Regie: Preston Sturges
Spassmacher, Clowns, Komiker und Hollywood Wahnsinn...
Preston Sturges "Sullivans Reisen" ist sein populärster, aber
auch sein sonderbarster Film. Der Regisseur widmete seinen Film allen
Witzbolden, Clowns und Possenreißer, die es zu allen Zeiten und in allen
Nationen gab und die Menschen zum Lachen brachten. Ein Werk mit
wunderbaren subversiven Ansätzen, die man am Ende vielleicht so
interpretieren könnte, dass Sturges die Verhältnisse, die er anprangert,
akzeptiert.
Aber der Schluß lässt auch eine andere Bedeutung zu, denn man
könnte auch den Künstler und Regisseur Sullivan als Popanz oder Wichtigtuer gescheitert sehen,
da seine unterhaltsamen und witzigen Filme überhaupt nichts bewirken -
nicht einmal ein paar schöne Stunden für die Zuschauer, denen der
Filmschaffende angeblich helfen will. Andererseits wissen wir aber auch,
dass im 2. Weltkrieg und in der schwierigen Nachkriegszeit die Menschen
gerne die Realität vergessen wollten und gerade deswegen das Kino
besuchten um in eine bessere, lustigere Welt einzutauchen.
Zumindest in der ersten Hälfte des Films ist die bissige Satire
eindeutig klar gestaltet: Der erfolgreiche Hollywood Regisseur Sullivan
(Joel McCrae) hat genug von seinen erfolgreichen Unterhaltungsfilmen. Er
will den engagierten, sozialkritischen Film schaffen. Arbeitstitel "O
Brother, Where Art Thou?" - ein Drama über die schweren Zeiten der
damaligen Wirtschaftskrise. Die beiden Studio Bosse Lebrand (Robert
Warwick) und Hadrian (Porter Hall) sind gar nicht begeistert von solchen
risikoreichen Ambitionen. Sie haben kein Interesse daran, dass das
Zugpferd das Genre wechselt. Trotzdem lässt sich der naive Sullivan von
seinem Plan nicht abbringen. Da die Bosse ihm vorwerfen, dass er als
reicher Mann gar keine Ahnung von Armut haben kann, fasst der
Filmemacher den Entschluß sich als Landstreicher zu verkleiden und
durchs Land zu reisen. Er will das "echte Leben" studieren. Im
reichhaltigen Kostümfundus des Studios sucht er sich ein schäbiges
Landstreicher-Outfit aus und zieht in seiner ersten Reise mit 10 Cent in
den Taschen los. Verfolgt von der PR-Abteilung des Studios, die in
einem luxuriös ausgestatteten Wohnmobil auf seinen Fersen bleiben. Seine
betriebene Milieustudie droht zu kippen, auch wenn Sullivan Mitfahrer
eines fahrbegeisterten Jungen wird, der das Gefolge erfolgreich
abschüttelt kann. So endet die erste Reise mit Slapstick und
anschließendem Autostop, der ihn in seine Heimat Hollywood bringt. Er
wagt einen nächsten Anlauf, nachdem er in einem Imbissvon einer blonden
Schönheit (Veronica Lake) zu einem Frühstück eingeladen wird. Dieser
Traumfrau kann er zuerst noch vormachen, dass er ein armer Landstreicher
ist - aber er hält seine Armut nicht lange aufrecht, weil er der
Schönen, die von einer Hollywood Karriere träumt, ein bisschen
Schützenhilfe leisten will. Und das kann er nur als einflussreicher
Mann. Er entwendet sein eigenes Auto und wird von der Polizei gestellt
und wieder endet dieser Versuch, die Armut gemeinsam mit der Frau zu
erkunden, mit der Endstation Hollywood. Der dritten Reise ist etwas mehr
Glück beschieden...immerhin können sich Sullivan und sein Mädchen als
Hobos durchschlagen. Hier wird "Sullivans Reise" zur Hommage an Charlie
Chaplin. Nun hat er genug vom Experiment und während er - motiviert
durch die Capra Filme - den Bedürftigen der Stadt ein paar Geldscheine
einstecken will, beginnt die letzte und unfreiwillige Reise. Denn er
wird zusammengeschlagen und findet sich in einem Güterzug wieder. Der
Dieb, der ihm die Schuhe geklaut hat, wird von einem Zug tödlich erfasst
und da der Tote für Sullivan gehalten wird, ist er nun wirklich vom
Schicksal zu einem Landstreicher geworden. Als ein Bahnarbeiter ihn
aggressiv angeht, wehrt er sich und wird zu 6 Jahren Zwangsarbeit
verurteilt. Dort im Knast bringt ihm die Vorführung eines Disney
Zeichentrickfilms das Lachen zurück und er hat einen effektiven Einfall,
der ihn wieder nach Hollywood bringt. Natürlich kriegt er sein Mädchen
und er beschließt Regisseur Sullivan zu bleiben, der diese netten und
unterhaltsamen Komödien dreht...
Klingt alles ein bisschen diffus, aber der Film strahlt einen
unglaublichen Charme aus. Während die ersten drei Reisen dafür stehen,
dass man seinem Umfeld nie entkommen kann, scheint es, dass er mit der
letzten Reise endlich Erkenntnisse gewinnen kann. So als würde man etwas
lernen, wenn man eben nicht danach sucht, sondern wenn das Schicksal
zuschlägt.
Extrem gelungen ist die dritte Reise, dort wirken Joel McCrae und
die als Junge zurechtgemachte Veronica Lake tatsächlich wie Chaplin, der
Tramp und sein Begleiter "The Kid". Überhaupt erweist sich "Sullivans
Reise" auch als Hommage auf das ganz alte Hollywood - auf den Stummfilm
und auf die Zeit, als der Film noch neu war und man kann nur vermuten
was für eine Faszination der Film und das Kino in den Kindertagen hatte.
Die Traumfabrik fungiert hier tatsächlich als diese Realitätsflucht
und Sullivan wird immer wieder am Ende seiner Reise in Hollywood sein.
Möglich, dass der Film etwas uneinheitlich erscheint, aber ich finde
Preston Sturges hält die Balance zwischen Drama und Kömödie perfekt.
Auch die gewisse Künstlichkeit der Szenerie passt perfekt zu der
Message, dass im Glanz von Hollywood ein pessimistisches Weltbild
verdrängt wird - man ist ja der Held, wenn man es als Regisseur schafft,
dass die Leute für 1 oder 2 Stunden ihr Leid vergessen. Er als
Regisseur schafft für diese Armen damit was ganz Wertvolles. Ist Preston
Sturges hier tatsächlich die bissigste aller Hollywood-Satiren gelungen
oder hat er sich selbst und seine Zunft auf einen überhöhten Sockel
gestellt ? Ich tendiere zu Ersterem. Und federleicht wie selten wirkt
der Inszenierungsstil von Sturges.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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