Regie: Alfred Hitchcock
Ein Flirt mit bösen Folgen...
In Sachen Tonfilm waren die Amerikaner Ende der 20er Jahre schon viel
weiter als die Europäer. Seit 1927 wurden in den USA immer mehr Tonfilme
produziert, aber Europa begann erst 1929 mit ernsthaften Versuchen sich
an den neuen gesprochenen Film heranzuwagen. Auch "Blackmail"
(Deutscher Titel: Erpessung) von Alfred Hitchock wurde zu seiner Zeit
sowohl in einer stummen als auch in einer Tonfilm Version hergestellt.
In einer Zeit, in der erst wenige Kinos über eine Abspielmöglichkeit für
die Tonspur verfügten, war die Stummfilmversion beim Kinoeinsatz auch
die wesentlich populärere Version. Anfangs war "Blackmail" ja auch als
Stummfilm geplant und die ersten Szenen kommen sogar auch in der
Tonfilmfassung weitestgehend ohne Sprache aus. Hitchock selbst ging also
sparsam mit dem Ton um, aber er setzte diese neue Möglichkeit als
dramaturgisches Mittel sehr effektiv um. So gibt es eine geniale wie
typische Szene, wo ein Schrei zwei Szenen mit einander geschickt
verbindet und sehr bekannt ist auch die Szene mit einer geschwätzigen
Nachbarin der Famlie White, die unentwegt quasselt und wo Alice White
aus dem Gerede immer nur das Wort "Messer" heraushört. Zweifelsohne die
Tatwaffe in diesem raffiniiert komponierten Kriminalfilm. Berühmt auch
die Verfolgungsjagd im Britischen Museum, in der Hitchcock auch
Trickaufnahmen verwendete. Nicht zu vergessen der geniale Cameo-Auftritt
des Meisterregisseurs in einem Zug. Er wird dabei von einem rotzfrechen
Jungen, der mit seiner Familie auf der Bank nebenan sitzt, geärgert,
indem der Junge dem Fahrgast gegenüber den Hut ins Gesicht presst. Hitch
guckt böse, der Junge wendet sich wieder seiner Familie zu, die nichts
bemerkt hat und kommt in der nächsten Sekunden wieder dem Fremden sehr
nahe, man denkt, der Junge wiederholt seinen Spass.
In "Blackmail" hat jeder der Hauptfiguren irgendwie etwas auf dem
Kerbholz. Alice Walker (Anny Ondra) beispielsweise - eine hübsche junge
Frau, die mit dem aufstrebenden Inspektor Frank Webber (John Longden) so
gut wie verlobt ist. Ihre Eltern (Sara Allgood/Charles Patton) haben
ein Tabak- und Zeitungsgeschäft im Londoner Stadtteil Chelsea. Die
jungen Verliebten haben immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten, weil
Frank sich beruflich so engagiert zeigt und Alice das Gefühl hat,
vernachlässigt zu werden. So flirtet sie auch mal gerne mit anderen
Männern und verabredet sich mit dem Maler Crewe (Cyril Richard), der sie
am späten Abend noch in seine wohnung einlädt. Doch der will mehr als
nur ein Flirt und als er zudringlich wird und sie versucht zu
vergewaltigen, ersticht sie ihn aus Notwehr und flieht aus der Wohnung.
Ausgerechnet Frank mit dem Mordfall betraut und dann gibt es noch einen
Zeugen. Dieser Mr. Tracy (Donald Calthrop), ein kleiner mieser Schurke,
sah wie Alice aus der Wohnung kam. Grund genug für ihn aus seinem Wissen
Kapital zu schlagen. Doch Frank hat auch kriminelle Energien, wenn es
darum geht, seine zukünftige Verlobte zu schützen....
Ich finde ja Hitchcocks frühe englische Filme sehr gut. Allen voran
natürlich die beiden Meisterwerke "Die 39 Stufen" und "Eine Dame
verschwindet". Aber auch seine anderen Filme dieser Zeit haben den
berühmten Hitchcock Touch - eine virtuose Variaton von
Spannungselementen, meistens dreht sich die düstere Geschichte um mehr
oder weniger unschuldige Verdächtige. Auch Alice kommt ja in diese
Bredouille, als sie plötzlich merkt, dass aus einem Flirt ihr Gegenüber
plötzlich sexuell aggressiv reagiert. Die Story kennt keinen absoluten
Bösewicht - doch ambivalente Figuren, weil keiner völlig schuldlos
bleibt. Dies macht "Blackmail" sehr interessant und durchgehend
spannend.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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