Regie: Ari Kaurismäki
Geschichte eines Verlierers...
Aki Kaurismäkis Mikrokosmos von armen Verlierern und vom Schicksal
gebeutelten Menschen ist nicht exakt realitätskompatibel. Ein seltsamer
Hauch von zeitlich nicht ganz einordenbarer Nostalgie umgibt seine
Figuren und die Umgebung, in der sie leben: Die Autos scheinen aus den
50ern zu stammen, die Musik hört sich an wie aus den Anfangszeiten des
Rockn Roll oder wie melancholische finnische Schlagerballaden aus den
60er Jahren Grand Prix Eurovisionszeiten. Vergeblich sucht man in seinen
Filmen die typische IST-Generation mit Handy, Laptop oder sonstigen
angesagten Gegenständen des täglichen Lebens. Seine Location heisst
Tristesse. Seine Geschichte beinhaltet wie so oft in seinen Filmen
Melancholie, Dramatik, knappe Dialoge und viel lakonischen Humor. Fast
möchte man den kauzigen Finnen, der seit gut 20 Jahren einen grossen
internationalen Ruf als eigenwilliger und unverwechselbarer Regisseur
geniesst, als eine Art europäischen Jim Jarmush bezeichnen. Mit "Der
Mann ohne Vergangenheit" hat er vielleicht sogar seinen bisher besten
Film geschaffen, das Verliererepos wurde weltweit mit vielen Preisen
überhäuft.
Der Film ist sowohl Märchen als auch poetisches Meisterwerk, er erinnert
auch stellenweise an den unsterblichen de Sica Klassiker "Das Wunder
von Mailand", der ebenfalls im Milieu der Obdachlosen spielt und
tatsächlich geschieht in Kaurismäkis schöner Parabel auch ein solches
Wunder, vorausgestzt man nimmt es am Ende als solches auch wahr.
Die Einführung in die Geschichte ist kurz, knapp, und prägnant. Ein
Zugreisender (Markku Peltola) steigt am Bahnhof aus, auf einer Parkbank
wird von drei Schlägern übelst auf seinen Kopf eingedroschen. Im
Krankenhaus erklärt man ihn schon für tot, aber der Namenlose ist zäh
und flieht hinaus in die Nacht. Am darauffolgenden Tag wird er vom armen
Schlucker Niemienen (Juhani Niemelä) und seiner Frau Kaisa (Kaija
Pakarinen)gefunden, die ihn bei sich aufnehmen. Zunehmend geht es dem
Mann ohne Vergangenheit besser, nur kann er sich nicht mehr an sein
vorheriges Leben erinnern und versucht aber für die Zukunft im Jetzt und
Hier ohne Identität Fuss zu fassen. Dabei findet er in einem Hund einen
weiteren Freund und verliebt sich in die einsame Irma (Kati Outinen),
einem Mitglied der Heilsarmee. Behörden, Polizei und Banken bremsen aber
seinen Elan Arbeit zu finden, hier verweist man auf fehlende Papiere...
Wie in den meisten seiner Filme übt Kaurismäki auch hier Kritik an einer kalten und egoistischen Gesellschaft, die sich nicht um ihre Schwächsten kümmert. Trotzdem ist der Film viel positiver als viele Kaurismäki Vorgänger, denn die Botschaft, die der Film offenbart, steckt voller Hoffnung, Anmut, Würde und Poesie. Der Soundtrack mit den Songs des finnischen RocknRollers Marko Haavisto, so schräg er auch sein mag, ist eine Wucht.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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