Dienstag, 31. Oktober 2017
Furyo - Merry Christmas Mr. Lawrence
Regie: Nagisha Oshima
Ritual und unterdrückte Leidenschaft...
Nagisa Oshimas Film "Furyo - Merry Christmas, Mr. Lawrence" aus dem Jahr 1983 spielt in einem japanischen Gefangenenlager auf Java und handelt von Männlichkeitsritualen, der Film stellt auch die Unterschiede zwischen britischen und japanischen Soldaten dar. Dabei spielt sich auch versteckte Homosexualität (vor allem in Kriegszeiten) eine tragende Rolle. Ein Wärter, der einen holländischen Gefangenen zum Sex gezwungen hat, wird in einer der ersten Szenen von dem ruppigen Feldwebel Hara (Takeshi Kitano) zum Harakiri gedrängt. Oberstleutnant Lawrence (Tom Conti), einer der mit der japanischen Lebensart vertraut ist und auch die Sprache beherrscht, wird dazu gezwungen dem merkwürdigen Schauspiel beizuwohnen.
Der noch sehr junge Hauptmann Yonoi (Ryuichi Sakamoto) leitet das Lager und drängt den Kommandanten der britischen Gefangenen, Hicksley (Jack Thompson) darauf, dass er die Namen der Waffenexperten unter den Gefangenen offenlegen soll. Dieser weigert sich und beruft sich auf die Genfer Konventionen. Die Lage spannt sich noch mehr an als der neue Gefangene Major Celliers (David Bowie) ins Lager aufgenommen wird. Der wurde vom Gericht beschuldigt einheimische Guerilla Kämpfer im Kampf gegen die Armee angeführt zu haben. Dass er nicht hingerichtet wurde hat er Yonoi zu verdanken, der sich in der Verhandlung für ihn eingesetzt hat. Überhaupt scheint es so, dass der Hauptmann eine starke Sympathie für den blonden Engländer hegt. Doch er muss diese Gefühle unterdrücken und glaubt er werde vone einem bösen Dämon heimgesucht. Als Cellier für ein Vergehen bestraft wird kommt er mit Lawrence in Einzelhaft, der für ein eingeschmuggeltes Radio enthauptet werden soll. Dort erzählt ihm Celliers von seinem Kindheitserlebnis mit seinem jüngeren Bruder (James Malcolm, in diesen Szenen wird der 12jährige Cellier von Chris Broun gespielt), den er bei einem Aufnahmeritual der Universität im Stich gelassen hatte und ihn dem Spott seiner Mitkommilitonen überließ. Am Weihnachten entscheidet der betrunkene Hara die beiden Gefangenen zu begnadigen. Doch dies führt zu weiteren Eskalationen. Nun soll Hicksley, der sich immer noch permanent weigert Namen zu nennen, exekutiert zu werden. In diesem Moment schreitet Celliers auf den Hauptmann zu und gibt ihm vor allen Männern einen Kuß auf die Wange...
In dieser Szene kommt noch einmal die phänomenale Filmmusik von Ryuichi Sakamoto zum Einsatz, der schon am Anfang des Films der Geschichte seinen ureingenen Stempel aufdrückte und für mich nach wie vor eine der besten Filmsoundtracks aller Zeiten ist. Das musikalische Thema ist immer ein Teil des Geschehens und manifestiert und kräfigt die eindrucksvollen Bilder von Kameramann Toichiro Narushima. Ein bisschen erinnert David Bowie als blonder Celliers an die großartige Performance von Peter O´Toole in "Lawrence von Arabien". Ist es nur Zufall, dass einer der Hauptfiguren Lawrence heißt oder hat Nagisa Oshima den Namen bewusst gewählt. In beiden Filmen spürt man beim Helden unbewusste homoerotische Neigungen und Frauen kommen im Film überhaupt nicht vor. Genauso schillernd wie Bowie ist aber auch Sakamoto, der Darsteller des Hauptmanns Yonoi, der dem bereits sterbenden Celliers (er ist bis auf den Kopf im Sand eingegraben) eine Locke des Haars abschneidet, ein Schmetterling, das Symbol für Wandel und Transformation, setzt sich auf dessen Stirn. Der Film macht es aber seinem Zuschauer nie leicht, denn alles ist nur angedeutet und nie wird etwas sehr konkret ausgesprochen. Die Gesten sind aber manchmal vielsagender als Worte in diesem immer noch sehr eigenwilligen Film über den Clash der Kulturen.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
Vier im roten Kreis
Regie: Jean Pierre Melville
Der Juwelenraub...
