Mensch-Maschine...
Als Paula Felix Didier 2008 die Leitung des Filmmuseums in Buenos Aires übernah, ahnte sie noch nciht, dass sie dort einen verschollenen Filmschatz finden sollte. Denn dort - in diesen 45.000 Filmrollen - befand sich eine Version von Fritz Langs "Metropolis" mit fast allen Szenen, die seit 80 Jahren vermisst wurden.Damit ist "Metropolis" von 118 Minuten nach diesem sensationellen Filmfund endlich wieder auf 145 Minuten aufgestockt und kommt der am 10. Januar 1927 präsentierten, etwas zweieinhalbstündigen Premierenfassung sehr nahe. Da der Film damals durchfiel wurde er für eine erfolgreichere Kinoauswertung schon im Erscheinungsjahr auf gut zwei Stunden gekürzt. Die restaurierte Fassung der Murnau Stiftung feierte nun am 12. Februar 2010 ihre Premiere bei der Berlinale im Friedrichstadtpalat und in der Alten Oper Frankfurt."Metropolis" ist sicherlich einer der bekanntesten deutschen Filme überhaupt, vielleicht sogar der einflussreichste überhaupt. Denn viele große Filmklassiker, vor allem des Science Fiction Genres, schöpften aus dem reichhaltigen Fundus dieses legendären Stummfilms. Verweise findet man in den Zukunftsszenarien aus "Matrix" (Wachowski Brothers), "Blade Runner" (Ridley Scott), in "Die Zeitmaschine" (George Pal), in "Das fünfte Element (Luc Besson), "Dark City" (Alex Projas) oder auch in "Star Wars" (George Lucas). Ein Orwellscher Vorläufer ? Lang selbst nahm aber auch viele Vorbilder in sein monumentales Epos auf, da wirkt die Dystopie bedrückend wie in den Geschichten von Frank Kafka und horrormäßig wie in Mary Shelleys "Frankenstein". Ein echtes Sammelsurium also...und um noch mehr Verweise zu bieten, die Stars der Popkultur (Madonna, Lady Gaga, Queen, Adam Ant, Kraftwerk, Janelle Monae, Sepultura, Propaganda, Soap and Skin, Anne Clark, Whitney Houston, Haddaway und und und) lechzten nach den Bildern und Motiven des Films und veredelten damit ihre Song-Clips oder LP Covers.Um was geht es: Metropolis ist die Stadt der Zukunft und ist streng unterteilt in zwei Bezirke: Oben an der hellen Oberfläche ragen kühne Hochhäuser wie der Turm zu Babel in den strahlenden Himmel, dort leben die "Herrenmenschen".
Diese privilegierte Oberschicht lebt in absolutem Luxus. Im "Klub der Söhne“ genießt die Jugend der Elite in ihren Türmen und in "Ewigen Gärten“ paradiesische Verhältnisse und lebt für Sportveranstaltungen und rauschhaftes Vergnügen, während die Arbeiterklasse, die an riesigen Maschinen für den Gewinn der Reichen schuftet, ganz tief unten...unterhalb der Stadt haust. Diese Menschen sind Sklaven und agieren wie Ameisen, sie arbeiten bis sie umfallen. Dann gibt es noch eine Art Puffer zwischen diesen beiden Welten, ebenfalls in der "unteren Welt" angesiedelt befinden sich die für beide Klassen unentbehrlichen Maschinen. Alleinherrscher dieser Welt ist Joh Fredersen (Alfred Abel), der wie Gott Vater die Stadt überwacht und regiert. Die Arbeiter, die seine Stadt gebaut haben, sind für ihn Untermenschen und dort angesiedelt, wo sie hingehören. Der Tag der Arbeiter ist in 20 Stunden aufgeteilt, ihre Zehnstundenschichten dauern also den halben Tag, während der Tag für die Oberschicht 24 Stunden hat - eine Welt mit zweierlei Uhrwerk und daraus resultierend zweierlei Maß.
