Regie. Stellan Rye
Mein Spiegelbild - an Lucifer verkauft...
Stellan Ryes Spielfilm "Der Student von Prag" entstand 1913 und gilt als
erster Autoren- und Kunstfilm der Kinos. Großen Einfluss auf den am 22.
August 1913 uraufgeführten Film nahm sicherlich der Schauspieler und
Hauptdarsteller Paul Wegener, der auch die Grundidee der
Persönlichkeitsspaltung des Studenden Balduin hatte. Der besondere Reiz
des beim Max-Reinhard- Ensemble au Deutschen Theater in Berlin
engagierten Mimen lag darin, der er eine Rolle verkörpern konnte, die
sich auf der Bühne nie realisieren ließ. Mit dieser Doppelrolle gelang
es ihm sich mit sich selbst zu konfrontieren. Wegener war sicherlich
einer der wenigen Schauspieler, die die interessanten Möglichkeiten des
Films bereits sehr deutlich erkennen konnte. Das Motiv des Films stammt
aus der romantischen Literatur und findet im Film vor einer düsteren
Kulisse in Prag um 1820 eine extrem einflussreiche Umsetzung des Stoffs.
"Der Student von Prag" beeinflusste die später entstandenen
Horrormeisterwerke der Weimarer Republik wie "Das Kabinett des Dr.
Calgari" (1920., Robert Wiene), "Der Golem, wie er in die Welt kam"
(19210, Paul Wegener, Carl Boese), "Nosferatu" (1922, Friedrich Wilhelm
Murnau) oder Dr. Mabuse (1922, Fritz Lang). Und schon ein Jahr später
wird ein weiteres Sagenmotiv für einen deutschen Film adaptiert. "Der
Golem", eine Gestalt, das aus einem Lehmkloß zum Leben erweckt wird und
als destruktives und einsames Geschöpf von einem Turm gestürzt wird,
erneut Paul Wegener für die Titelrolle verpflichtet.
Viele Ähnlichkeiten mit der düsteren alptraumhaften Welt in "Student von
Prag" gibt es auch in einer kurzgeschichte von Edgar Allan Poe oder in
Goethes "Faust". Großen Anteil am großen Publikumserfolg hatte natürlich
auch der Drehbuchautor Hans Heinz Ewers.
Der Student Balduin (Paul Wegener) gilt als bester Fechter der Stadt
Prag, aber sein ärmliches Leben langweilt ihn sehr. Er verzweifelt an
seinem niedrigen sozialen Stand und nicht mal die Avancen des
Zigeunermädchens Lyduschka (Lydia Salmonova) interessieren ihn. Dann
lernt er den undurchsichtigen Abenteurer Scapinelli (John Gottowt)
kennen, der aus einer Kutsche steigt und ihm einen schnellen Reichtum in
Form von 100.000 Gulden verspricht. Dieses Geld wäre gerade jetzt
willkommen, weil er die junge Gräfin Margit (Grete Berger) kennenlernte
und ihr das Leben retten konnte. Doch mittellos ist da nichts zu machen,
zumal die Gräfin auf Wunsch ihres Vaters Graf von Schwarzenberg (Lothar
Körner) ihren Vetter Baron Waldis- Schwarzenberg (Fritz Weidemann), den
sie nicht liebt, ehelichen soll. So geht Balduin einen Pakt mit dem
Scharlatan ein, der ihm diese Geldsumme gibt und dafür nur einen
Gegenstand aus der ärmlichen Studentenunterkunft mitnehmen will. Wenn
das kein Deal ist. Doch schockiert sieht er zu, wie der gerissene
Scapinelli Balduins Spiegelbild aus dem Spiegel holt und es mitnimmt. Er
wird auch bald von seinem "anderen Ich“ verfolgt. Seine Absichten, das
Herz der Gräfin zu gewinnen werden bald in den Hintergrund treten. Am
Ende triumphiert der Satan...
Stellan Rye konnte in diesen Kindertagen des Kinos die Möglichkeiten des
Films bereits sehr stark nutzen. Er drehte an originalschauplätzen und
setzte einige klasse Tricks als dramaturgisches Mittel ein, um den
Grusel zu verstärken. So ist die Szene, in der Scapinelli das
Spiegelbild Balduins mit magischer Kraft aus dem Spiegel hervorlockt,
auch heute noch beeindruckend. Besonders gut gelungen sind alle Szenen
zwischen Balduin und dem Abenteurer Scapinelli. Ein bisschen schwächer
sind die Szenen im Haus der Gräfin. hier vermisst man die suggestive
Kraft, die der Film in einigen Szenen hat. Am stärksten beeindruckte
mich John Gottowt als teuflischer Verführer. Der in Lehmberg geborene
Schauspieler wurde als Jude 1933 mit einem Berufsverbot belegt. 1942
wurde er in der Nähe von Krakau von einem deutschen SS-Offizier
erschossen.
1987/1988 fand durch Wilfried Kugel im Auftrag des Filminstituts
Düsseldorf die erste Rekonstruktion der deutschen Originalfassung von
1913 statt. Durch weitere entdeckte Kopien ging Kugel 2012/2013 erneut
ans Werk und gemeinsam mit dem Filmmuseum München und dem ZDF und Arte
wurde eine verbesserte Rekonstruktion erreicht. Die Premiere dieser
Fassung des Films fand am 15. Februar 2013 auf der Berlinale statt.
Endlich gibt es einen der ersten Klassiker des deutschen Films auch auf
einer adäquaten DVD zu sehen.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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