In
Jean Pierre Melvilles Meisterwerk "Vier im roten Kreis" aus dem Jahr
1971 geht es um einen präzise geplanten Einbruch in ein Juweliergeschäft
an der Place Vendome in Paris. Dieser Coup wird von den drei Gangstern
mit handwerklicher Präzision durchgeführt, obwohl der Juwelier sich mit
Lichtschranken, Alarmanlagen, einer TV-Überwachung und einem
Sicherheitsbeamten hat absichern lassen. Dieser Einbruch findet in der
Mitte des Films statt und funktioniert ohne Dialog - man hört lediglich
die leisen Geräusche, die die Ganoven machen und dabei Fahrstühle,
Dächer oder Fensterscheiben überwinden. Solche Sequenzen waren nicht neu
- bereits Jules Dassin landete damit 1955 mit seinem Gangsterfilm
"Rififi" einen Welterfolg. Ein Beispiel aus neuerer Zeit ist Brian de
Palmas "Mission Impossible" - auch hier besann sich der Macher auf eine
atemberaubende Szene mit stummem Suspence.
Es geht in
"Vier im roten Kreis" aber auch darum wie es zu dieser Tat kam und um
die anschließende Jagd auf Beute und Täter. Dies alles läuft bei
Melville wie gewohnt mit eiskalter mathematischer Präzision ab. Dabei
ist der Film nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell überragend
gestaltet. Auch ein Verdienst der vorzüglichen Kameraarbeit von Henri
Decae.
Der Filmtitel bezieht sich auf einen Ausspruch von
Buddha. Dieser zeichnete mit roter Kreide einen Kreis und meinte "Wenn
Menschen, selbst wenn sie sich nicht kennen, eines Tages einander
begegnen sollen, was immer jedem von Ihnen auch zustoßen mag und wie
verschieden auch ihre Wege sein mögen, so werden sie unweigerlich an
diesem Tag im roten Kreis zusammentreffen".
Zwei dieser
Menschen rasen gemeinsam durch die nächtlichen Straßen von Marseille und
erreichen gerade noch den Schnellzug in Richtung Paris. Es ist
Kommissar Mattei (Andre Bourvil) und sein Häftling Vogel (Gian Maria
Volonte). Doch trotz der angelegten Handschellen gelingt der
berüchtigten und lang gesuchten Gangster in den Morgenstunden eine
spektakuläre Flucht. Er flieht in den Wald und wird unerbittlich mit
einem Riesenaufgebot an Gendarmen und Spürhunden gejagt. Straßensperren
werden errichtet, die ganze Gegend wimmelt von Polizisten.
Zeitgleich
mit der Flucht wurde der Häftling Corey (Alain Delon) wegen guter
Führung aus dem Gefängnis in Paris entlassen. Der versierte Einbrecher
bekommt von einem Gefängniswärter (Pierre Collet) in der Nacht vor der
Entlassung noch einen todsicheren Tipp für den Einbruch in ein
Juweliergeschäft. Bevor er sich einen Wagen mietet, begleicht er noch
eine alte Rechnung und tötet dabei einen Gangster. Dann verlässt er mit
dem Auto Paris und kommt auch an diesen Straßensperren vorbei. Er macht
Rast in einem Gasthaus und bemerkt, dass ein Mann heimlich in den
Kofferraum seines Autos steigt. Wenig später stellt er den Fremden auf
einem abgelegenen Feldweg zur Rede. Es ist Vogel und Corey hilft dem
Gesuchten weiter. Da auch Corey von seinen Feinden gesucht wird, kann
sich Vogel bald revanchieren und dies schmiedet die beiden Männer
zusammen. So braucht es nur noch einen genialen Scharfschützen und einen
Hehler (Paul Crauchet). Als Scharfschütze wird der Ex-Bulle Jansen
(Yves Montand) ausgewählt, der ein schwerer Alkoholiker ist. Man nimmt
mit ihm Kontakt auf und tatsächlich kann Jansen die bösen Dämonen, die
ihn treiben, abschütteln und wieder zur alten Stärke finden. Er sagt
sofort zu als er vom Deal hört. Der Coup weckt seine positiven
Lebensgeister. Kommissar Mattei, ein Einzelgänger, der alleine mit
seinen drei geliebten Katzen in einem Pariser Appartment lebt, hat die
beste Verbrechensaufklärungsquote der Kripo. Doch der oberste
Polizeichef (Paul Amiot) ist mit ihm nicht zufrieden. Schließlich hat er
Vogel entkommen lassen und er kann seinen Ruf nur wiederherstellen,
wenn ihm die erneute Festnahme gelingt. Um erfolgreich zu sein, nötigt
er den Nachtclubbesitzer Santi (Francois Perrier), einen Freund von
Vogel, als Polizeispitzel tätig zu werden. Dieser lehnt zuerst ab, doch
als sie dessen 16jährigen Sohn (Jean-Marc Boris) wegen Rauschgift
verhaftet, wird Santi gefügig. Währenddessen hat der Raub erfolgreich
stattgefunden...
