Regie: Alan Guriaudi
Nah am See, nah am Feuer...
Alan Guriaudis Film "L'inconnu
du lac" (Der Fremde am See) war in Frankreich im letzten Jahr ein
Skandalfilm, die Städte Saint-Cloud und Versailles liessen aus
moralischen Gründen die Kiinoplakate entfernen, da das gemalte Cover
zwei sich küssende Männer an einem Strand zeigt. Immerhin fanden dann
die Kritiker von "Cathiers du Cinema" den Nudistenkrimi so gut, dass sie
ihn noch vor "Spring Break", La vie D´Adele" und "Gravity" zum Film des
Jahres kürte. Das ist vielleicht doch etwas zu hoch gegriffen, aber der
Film hat was und überzeugt mit einer sehr gelungenen Atmosphäre. Viel
trägt dazu bei, dass der Regisseur die Natur als eigentlichen
Hauptdarsteller ausgewählt hat. Dieser See, der von Hügeln und Wäldern
umgeben ist, ist im Sommer ein beliebter Ort für Nudisten. Und dort gibt
es auch einen Bereich, in dem sich vor allem schwule Männer treffen und
am Ufer in der Sonne liegen. Immer sehr aufmerksam, sobald ein neuer
Besucher in dieser Cruising-Area auftaucht, immer mit einem Blick in das
Wäldchen, wer dort gerade rumläuft. Nach dem Schwimmen ein Spaziergang
im Dickicht, wo man im Gebüsch und im Gras nackte Körper wahrnimmt. Ein
Paradies für schnellen Sex unter der sommerlichen Sonne, ein Klima von
Promiskuität. Jeden Tag legt dort Franck (Pierre Deladonchamps) sein
Handtuch auf die weißen Kieselsteine, viele der anderen Männer, die da
sind, kennt er ganz gut. Es kommen aber immer wieder neue Besucher dazu.
Beispielsweise Henri (Patrick D`Assumcao), der immer etwas abseits
liegt und so gar kein richtiges Interesse für die hinter ihm abgehende
Sexaffären zu haben scheint. Langsam freundet sich Franck mit dem etwas
sonderbaren Eigenbrötler an. Doch sein größtes Interesse gilt dem
attraktiven Michel (Christophe Paou), den er mit einem anderen Mann im
Gebüsch beim Sex beobachtet. Es scheint als hätte Michel auch Interesse,
aber dessen heutige Eroberung quittiert die Blicke mit Eifersucht.
Franck bleibt an diesem Tag bis in die Nacht am Strand. Dort beobachtet
er Michel mit dem anderen im See. Er wird dabei Augenzeuge des
Geschehens und erkennt die Gefahr, die Michel mit sich bringt. Doch
andererseits will er auch die Leidenschaft mit dem Fremden ausleben und
spielt damit erheblich mit dem Feuer...
Sehr cool wirkt die Beiläufigkeit mit der der ruhige pornographisch
angehauchte Krimi inszeniert wurde. Er spielt sich ausschliesslich an
diesem sommerlichen Fleck ab, die Szenen werden immer wieder
unterbrochen mit dem Bild des Parkplatzes vor dem See, der Zuschauer
sieht wie ein Auto kommt oder wenn einer nach dem schnellen Vergnügen
wieder dort wegfährt. Dabei ist es Guiraudie sehr gut gelungen das
Geschehen dort lebhaft zu machen, man fühlt sich manchmal mittendrin in
diesem Kosmos des sommerlichen Cruisings. Der Schluß wirkt zuerst sehr
irritierend, aber immer mehr plausibel und man erkennt das Thema "Lust
am Masochismus". "Der Fremde am See" ist trotz der ruhigen, stillen Art
von einer eigentümlichen Spannung. er ist trotz expliziter Szenen von
einer poetischen Grundstimmung.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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