Regie: Albert & Allen Hughes
Be cool in Watts...
Vom Alltag im amerikanischen Ghetto, genauer gesagt im Problemdistrikt
Watts in Los Angeles, erzählt der von Albert und Allen Hughes
inszenierte Film "Menace II Society" aus dem Jahr 1993. Damit war er
einer der ersten US-Filme, der sich ungeschminkt mit den amerikanischen
Parallelwelten auseinandersetzte. "Menace II Society" heißt soviel wie
"Gefahr wie die Gesellschaft" und gehört neben "Boyz in the Hood" von
John Singleton aus dem Jahr 1991 und "Clockers" von Spike Lee, der vier
Jahre später entstand, zu den besten Werken des Genres.
"Menace II Society" war der erste Filme der Hughes Brothers, die einige
Jahre später mit "From Hell" und "Book of Eli" weitere Regieerfolge
feiern konnten.
Auch heute noch wirkt der Zustandsbericht aus dem Ghetto
besorgniserregend und man kann sich kaum vorstellen, dass der Film
tatsächlich den ganz normalen Alltag in diesen Problemvierteln schildern
soll - aber leider ist es die Wahrheit.
Dort werden schon die Kinder schon sehr früh mit Gewalt und Drogen
konfrontiert. Der Wohnbezirk Watts hat etwa 35.000 Einwohner. In den
40er und 50er Jahren zogen viele Schwarze aus dem Südstaaten dorthin,
sie kamen alle in den Sozialsiedlungen unter. Enige Jahrzehnte später
kam noch ein Zuzug von Einwohnern aus Mexiko oder anderen
lateinamerikanischen Staaten dazu. Eine explosive Mischung und vor allem
waren es Menschen, die zu den sozial schwachen Schichten gehörten. Es
kam zu Unruhen untereinander und heute weist Watts die höchste
Kriminalitätsrate von Los Angeles aus. Es wird geraten die Gegend nach
Einbruch der Nacht zu meiden, wenn man nicht getötet werden will.
In diesem Viertel wächst der junge Caine (Tyrin Turner) auf. Sein Vater
Tat (Samuel L. Jackson) war ein Mörder und Zuhälter und drogensüchtig
wie seine Frau. Mit 18 Jahre ist Caine Vollwaise und verdient sein Geld
mit dealen. Sein bester Freund ist der noch minderjährige O-Dog (Larenz
Tate), der noch um ein vielfaches aggressiver ist als Caine. Bereits die
ersten zwei Szenen zeigen wie wenig wert ein Menschenleben ist und wie
viel Wut und Hass in den Menschen steckt. In einem Spirituosenladen, das
von einem koreanischen Ehepaar geführt wird, kommt es durch
gegenseitige Beschimpfungen zur Katastrophe. O-Dog zieht die Knarre und
tötet den Ladenbesitzer, Caine steht daneben und kann nicht glauben, was
da gerade für ein Blutbad im Gange ist. In der zweiten Szene wird
Caines Cousin Harold (Saafir) von einer anderen Gang erschossen, die
sein Auto klauen wollten. Caine wird dabei schwer verletzt und landet
als Notfall im Krankenhaus. Der einzige Lichtblick für Caine ist Ronnie
(Jada Pinkett Smith), die Frau seines Freundes Pernell (Glenn Plummer),
der eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßen muss. Ronnie hat einen
kleinen Jungen (Julian Roy Doster), für den Caine zu einer Art
Vaterersatz wurde. Ronnie selbst hegt Gefühle für Caine, die er erwidern
würde, aber aus Rücksicht zu Pernell immer auch wieder auf Distanz
geht. Einer von Caines Kumpel heißt Sharif Butler (Vonte Sweet) und hat
sich mit dem Islam angefreudet. Sharifs Vater (Charles S. Dutton) ist
erfreut darüber, dass die Religion den Sohn von der Kriminalität abhält.
Auch Caines Großeltern (Arnold Johnson, Marilyn coleman) sind gläübig -
auch das Christentum ist eine Alternative zum täglichen Morden. O-Dog
zeigt jedem seiner Kumpel die Videoaufzeichnung von seinem kaltblütigen
Mord im Spirtuosenladen, alles finden das cool. Den ersten Mord verübt
Caine dann auch bald - denn die Mörder seines Cousins müssen sterben. So
hat sich die unrühmliche Gangsterkarriere auch für Caine geöffnet...
Die Hughes Brothers haben für mich einen sehr authentischen Film über
dieses Leben auf der Verliererstraße gemacht. Das Ende ist abzusehen und
logisch. Dabei konnten die Regisseure auf ein sehr gut spielendes
Ensemble aufbauen. Nicht nur Tyrin Turner als Caine liefert eine
glaubwürdige Vorstellung, auch die tragenden Nebenrollen sind mit den
Youngsters Larenz Tate, Vonte Sweet und Jada Pinkett-Smith hervorragend
besetzt. Man bekommt allerdings einen schonungslosen Bericht über das
Ghetto serviert. Da ist wenig Platz für Gefühl. Dabei verzichten die
Macher auf den moralischen Zeigefinger, der Zuschauer wird selbst ohne
Anleitung in diese Welt hineingezogen und muss sich selbst ein Bild
davon machen. Eine Welt, in der sich die Schwarzen gegenseitig töten und
eine Welt, in der die Polizei auch äusserst kriminell agiert. Eine
Welt, dessen einzige Fluchtmöglichkeit die Religion zu sein scheint.
Durch den Siegeszug des HipHops dürfte "Menace II Society" vor allem für
Teenager aus sozial schwächeren Schichten eine gewisse Faszination
haben. Nicht umsonst wurde "Menace II Society" sehr schnell zum
ultimativen Kultfilm der Community. Die Gewalt wird nicht als böse
dargestellt, sondern als logische Konsequenz einer Kettenreaktion. Sie
äusserst sich banal und völlig sinnlos. Aber sie ist allgegenwärtig. Bei
Caine, als er fünf Jahre ist (Brandon Hammond) wie auch bei der
nächsten Generation, vertreten durch den kleinen Anthony. Schon als
Kinder werden sie Zeuge des Tötens wegen Kleinigkeiten.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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