Ein großer, düsterer Gangsterfilm über Freundschaft und Loyalität, über Schuld und Verrat. Die Liebe zum Film Noir ist in "Vier im roten Kreis" sofort erkennbar. Die vier Männer im roten Kreis sind allesamt Einzelgänger, die nicht viel über sich preisgeben. Man erinnert sich an viele Klassiker des Genres, sei es "Wenn es Nacht wird in Paris" oder "Die Rechnung ging nicht auf" bis hin zu Hustons "Asphalt Dschungel". Diese Einzelgänger im Film tragen auch Trenchcoat und Hut - genau wie in den Klassikern. Wie in allen guten Gangsterfilmen verschwimmt das Gut und Böse Schema und auch in "Vier im roten Kreis" bedienen sich die Gesetzeshüter illegaler Mittel. Der oberste Polizeichef wirkt in seinen Aussagen wie ein Menschenfeind und am Ende werden die Gangster sang- und klanglos wie Hasen von hinten abgeschossen. Selten war ein Gangsterfilm pessimistischer und die Schauspieler laufen zur Höchstform auf. Vor allem der meist als Komiker eingesetzte Andre Bourvil liefert als Kommissar Mattei eine hervorragende Leistung. Leider starb der beliebte Schauspieler kurz nach Fertigstellung des Films an der Kahler Krankheit. Auch Melville lebte nicht mehr lange. Nach seinem letzten Film "Der Chef" starb er 1973 an einer Herzattacke - er wurde nur 55 Jahre alt.
Ein großer, düsterer Gangsterfilm über Freundschaft und Loyalität, über Schuld und Verrat. Die Liebe zum Film Noir ist in "Vier im roten Kreis" sofort erkennbar. Die vier Männer im roten Kreis sind allesamt Einzelgänger, die nicht viel über sich preisgeben. Man erinnert sich an viele Klassiker des Genres, sei es "Wenn es Nacht wird in Paris" oder "Die Rechnung ging nicht auf" bis hin zu Hustons "Asphalt Dschungel". Diese Einzelgänger im Film tragen auch Trenchcoat und Hut - genau wie in den Klassikern. Wie in allen guten Gangsterfilmen verschwimmt das Gut und Böse Schema und auch in "Vier im roten Kreis" bedienen sich die Gesetzeshüter illegaler Mittel. Der oberste Polizeichef wirkt in seinen Aussagen wie ein Menschenfeind und am Ende werden die Gangster sang- und klanglos wie Hasen von hinten abgeschossen. Selten war ein Gangsterfilm pessimistischer und die Schauspieler laufen zur Höchstform auf. Vor allem der meist als Komiker eingesetzte Andre Bourvil liefert als Kommissar Mattei eine hervorragende Leistung. Leider starb der beliebte Schauspieler kurz nach Fertigstellung des Films an der Kahler Krankheit. Auch Melville lebte nicht mehr lange. Nach seinem letzten Film "Der Chef" starb er 1973 an einer Herzattacke - er wurde nur 55 Jahre alt.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
Sonntag, 29. Oktober 2017
Ein Hauch von Zen
Regie: King Hu
Ritterliche Heldin...
