Regie: Otto Preminger
Was im Sommer geschah...
Paris, Mitte der 50er Jahre...Dolce Vita und ein pulsierendes Leben in
der französischen Metropole. Die 17jährige Cecile (Jean Seberg) sieht
hinreißend aus und hat jede Menge Verehrer. Sie lebt dort mit ihrem
Vater Raymond (David Niven), ein vermögender Playboy und Lebemann, der
zwar bereits in die Jahre gekommen ist, aber sich auch über seine vielen
Affären und Eroberungen definiert. Diese schwarz-weiß Bilder bekommen
zunehmend einen Hauch von Melancholie. Vater und Tochter scheinen ein
unzertrennliches Gespann zu sein, beide ähnlich darin, dass Leben in
vollen Zügen zu genießen. Immer etwas unstet und getrieben, sämtliche
Aktionen laufen darauf hinaus keine Party auszulassen und den Moment
absolut auszukosten. Sie bestärken sich gegenseitig darin, sagen wie
glücklich sie doch sind - doch der triste Schatten, der die beiden
begleitet ist sichtbar. In einer Bar streiten sich zwei Verehrer von
Cecile. Im Hintergrund singt Juliette Greco den Song "Bonjour Tristesse"
und meint "The street I walk is sadness, My house has no adress - The
letters that I write me begin "Bonjour Tristesse"...während sie auf der
Tanzfläche in den Armen des Partners versinkt, denkt das junge Mädchen
an die unbeschwerte Zeit des Urlaubs zurück. Ein Urlaub, der so schön
und unbeschwert begann und dann in einer Katastrophe und schlußendlich
in Depression endete.
Ab hier wird das Bild in Otto Premingers Meisterwerk "Bonjour Tristesse"
nach dem gleichnamigen Romanwelterfolg von Francoise Sagan farbig. Eine
weiße Villa ist zu sehen, die auf einer Anhöhe liegt. Darunter Klippen
und ein Weg, der zum Strand führt. Gelber Sand, tiefblaues Meer und eine
brennende Sonne, die die junge Elsa Mackenbourg (Mylene Demongeot)
gerade zu spüren bekam. Sie hat einen massiven Sonnenbrand und ihre Haut
schält sich. Elsa ist die neue Flamme von Raymond, der ständig seine
Frauenbekanntschaften wechselt und sein leichtes und sorgloses Leben als
Casanova und Partylöwe in vollen Zügen auslebt. Vom gleichen Schlag ist
auch die Erzählerin Cecile, die ihren Vater sehr liebt und es ihm
nachtut. Müßgigang 24 Stunden am Tag. Alle drei sind hier vor dieser
traumhaften Kulisse und Cecile, der verwöhnte Backfisch mit wenig Sinn
für Verantwortung, ist gerade durch die Prüfung gerasselt. Kein Problem,
denn im Moment hat sie vor allem Augen für den attraktiven
Jurastudenten Philippe (Geoffrey Horne), der aber nicht so viel von
ihren frivolen Ansichten über das Leben hält. Doch auch er fühlt sich zu
dem hübschen Mädchen hingezogen. Obwohl mit Elsa liiert hat der Vater
bald eine Überraschung parat. Die beste Freundin der verstorbenen Mutter
hat er eingeladen. Anne Larsen (Deborah Kerr) ist Ceciles Patentante
und eine bekannte und erfolgreiche Modedesignern. Doch diese hat nicht
damit gerechnet, dass Raymond seine derzeitige Geliebte in der Villa
beherbergt. Als sie dies bei der Ankunft von Cecile erfährt, will sie
wieder wütend und traurig abreisen. Doch sie entscheidet sich spontan
um. Und Raymond scheint zunehmend Gefallen an Anne zu finden, die
bodenständig und verlässlich ist und bürgerliche Werte vermittelt. Dies
gefällt sowohl Vater als auch der Tochter und Anne scheint sich eine
Beziehung mit Raymond vorstellen zu können. Aber für Affären ist Anne
nicht zu haben. Dann geschieht das Unglaubliche: Der Frauenheld hat sich
anscheinend in Anne verliebt und beide planen ihre Heirat. Mit dieser
neuen Situation mischt sich Anne auch vermehrt in Ceciles Belange ein.
Sie will, dass das Mädchen die Urlaubszeit auch fürs Lernen nützt, denn
sie soll die Prüfung im Oktober nachholen. Damit macht sie Cecile zu
ihrer erklärten Feindin. Heimlich schmiedet das Mädchen einen fiesen
Plan die zukünftige Frau des Vaters wieder loszuwerden...
Und damit beginnt das Verhängnis, dass dann so
stark in das Leben der Protagonisten greift, dass sie sich nicht mehr
davon erholen können. Otto Preminger hat mit Filmen wie "Laura",
"Anatomie eines Mordes", "Der Mann mit dem goldenen Arm" oder "Carmen
Jones" große Filmklassiker geschaffen. Auch der etwas in Vergessenheit
geratene Cinemascope Streifen "Bonjour Tristesse" darf zu seinen besten
Meisterwerken gezählt werden. Er hat aus dem Roman von Francoise Sagan
eine düstere Geschichte gemacht, die in der glühenden Sonne spielt. Vor
allem die Vertreter der Nouvelle Vague wie Jacques Rivette, Francois
Truffaut oder Jean-Luc Godard feierten diesen 1958 entstanden Film über
das kalte Ambiente von Oberflächlichkeit, Luxus und Langeweile. Die
Bilder sind edel, opulent und immer wieder großartig fotografiert
(Kamera: Georges Perinal). Otto Premingers Angriff richtet sich gegen
ein selbstverliebtes,sattes und vermögendes Bürgertum.Die Langeweile
wird mit Liebesaffären bekämpft und dennoch sind Einsamkeit und
Sinnlosigkeit allgegenwärtig.Die Folgen dieser Dekadenz sind denn auch
vernichtend. Jean Seberg wurde mit diesem Film bekannt und war kurze
Zeit später in Melvilles "Außer Atem" zu sehen, der sie endgültig zum
Weltstar machte. David Niven passt optimal als Lebemann, der den Frust
verdrängt und Deborah Kerr liefert als Anne eine oscarreife Vorstellung,
die insgesamt 6 Mal für den Oscar als beste Schauspielerin nominiert
wurde. Auch im Jahr 1959 - allerdings nicht für Premingers Film, sondern
in "Der Seemann und die Nonne" von John Huston. Gewonnen hat sie ihn
aber erst 1994 in der Form eines Ehrenoscars für ihr Lebenswerk.
Der
Film wurde bei seinem Erscheinen als jugendgefährdet eingestuft und
wurde von der FSK erst mit 18 Jahren freigegeben. Dies wurde bis heute
nicht verändert.Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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