Sein Sohn Freder (Gustav Fröhlich) sympathisiert allerdings mit der unterdrückten Arbeiterklasse, seit er das Mädchen Maria (Brigitte Helm) gesehen hat. Sie gilt als die Heilige der Unterdrückten und ihr Motto heißt "Der Mittler zwischen Hirn und Hand kann nur das Herz sein". Diese harmonische Botschaft hält den Mob noch im Zaume. Ebenso ihre Weißssagung, dass bald ein "Mittler" kommen wird, der die Befreiung der Arbeiter durch die Allmacht der Liebe prophezeit und eine auf Verständigung aufgebaute Partnerschaft mit den Herrschenden erhofft wie predigt. Fredersen erkennt die Gefahr dieser neuen spirituellen Strömung und beauftragt den Erfinder Rothwang (Rudolf Klein Rogge) einen Roboter, eine Mensch-Maschine, herzustellen nach Marias Ebenbild. Dieses Geschöpf entwickelt sich nach dem Willen ihres Schöpfers, der auch noch Fredersen vernichten will, zur Hure Babylon, bekleidet mit Purpur und Scharlach mit einem goldenen Becher in der Hand. Das Weib soll das Blut der Heiligen trinken, also die Arbeiter aufwiegeln und die Arbeiter zur Revolution aufhetzen. Bald steht Metropolis unter Wasser. Ein harter Kampf entbrennt, die untere Stadt wird durch die Dummheit der Arbeiter überflutet, die Kinder der Untermenschen könnten ertrinken, wenn da nicht die richtige Maria wäre, die gemeinsam mit Freder die vielen Kinder rettet. Doch der Mob sieht sie inzwischen wegen der Doppelgängerin als Hexe, die am Scheiterhaufen brennen muss...
Leider leistet sich Fritz Lang mit seinem Happyend einen dicken Minuspunkt - im Schlußbild reichen sich Johann Fredersen und der Führer der Arbeiter, gespielt von Heinrich George, symbolhaft die Hände...dies obwohl ja Fredersen mit seiner jahrelangen Unterdrückung ein ganz fieser Schurke war. Lang unterstreicht dieses komische Ende auch noch, da er mit Rothwang scheinbar für das Publikum noch einen hassenswerteren Bösewicht erkoren hat, denn der unterdrückt zwar nicht die Massen, aber er hat sogar die Gabe einen "Führer" zu manipulieren und ein Doppelspiel zu spielen. So spielt dieser Alchemist, der aus dem 15. Jahrhundert entsprungen scheint, einerseits der Kompagnon von Fredersen, hat aber insgesamt den perfiden Plan im Kopf ihn zu vernichten. Und für diese persönlichen Rachegelüste macht es ihm nichts aus, wenn die gesamte Welt in "Metropolis" zerstört wird. Fredersen ist da aber einer der am Leben hängt und eben mit diesem kitschigen Schlußpart sämtliche Verbrechen der Vergangenheit abgegolten hat...dank der Liebe und dem festen Händedruck zweier Partner. Ansonsten ist "Metropolis" aber ein extrem beeindruckendes Filmerlebnis, denn vor allem die Bilder und die Optik machen aus der Geschichte des Roboters mit einem menschlichen Körper ein Highlight. Dabei wandelt Fritz Langs Dystopie in einer furiosen futuristischen Szenerie immer mal wieder abwechselnd prophetisch und mythisch. Elemente aus Architektur, Industrie, Design und Politik der 20 Jahre sind reichhaltig eingestreut, dazu mischte Fritz Lang mittelalterliche wie auch biblische Elemente hinein. Nicht umsonst erinnert man sich an Langs 3 Jahre vorher entstandenen Filmklassiker "Die Nibelungen", der ähnlich superlativ, opulent, großartig und beinahe auch größenwahnsinnig genial ausgefallen ist.Interessanterweise ist dieser opulente wie auch trashige Filmhybrid, dieser seltsame Mix aus Gothic, Melodram und Utopie, wie aus einem Guss. Und gerade in der neuen Kinolandschaft treten schon wieder Filme ihren Siegeszug an, die auch an die Machart dieses Klassikers erinnern: Die äusserst erfolgreichen Zukunftsspektakel der Marvel Comics mit ihren ausufernden Setdesigns, ebenfalls mit reichlich Kitschpotential versehen. Wenig Dialog, auch dies eine Verwandtschaft zu einem Film des Jahres 1927, als das Kino noch stumm war, keine Dialoge kannte und vor allem die Bilder die Story schufen.
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