King Hu (1931 - 1979) gilt als der große Pionier des Wuxia-Genres, auch
wenn bereits in den 20er Jahren solche Filme schon gedreht wurden. Sein
epochales Meisterwerk "Ein Hauch von Zen" aus dem Jahr 1969 ist aber der
erste Film dieser Art, der auch das Arthaus-Publikum begeisterte. Bei
seinem Kinostart in Ostasien war es nicht der große Publikumserfolg - er
wurde danach vom Produzenten eigenmächtig gekürzt in der Hoffnung ihn
auch auf den anderen Kinomärkten der Welt gut zu vermarkten. Zu dieser
Zeit hatte ja der Kung Fu Film viele Freunde unter den Kinogängern. Erst
1975 konnte King Hu die ursprüngliche Fassung wiederherstellen und
wrude dafür zu Recht bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem großen
Spezialpreis der Jury bedacht. Einzigartig auch die ausgesprochen lange
Laufzeit von beinahe 200 Minuten. Seinen Durchbruch feierte King Hu mit
dem Kontrakt, den er mit den Shaw Brothers einging. Für diese
erfolgreichen Produzenten drehte er 14 Filme und 1966 wurde auch "Das
Schwert der gelben Tigerin" sehr gelobt. Es folgte mit "Die Herberge zum
Drachentor" ein gern gesehener Martial-Arts Klassiker. Vielleicht war
es die Mischung die "Ein Hauch von Zen", der darauf folgte, so
einzigartig werden ließ: Die spannende Geschichte wird sehr bedacht und
langsam erzählt, ohne dass sie an Spannung verlieren würde. Die Martial
Arts sind präzise und perfekt choreografiert und zusätzlich lässt King
Hu philosophische und mystische Hintergründe des Zen-Buddhismus mit
einfliessen. Darüberhinaus bedient er sich offensichtlich an den
beliebten Elementen der chinesische Oper.
Sozusagen eine besonders effektive Mischung aus verschiedenen
Kampfarten, artistischen Einlagen sowie Anleihen beim Ballet und Tanz.
Die Akteure fliegen schwerelos durch die Lüfte und scheinen
übermenschliche Fähigkeiten zu besitzen - nicht nur der sehr markante
Abt des Klosters.
Das Leben des etwas phlegmatischen Portrait-Künstlers Ku Shen Chai (Shih
Chun) läuft in geregelten Bahnen. Der Alltag ist immer gleich in der
verschlafenen Kleinstadt, wo er mit seiner resoluten und ständig
meckerden Mutter (Zhang Bing-yu). Zusammen wohnen die beiden etwas ausserhalb in
einer verlassenen Anlage, in der gelegentlich Geistererscheinungen
beobachtet wurden. Zumindest erzählen es die Leute im Dorf so. Die
Mutter kann die Haltung ihres verträumten Sohnes nicht verstehen. Schon
über 30 Jahre alt - aber noch nicht mal Beamter ist er geworden mit
seinen Fähigkeiten und seiner Intelligenz. Sie hält ihn für einen
träumerischen Versager. Als der Fremde Ouyang Nin (Tien Peng) auftaucht, wird es aber bald mit der Ruhe vorbei sein.
Denn der interessiert sich auffällig dafür, wer in den letzten Wochen
und Monaten neu im Dorf zugezogen ist. Und was hat das mit den beiden
neuen Ärzte (Pai Ying und Xue Han) zu tun, die er irgendwie zu beoachten
scheint. Auch die Mutter ist komisch. Denn sie hat der bettelarmen und
mittellosen Yang Hui-Chin (Hsu Feng) angeboten in der Anlage wohnen zu
können. Mutter denkt dabei schon an eine bevorstehende Hochzeit ihres
Sohnemannes mit der schönen Fremden. Aber die ist eine Prinzessin, die
vor den Feinden (der mächige Geheimdienstchef Obereunuch Wei) geflohen
ist, nachdem ihr Vater beim Kaiser denunziert und ermordet wurde. Der
Bücherwurm verliebt sich natürlich in das Mädchen, das gut mit dem
Schwert umgehen kann und ersinnt einen Plan, wie man die Übermacht der
Bösen, die bald im Dorf sind, besiegen kann. Da helfen wohl nur
Geisterfallen..
Nach der schönen ausufernden Einleitung kommt es in der Nacht zum
Kampf und es kommt sogar zu einer Liebesnacht zwischen Ku und Yang. Die
geht allerdings ohne ein Wort der Erklärung fort und sucht im Kloster
Aufnahme. Ein Kind aus der Liason schenkt sie Ku, doch dieser gerät auf
dem langen und beschwerlichen Heimweg in Gefahr. Noch einmal kommt es im
Wald zu grandiosen Kämpfen. Diesmal hat der Abt Hui-Yuan (Roy Chiao)
die Oberhand, doch er wird von dem listenreichen bösartigen General (Han Ying-jie) in einen feigen Hinterhalt gelockt. Dies alles ist in
faszinierenden Bildern zu sehen und am Ende erreicht der Mönch das
Nirwana. Sichtbar als er in einer Lotusstellung verharrt und goldener
Staub aus seinen Wunden strömt. Die wörtlliche Übersetzung von King Hus
Film heißt "Ritterliche Heldin" (Hsia Nu) und tauscht sogar die
Geschlechterrollen. Denn die Frau ist die Kämpferin, ihr Liebhaber
entzieht sich dem Kampfgeschehen und hofft mit List und Klugheit zu
punkten. Nach "Ein Hauch von Zen" drehte King Hu mit "Regen in den
Bergen" eine Art zweiter Teil des Films. 1990 gelang ihm mit "Swordsman"
ein phänomenales Comeback.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
Es war einmal in Amerika
Regie: Sergio Leone
Ein kollektiver Traum...
