Die gesellschaftlichen und
massenpsychologisdchen Unsicherheiten und Gemütslagen in Deutschland am
Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung sind spürbar nahe.
Besonders
tragisch erscheint mir auch in diesem Zusammenhang einen Blick auf die
Besetzungsliste des Films. Alle jungen Darsteller - damals 1931 im Alter
zwischn 9 und 15 Jahre alt - sind im nachfolgenden 2. Weltkrieg
gefallen. Lediglich Hans Richter, der im Film den Fliegenden Hirsch
spielt, hat den Krieg als Soldat überlebt.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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