Mittwoch, 24. Juli 2024

Tausendschönchen


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Vera Chytilova

Zweimal Marie...

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem häufigeren Gebrauch von bewusstseinserweiternden Drogen und der Vielzahl von psychedelischen und surrealen Filmen ab Mitte der 60 Jahre. Zumindest gab es in dieser Zeit viele Filmemacher, die mit solchen bizarren Explosionen auf der Leinwand experimentierten. Vera Chytilovas aggressive feministische Farce "Tausendschönchen" gehört sicherlich dazu. Der Originaltitel des Films heißt "Sdmikrasky" - in einer Umfrage der BBC im Jahr 2019 über die besten Filme, die von Frauen inszeniert wurde, landete "Tausendschönchen" auf Platz 6. Der Film zeigt Eskapaden von zwei 17jährigen Mädchen auf, die beide Maria heißen. Jitka Cerhova und Ivana Karbanova spielen diese Mädels, die eienn Hang haben ältere Lüstlinge auszunutzen und wilde Schlachten mit gutem Essen veranstalten. Gerade diese letztgenannten Szenen führten dazu, dass der Film nach der Zerschlagung des Prager Frühlings mit einem Aufführungsverbot belegt wurde. "Tausendschönchen" gehört zu der tschechoslowakischen Neuen Welle, denn er wirkt irgendwie kritisch gegenüber dem Autoritarismus, dem Patriarchat und auch der kommunistischen Lebensphilosophie. Der Titelvorspann wechselt zwischen Aufnahmen eines sich drehenden Schwungrads und Aufnahmen von Flugzeugen, die den Boden bombardieren. Die erste Szene zeigt Marie I und Marie II in Badeanzügen sitzend. Knarrende Geräusche begleiten ihre Bewegungen und ihre Unterhaltung ist roboterhaft. Sie beschließen, dass sie, da die ganze Welt verdorben ist, ebenfalls verdorben werden. Die Maries tanzen vor einem Baum, an dem viele verschiedene Obstsorten hängen. Marie II isst einen Pfirsich vom Baum und die Maries erscheinen in ihrer Wohnung. Marie I verabredet sich mit einem älteren Mann. Marie II taucht auf und sagt, sie sei Marie I’s Schwester und isst viel, während sie sich über das Date lustig macht und die amourösen Absichten des Mannes durchkreuzt. Sie fragt, wann der Zug des Mannes abfährt und das Trio geht zum Bahnhof. Marie I steigt mit dem Mann in den Zug, bevor sie sich davonschleicht und mit Marie II nach Hause geht. Die Maries gehen in einen Prager Nachtclub, wo sie einem Tanzpaar im Stil der 1920er Jahre die Show stehlen und die Gäste mit ihren betrunkenen Mätzchen nerven. Marie II. unternimmt einen Selbstmordversuch, indem sie ihre Wohnung mit Benzin füllt, scheitert jedoch, weil sie das Fenster offen gelassen hat. Marie I. macht ihr Vorwürfe, weil sie Benzin verschwendet hat. Die Maries flirten mit einem anderen Mann, um ihn dazu zu bringen, ihr Essen zu bezahlen, bevor sie ihn in seinen Zug verabschieden. Sie weinen, als er geht, brechen dann aber in Gelächter aus. Marie II. geht in die Wohnung eines Mannes, der Schmetterlinge sammelt. Er erklärt ihr wiederholt seine Liebe, aber sie fragt nur, ob es etwas zu essen gibt. Die Maries rauben eine freundliche Toilettenfrau aus. Zurück in ihrer Wohnung schneiden sie verschiedene phallische Lebensmittel auf, während der Schmetterlingssammler Marie II. am Telefon seine Liebe erklärt. Als die Maries versuchen, einen viel älteren Mann in einen Zug zu verabschieden, steigt er aus, also steigen sie in den fahrenden Zug und lassen ihn schließlich am Bahnhof zurück. Die Maries sehen sich alle Namen und Telefonnummern an, die an den Wänden ihrer Wohnung stehen, und versuchen, einen Mann auszuwählen, den sie anrufen können. Ein Mann klopft an die Tür von Marie II, aber Marie I neckt sie und sie lässt ihn nicht herein. An einem Pool sagt jede Marie der anderen, dass sie sie nicht mehr mag. In ihrer Wohnung baden die Maries in einer Badewanne voller Milch mit einem Ei und philosophieren über Leben und Tod, Existenz und Nicht-Existenz. Auf dem Land bemerkt ein Bauer die Maries nicht. Als eine Gruppe von Arbeitern, die auf Fahrrädern vorbeifahren, sie ignoriert, beginnt Marie II sich zu fragen, ob sie verschwunden sind. Sie beschließen, dass sie existieren müssen, als sie an einem Chaos vorbeikommen, das sie mit gestohlenen Maiskolben angerichtet haben. Zurück in ihrer Wohnung schneiden sie sich gegenseitig mit Scheren in Stücke. Die Maries schleichen sich in den Keller eines Gebäudes. Sie fahren mit einem mechanischen Speiseaufzug mehrere Stockwerke hinauf und finden ein Festmahl, das bereits fertig angerichtet ist, obwohl niemand da ist. Sie essen das Essen, machen ein Chaos und zerstören den Raum. Sie schwingen an einem Kronleuchter, der von der Decke fällt, und werden ins offene Wasser geworfen. Sie rufen einem nahen Boot um Hilfe zu, und unsichtbare Matrosen strecken den Maries große Baumstämme entgegen, an denen sie sich festhalten können. Sie werden wiederholt hochgehoben und wieder ins Wasser getaucht, bevor sie den Halt verlieren. Sie sagen, sie wollen nicht mehr verwöhnt werden. Die letzte Szene zeigt die Maries, wie sie ins Esszimmer zurückkehren. Sie fegen die schmutzige Tischdecke weg, decken den Tisch mit Tellerscherben und zerbrochenen Gläsern und schütten das Essen zurück auf die Platten, während sie flüstern, dass sie brav und fleißig sein sollen, damit alles wunderbar wird und sie glücklich sind. Als sie fertig sind, legen sie sich auf den Tisch und sagen, sie seien glücklich. Marie II. bittet Marie I., dies zu wiederholen, und Marie I. fragt, ob sie so tun, als ob sie das tun. Marie II. verneint. Der Kronleuchter fällt auf sie, und der Film wechselt zu Kriegsaufnahmen, über denen eine Erklärung erscheint, in der der Film denen gewidmet wird, die sich nur über ein zertrampeltes Salatbett aufregen...






Während des gesamten Films dienen die beiden Hauptfiguren als übertriebene Schachfiguren für Chytilovás satirische Herangehensweise an weiblichen Stereotypen. Sollte der Film etwa unangenehm provozierend für die damaligen männlichen Zuschauer sein ? Die beiden Maries (eine blond, die andere dunkelhaarig) wirken mit aufgesetzt hohen Stimmen und den kindlichen Manierismen genau so, wie sich der starke Mann die attraktive junge Frau gerne hätte. Ausserdem hat Very Chytilova sichtlich Spass die Grenzen wohlerzogener Ettikette zu überschreiten. Der Film wirkt etwas wie ein gezielter Angriff auf gute Manieren.





Bewertung: 7 von 10 Punkten.

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