Regie: Mike Nichols
Martha und George laden ein...
Imposante 13 Oscar-Nominierungen gingen 1967 an das Regiedebüt des
Hollywood-Regisseurs Mike Nichols, der das berühmte Theaterstück "Wer
hat Angst vor Virginia Woolf ?" des Dramatikers Edward Albee verfilmte.
Dem Film, der dann bei der Oscar-Verleihung fünf Trophäen zugesprochen
wurde, war ein genauso großer Erfolg wie das Bühnenstück.
Elizabeth Taylor gewann mit der Rolle der Martha ihren zweiten Oscar.
Kameramann Haskell Wexler bekam für die schwarz-weiß Kamera den ersten
seiner drei Auszeichnungen. Ausserdem wurde das beste Szenenbild, die
besten Kostüme und Nebendarstellerin Sandy Dennis ausgezeichnet. Beinahe
wäre es auch gelungen den erfolgreichsten Kassenhit des Jahres 1966 zu
machen, denn das Einspielergebnis von 33,7 Millionen Dollar liegt nur
geringfügig unter den beiden erfolgreichsten Filmen des Jahres: John
Hustons "Bible" mit 34,9 Millionen und George Roy Hills episches Drama
"Hawaii" mit 34,5 Millionen Dollar.
"Wer hat Angst vor Virginia Woolf ?" ist angelehnt an den Kinderrein
"Wer hat Angst vor dem bösen Wolf ?" und zeigt eine schonungslose
Eheabrechnung in der Zeit von Samstag Nacht bis Sonntag Morgen oder
besser noch zwischen 1 Uhr 30 bis zum Sonnenaufgang. Der
Geschichtsprofessor George (Richard Burton) und seine Frau Martha
(Elizabeth Taylor) kehren spät von der Feier der Universität zurück.
Marthas Vater ist der Dekan der Uni und George unterrichtet dort
Geschichte. Schon in den ersten Dialogen erkennt man, dass Martha ein
echtes Alkoholproblem hat und George nicht genug ehrgeizig ist. Denn er
hätte schon längst der Leiter des Geschichtsabteilung sein können, wenn
es da nicht Probleme zwischen dem dominanten Schwiegervater und dem
zynischen Historiker geben würde, der früher auch schon Romane schrieb,
die nie veröffentlicht wurden. Eigentlich ist George müde und will ins
Bett - doch Martha sagt ihm, dass sie jetzt zu dieser späten Zeit noch
Gäste erwarten würden. Sie hat den neuen Biologielehrer Nick (George
Segal) und dessen Frau Honey (Sandy Dennis) eingeladen. Es kommt schon
zum Streit bevor es dann tatsächlich an der Tür klingelt und als die
Gäste Platz genommen haben macht Martha munter weiter ihren geduldigen
George als Mensch, als Mann und als Historiker zum Versager
abzustempeln. Die Kränkung sitzt tief, doch George ist es gewohnt
zurückzuschlagen. Beide demütigen sich aufs heftigste und stellen sich
bloß. Die beiden betrunkenen Gäste werden schonungslos in Martha und
Georges Spiele mit einbezogen. So horcht George Nick geschickt aus und
erfährt intime Dinge aus dessen noch jungem Eheleben. Martha versucht
Nick sexuell anzumachen. Das Psychospiel des älteren Paares umfasst
sämtliche Gefühlsfacetten von Liebe und Hass, aber immer destruktiv und
zynisch formuliert. Nach "Demütige den Gastgeber" wird "Krieg die Gäste
dran" gespielt - aus diesem ungleichen Wettbewerb gehen schließlich die
Jungverheirateten als Verlierer hervor, denn die verborgenen Aspekte
über die man normalerweise nicht redet, treten zutage und das vorherige
Selbstvertrauen von Nick wird in den Grundfesten erschüttert. Am Morgen
ist zwar vieles zerstört, doch es gibt auch die Chance für einen neuen
besseren Anlauf...
"Dreckloch verdammtes" so vulgär und ordinär gelang einer großartigen
Liz Taylor der zweite Oscar-Coup und ihr damaliger Mann ist ihr völlig
ebenbürtig...eben gut, besser, am besten, bestialisch, so das Credo der
dialoglastigen Nachtmittermachts-Party zu Viert. Klasse Schwarz-weiß
Aufnahmen von haskell Wexler, das herrvorragende Drehbuch von Ernest
Lehman. Und im Mittelpunkt das damals populärste Filmpaar weltweit. Auch
sie küßten und schlugen sich. Von den vielen Versuchen die Burtons
wirkungsvoll in einem Film in Szene zu setzen, wurde "Wer hat Angst vor
Virginia Woolf ?" nicht nur der erfolgreichste (wenn man mal "Cleopatra"
aussen vor lässt) sondern vor allem der Beste. Niemals war ein
Schauspielerinnen-Oscar mehr verdient als dieser von Liz Taylor als
streitsüchtige Martha, die gemeinsam mit ihrem ebenbürtigen Gatten eine
schonungslose Boloßstellung und Abrechnung servieren mit allem drum und
dran. Hass, Minderwertigkeitsgefühle, Ängste und Lebenslügen...alles
innert von Stunden den Gästen schonungslos serviert.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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