Regie: Jaromil Jires
Die gestohlenen Ohrringe...
Die
Tschechoslowakei war berühmt für seine Märchenfilme. Am bekanntesten
dürfte sicherlich der Weihnachtsklassiker "Drei Nüsse für Aschenbrödel"
sein, der von Vaclav Vorlicek gedreht wurde. Ein krasser Gegensatz zu
solchen Klassikern wie "Die Jungfrau und das Ungeheuer" oder "Eine
zauberhafte Erbschaft" dürfte das 1970 realisierte New Wave
Surrealismus-Darkhorror-Fantasy Märchen "Valerie A Tyden Divu" von
Jaromil Jires sein, der auch das Drehbuch zu dieser sehr düsteren,
traumähnlichen Variante mitschrieb. Der Film basiert auf dem Roman
"Valerie oder die Woche der Wunder" von Vitezslav Nezval aus dem Jahr
1935 sein. In dieser Geschichte lebt die 14jährige Heldin in einem
verwirrenden Traum, sie wird von Priestern und Vampire bedrängt und sie
beschäftigt sich mit Männern und Frauen. Beinahe schon eine Antithese zu
den normalen Märchen, vollgestopft mit Metaphern, verschiedenen
Deutungsebenen. Es beschreibt das aufkeimende sexuelle Erwachen eines
14järigen Mädchens (die Hauptdarstellerin Jaroslava Schallerova war zum
Zeitpunkt der Dreharbeiten 14 Jahre alt) und heute wäre so ein Filmthema
sehr brisant, weil die Grenzen was man zeigen kann heute viel enger
geschnürt sind. Trotz allem hat sich dieses extrem surreale
Schauermärchen zu einem absoluten Kultfilm entwickelt, "Valerie" wird
als einer der wichtigsten tschechischen Filme überhaupt angesehen. Neil
Jordan hat dieses Thema in seinem 1984 inszenierten "Zeit der Wölfe"
ebenfalls aufgegriffen. Formal ist Jordans Film aber viel weniger
surreal und dafür stärker dem Horrorfilmgenre verhaftet.
Die
13-jährige Valerie (Jaroslava Schallerová)wird eines Nachts von Orlík
(Petr Kopriva) aufgesucht, der ihr ihre Ohrringe klaut, die sie von
ihrer verstorbenen Mutter geschenkt bekam. Am nächsten Tag jedoch bringt
er ihr diese zurück und weist sie darauf hin, dass es sich um magische
Ohrringe handelt, die sie vor tödlicher Gefahr beschützen werden. Dies
ist der Start für eine ganze Reihe merkwürdiger Ereignisse in der Stadt.
Zunächst heiratet Hedvika (Alena Stojáková) einen Mann, den sie nicht
liebt, aus Zwang; zur Hochzeit läuft eine Gruppe Schauspieler
musizierend durch die Stadt. Dann verschwindet plötzlich Valeries
Großmutter (Helena Anýzová), woraufhin ihre entfernte Cousine Elsa
(ebenfalls Helena Anýzová) auftaucht. Was Valerie nicht weiß: in der
Stadt geht ein Vampir (Jirí Prýmek) um, mit dem ihre Großmutter einen
Pakt schloss. Er gibt ihr die Jugend zurück und sie hat ihm im Austausch
das Haus, in dem Valerie mit ihr lebt, gegeben. Valerie erfährt zudem,
dass Orlík ihr Bruder sein könnte, obwohl sich eine romantische
Beziehung zwischen den beiden anbahnt.Außerdem scheint der Vampir hinter
Valerie her zu sein, doch glücklicherweise ist sie im Besitz der
Ohrringe, so dass sie immer wieder gerettet werden kann - selbst vor
einem Priester (Jirí Prýmek), der sie vergewaltigen will...
Die Musik von Lubos Fiser passt perfekt zu dieser Geschichte und besteht aus Chorgesängen und vielen Orgeltönen.
Die Musik von Lubos Fiser passt perfekt zu dieser Geschichte und besteht aus Chorgesängen und vielen Orgeltönen.
Das
Aussehen des Vampirs erinnert natürlich an Friedrich Wilhelm Murnaus
"Nosferatu". Wie in einem Traum verändern die Hauptpersonen ihre Rolle
und ihre Erscheinung und eine symbolhafte Bildsprache entsteht inmitten
dieser Idylle der mittelalterlichen Stadt und ihren unheimlichen
Gruften. Dabei macht das Mädchen Bekantschaft mit Inzest, Kindsmord,
Hexerei und religiösen Heuchlern.
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.
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