Denver oder Dallas in berauschendem Technicolor...
Douglas Sirk ist der Meister des Hollywood-Melodrams. Der gebürtige
Deutsche verließ als etablierter Regisseur (Zu neuen Ufern, La
Habanera, Schlußakkord, Das Mädchen vom Moorhof) wegen seiner jüdischen
Frau Hilde Jary im Jahr 1937 Nazideutschland und lebte vorübergehend in
Holland und Frankreich. Dann verließ er Europa und versuchte in
Hollywood Fuß zu fassen. Der Anfang gestaltete sich nicht so einfach,
aber 1943 gab ihm MGM den ersten Regieauftrag. Bereits seine zweite
Inszenierung "Sommerstürme" wurde ein Erfolg bei den Kritikern. Er
wandte sich mit "Schlingen der Angst" und "Angelockt" dem Film Noir zu
und ab 1953 spezialisierte er sich mit "All meine Sehnsucht" immer mehr
im Genre des Melodrams. Dabei wurde er insgesamt zehn Mal von Kameramann
Russell Metty, der 1961 seinen wohlverdienten Oscar für "Spartacus"
erhielt, unterstützt.
So auch in "In den Wind geschrieben" aus dem Jahr 1956 - neben
"Solange es Menschen gibt" und "Was der Himmel erlaubt" sicherlich eines
seiner größten Meisterwerke.
Seine Filme waren in den 50ern natürlich gute Kinoerfolge - aber
bei den Kritikern dauerte es sehr lange, bis man seine Arbeiten wirklich
schätzte und sie auch eingehend würdigte. Einer der größten Bewunderer
war sicherlich Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders nannte Sirk
einen "Dante der Soap Opera", der meisterhaft in der Lage gewesen sei,
die Schattenseiten des American Dream in dramatischen Bildern zu
vermitteln.
Es sind opulente Technicolor-Schinken, die tatsächlich gewisse
Widerhaken in der Story setzen und sich so völlig von der Norm des
Genres absetzen.
Vordergründig herrscht die Emotion, eingebettet in Emotionen,
passend zu Technicolor und Cinemascope. Alles ist irgendwie
überlebensgroß und man spürt die Parodie darin. Schockierendes aus dem
american way of Life wird mit einer leidenschaftlichen Feierlichkeit
behandelt, dies erkannte auch Kritikerpapst Roger Ebert. Er sieht in
Sirks Stil, in seiner Übertreibung einen starken Hang zum satirischen
Humor und gerade aus "In den Wind geschrieben" lässt sich herauslesen,
dass da eine bemerkenswerte Kritik an der 50er Jahre Gesellschaft
vorgenommen wurde.
Neben Mitch Wayne (Rock Hudson) und Lucy Moore (Lauren Bacall), den
beiden Normalos der Geschichte, präsentiert Sirk mit der schwerreichen
Familie Hadley aus Texas zum einen die selbstzerstörerische,
alkoholabhängige Nymphonanin Marylee (Dorothy Malone) und ihren
unsicheren, ebenfalls schwer alkoholkranken Bruder Kyle (Robert Stack),
ein Playboy wie er im Buche steht. Verwöhnt von ihrem Reichtum durch den
Vater und Ölbaron Jasper Hadley (Robert Keith) sind beide Kinder als
Erwachsene extrem neurotisch und handeln destruktiv. Da hat es nicht mal
was genützt, dass der egozentrische Jasper den kleinen Mitch, der
ärmlichen Verhältnissen entstammt, bei sich aufgenommen hat. Nicht
unbedingt aus Nächstenliebe, denn Mitch hatte gute Eltern. Aber er
wollte, dass seine eigenen verwöhnten Kinder mit einem ganz normalen
amerikanischen Jungen aufwachsen, um sich an seinen Tugenden orientieren
zu können - Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, Bescheidenheit, Treue,
Arbeitseifer. All dies war Mitch und wurde so zum Freund von Kyle. Auch
sein Aufpasser, wenn der wieder mal über die strenge schlug. Und Marylee
war schon als kleines Mädchen in den starken Jungen, der bei ihnen
aufwuchs, verliebt. Aber der liebt sie als erwachsener Mann nur wie
seine Schwester. Mit dem Ergebnis, dass Marylee zum stadtbekannten
Flittchen wird. Als Mitch und Kyle die Sekretärin Lucy kennenlernen,
verlieben sich beide in die attraktive Frau. Da Kyle etwas mehr
Verführungskünste auffährt, gewinnt er und nicht Mitch das Herz von
Lucy. Die Heirat folgt. Und damit für den labilen Kyle ein total
trockendes Jahr. Aber der erste richtige Ehekonflikt lässt ihn dann doch
wieder zur Flasche greifen...
Tatsächlich haben Robert Stack und Dorothy Malone die
interessanteren Rollen in "In den Wind geschrieben" erwischt. Wobei aber
auch Laureen Bacall und Rock Hudson eine gute Figur machen. Stack und
Malone schafften aber im Oscarjahr 1957 eine Oscarnominierung in der
"Nebendarsteller" Kategorie. Dorothy Malone gewann den Oscar, Robert
Stack musste sich aber von Anthony Quinn in "Vincent van Gogh"
geschlagen geben. Rock Hudson wurde ebenfalls nominiert, aber nicht für
seine Rolle als Mitch Wayne. Der Academy gefiel seine Rolle als Rancher
Bick Benedict in George Stevens "Giganten" noch besser.
Interessanterweise spielte er in beiden Fällen einen Texaner und in
beiden Filmen gings ja auch um Öl. Riesig ist die Farbdramaturgie des
Films, dies ist schon in den ersten Sekunden zu sehen. Wenn etwa der
betrunkene Kyle mit seinem gelben Sportwagen nach Hause rast und dort
ankommt. Er wird von Mitch, Lucy und Marylee beobachtet, wie er aus dem
Auto steigt und in die riesige Villa eintritt. Die Tür lässt er offen,
so dass Sirk uns ein ersten traumhaftes Bild mit Dorothy Malone
präsentieren kann, im lila Outfit steht sie im Gang, der Wind wirbelt
dabei eine Vielzahl von Blätter in diesen Flur. "In den Wind
geschrieben" bietet viel fürs Auge und lässt die alte Traumfabrik noch
einmal auferstehen.Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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