Sergio
Leones letzter Film "Es war einmal in Amerika" entstand 1984 und gilt
als dritter Teil seiner "Once upon a time..." Reihe, die mit "Spiel mir
das Lied vom Tod" begann und mit "Todesmelodie" fortgesetzt wurde.
Bereits 1972 bereitete der Filmemacher sein ausuferndes Gangster-Epos
vor, dass auf Harry Greys Buch "The Hoods" basiert. Nach aufwändigen
Vorbereitungsarbeiten kam die fast vierstünidge Gangsterfilm 1984 in die
Kinos. In Amerika brachte die Ladd Company den Film heraus - die
kürzten die Saga aber auf 139 Minuten herunter. Was dann auch in der
Kinoauswertung merklich zu Buche schlug. Mit Produktionskosten von 30
Millionen Dollar spielte die Kurzversion nur etwas mehr als 5 Millionen
Dollar in den USA ein und sofort wurde der Film als Flop tituliert. In
Europa wurde "Es war einmal in Amerika" jedoch viel besser aufgenommen
und vor allem in der Langfassung gelang dem Film eine große
Rehabilitation. Er galt bald als eines der großen Filme der 80er Jahre.
Ennio Morricone mit seinem Soundtrack prägt das Gangsterepos
ähnlich markant wie bereits in "Spiel mir das Lied vom Tod". Die
großartige Kameraarbeit von Tonino delli Colli hätte ebenfalls einen
Oscar verdient. Leider wurde der Film bei der Oscar-Vergabe komplett
übergangen, was aber angesichts der verstümmtelten und entstellten
US-Kinofassung heute logisch nachzuvollziehen ist. Die verschachtelte
Erzählweise Leones, der drei ineinander verwobenen Zeitebenen (20er
Jahre, 30er Jahre und 1968) erzählt, macht den Film erst zu dem großen
Meisterwerk seines Genres. "Es war einmal in Amerika" ist sogar auf
Augenhöhe mit "Der Pate".
Es sind vor allem großartige Einzelszenen, die unvergessen bleiben.
Meine Lieblingsszene zeigt die junge Deborah (Jennifer Conelly), die
hübsche Schwester von Fat Moe (Mike Monetti), wie sie im hinteren
Speicher der Eltern ganz für sich alleine das Ballett-Tanzen übt. Der
junge Noodles (Scott Tiler) hat eine Ecke auf der Toilette gefunden, wo
er sie von einem offenen Spalt aus, beobachten kann. Sie weiß das
natürlich und tanzt nur für ihn, sie zieht sich auch aus für ihn. Dann
beschimpft sie ihn. In einer zweiten Szene führt sie ihn in ihr in weiß
getauchtes Heiligtum...dort liest sie ihm aus dem Alten Testament das
Hohelied Salomons so vor, dass er bald begreift: Auch sie empfindet viel
für den ruppigen Jungen mit der kriminellen Energie. "Es war einmal in
Amerika" ist neben der Geschichte von vier Jugendfreunden, die als
Erwachsene zu Gangstern werden, die Geschichte von Max und Noodles und
vor allem auch die Geschichte von Deborah und Noodles. Als es dann zum
Kuß der ersten großen Liebe kommt, wird Noodles von seinem Freund Max
(Rusty Jacobs). Er verlässt Deborah fürs Erste, gibt zu verstehen, dass
er gleich mal wieder kommt, doch die Freundschaft zu seinem Kumpel Max
ist irgendwie stärker. Deborah verliert ihren ersten Freund an Max und
an die kriminellen Machenschaften.
Wie bereits erwähnt spielt "Es war einmal in Amerika" in drei
Zeitsegemnten. Zuerst wird der Zuschauer mit den Ereignissen des Jahres
1932/1933 im jüdischen Viertel der Lower East Side von New York. Es ist
das Ende der Prohibition-Zeit. Dort sterben die Freunde Maximilian "Max"
Berkovic (James Woods), Patrick "Patsy" Goldberg (James Hayden) und
Philip "Cockeye" Stein (William Forsythe) bei einer letzten geplanten
Alkoholschmuggelfahrt. Der vierte im Bunde war Noodles (Robert de Niro),
von dem alle glauben, dass er die Freunde verraten hat. Doch Noodles
wird selbst von einem unbekannten Gegner gejagt, die vorher seine
Freundin Eve (Ariane Borbach) getötet haben und Fat Moe (Tobias Meister)
krankenhausreif geschlagen haben, weil sie Noodles Versteck wissen
wollten. Der hat sich in Chun Laos Chinesischem Theater versteckt und
wird in dieser Nacht noch New York verlassen. Am Bahnhof nimmt er den
nächsten Zug und steigt mit dem "One Way Ticket" ein in Richtung
Buffalo. Erst 35 Jahre später wird er wieder die Heimat besuchen. Denn
er bekam ein Brief von einem unbekannten Absender - es ist der
unbekannte Gegner, der vor 35 Jahren seine Freunde getötet hat. Wieder
ist es Fat Moe, den er zuerst trifft und später wird es ein trauriges
Wiedersehen mit seiner großen Liebe Deborah (Elizabeth McGovern) geben.
Er wird Max frühere Freundin Carol (Tuesday Weld) im Altersheim treffen.
Und die Erinnerungen an die Jugendtage werden wieder wach. Neben Max,
Cockeye (Adrian Curran), Patsy (Brian Bloom) war auch der kleine Dominic
(Noah Moazezi) dabei, doch der ließ bereits früh sein Leben, als der
Gangster Bugsy (James Russo) erschossen wurde. Der hatte eine Gefahr
gesehen, dass die fünf Jungs ihn als Platzhirsch aus dem Revier
verdrängen. Aus Rache tötet Noodles den Konkurrenten und wandert für 10
Jahre hinter Gitter. Am Tag seiner Entlassung wird er von Max vor den
Gefängnistoren abgeholt und alles scheint wie früher. Doch Max hat große
Ambitionen, er will noch dicker ins Geschäft. Dies könnte die
Freundschaft vor die Zerreißprobe stellen...
1923 sind die Freunde Jugendlich, 10 Jahre später sind sie
erwachsen und mit dem riesigen Zeitsprung und mit "Yesterday" von The
Beatles beginnt Noodles Rückkehr - sozusagen aus dem Nichts. Er wird im
Lauf des Film einmal gefragt "Was hast du die ganzen Jahre gemacht ?"
und wird mit "Ich bin früh schlafen gegangen" antworten. Diese
Zwischenzeit bleibt also im Dunkel und es bleiben die Sprünge in die
drei Zeitsekmente, die dem Film zusätzlich eine große epische Kraft
verleihen. Ein bisschen ähneln diese Sprünge den Hintertüren des
Chinesischen Theaters. Während im ersten Komplex das chinesiche Theater
mit Schattenspielen läuft, ist im anderen Teil eine Opiumhölle, die mit
unübersichtlichen Gängen irgendwie an ein Labyrinth erinnern und eine
Verwandtschaft mit der verschachtelten Erzählweise aufweist. Überf allem
schwebt eine ganz große Portion Melancholie und Wehmut - und wenn
"Spiel mir das Lied vom Tod" von den Mythen des Westens handelt, so
bringt Leone, der Kinomagier, dem Zuschauer die Mythen des Gangsterfilms
noch einmal nahe. Im Grunde fast ein bisschen künstlich, eine
Geschichte, die es nur im Kino geben kann. Und tatsächlich riskiert
Leone mit dem Schlußbild des jungen Erwachsenen Noodles, der im
Chinesischen Theater Opium konsumiert und breit in die Kamera grins - so
als wollte er sagen "das ist Kinomagie".
Natürlich ist auch die Begegnung mit der alternden Deborah, ihrem
Sohn und zum Schluß mit dem Staatssekretär Bailey voller Wehmut, aber
auch voller Resignation. Die alten Zeiten kehren nicht wieder, das weiß
auch Noodles und er ist müde geworden. Leones wehmütiger Abgesang
funktioniert in allen Belangen perfekt.
Bewertung: 10 von 10 Punkten. Einge
Abonnieren
Posts (Atom)