Regie: Matteo Garrone
Das Pentameron...
Wer kennt sie nicht: Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm
(1812), die Märchen von Hans Christian Andersen oder die Sagen und
Märchen von Ludwig Bechstein. Einer der frühesten Märchensammler war
aber der Italiener Giambatista Basile (1575-1832).
Basiles Schwester gab sein Hauptwerk erst nach dessen Tod zwischen 1634
und 1636 heraus, der Titel war "Das Märchen der Märchen". Ab 1674 wurde
diese Sammlung in "Das Pentameron" umbenannt.
Die Handlungen schöpfte Basile aus volkstümlichen und orientalischen
Überlieferungen sowie der griechischen Mythologie. Jacob und Wilhielm
Grimm entdeckten mehr als 150 Jahre später viele Ähnlichkeiten zu den vn
ihnen gesammelten mündlich tradierten Stoffen. Immerhin finden sich bei
Basile die ersten vollständigen Fassungen der uns bekannten
Märchenklassiker wie "Aschenputtel", "Der gestiefelte Kater",
"Schneewittchen" oder "Der Froschkönig". Basiles Erzählweise ist
spielerisch barock geprägt mit vielen Allegorien, Wortspielen, Witz und
auch etwas derbem Humor.
Matteo Garrone, der Regisseur des preisgekrönten Mafia-Episodenfilm
"Gomorrha" (Europäischer Filmpreis 2008 als bester Film des Jahres,
Regie und Drehbuch), hat sich nun an dieser literarischen Vorlage
orientiert und zeigt 3 dieser magischen Geschichten. Vermutlich wird er
die Erwartungshaltung einiger Zuschauer damit enttäsuchen, wenn diese
ein Hollywood gerechtes Disney Märchen erwarten, also merklich
harmonisiert oder geglättet und vielen fiesen Eigenheiten des
europäischen Märchens beraubt. Wer also Blockbuster wie "Hänsel und
Gretel Hexenjäger", "Red Hood Riding", "Maleficent" oder "Snow White and
the Swordsman" als das Non Plus Ultra in Sachen Märchenverfilmungen
ansieht, der wird vermutlich Garrones Film sperrig oder spröde, für ein
Märchen gar zu brutal halten - alle Anderen dürfen sich auf ein echtes
Meisterwerk freuen. "Das Märchen der Märchen" ist ein überwältigender
Film, der mich völlig begeistert hat und der endlich ein Element
beinhaltet, was die US-Produktionen bei aller Perfektion und schönen
Bildern und publikumsgerechten Effekten vergaßen: Die Magie.
Ein tolles Erlebnis für den anspruchsvollen Zuschauer, der sich mit
diesem Film nicht nur ein Märchen genussvoll ansieht, sondern
darüberhinaus tatsächlich in eine andere Zeit katapultiert wird, ganz
nach dem Motto "Es war einmal vor langer Zeit..."
Drei Burgen, drei Königreiche und darum auch drei Geschichten. Die
Geschichte werden nicht der Reihe nach erzählt, sondern Garrone nimmt
immer wieder einen Szenenwechsel in die andere Geschichte vor. Alle drei
Geschichten sind wunderschön, poetisch, etwas traurig und
melancholisch. Die königin von Longtrellis (Salma Hayek) ist
unglücklich, auch die Hofnarren, die ihr Gemahl und König (John C.
Reilly) zur Aufheiterung schauspielern lässt, machen die Frau nicht
fröhlich, denn sie wünscht sich nichts so sehr als ein Kind. Dieses Kind
wird ihr von einem Geisterbeschwörer (Franco Bistoni) versprochen. Der
König muss aber vorher ein Seeungeheuer bezwingen und das Herz des
Monsters muss von einer jungfräulichen Magd gekocht werden, dass dann
von der Königin gegessen werden soll. In dieser Nacht gebären zwei
Frauen ein Kind und beide sehen sehen aus wie Zwillinge. 16 Jahre später
ist der Königssohn Elias (Christian Lees) immer noch unzertrennlich mit
seinem Freund Jonah (Jonah Lees), der Sohn der Magd (Laura Pizzirani).
Doch die Königin möchte die Freundschaft verbieten.
In der 2. Geschichte verliebt sich der König von Strongcliff (Vincent
Cassel), ein Schützenjäger vor dem Herrn, in den Gesang einer holden
Jungfrau - zumindest glaubt er das. Denn er konnte die Schönheit nicht
genau von der Burgspitze erkkennen. Er macht ihr den Hof, ohne zu
wissen, dass Dora (Hayley Carmichael), sein Objekt der Begierde eine
betagte Alte ist, die mit ihrer schwester Imma (Shirley Henderson) einen
gewagten Plan fasst. Dabei will es die Geschichte, dass Dora
sprichwörtlich in einen Art Jungbrunnen (Stacy Martin) fällt. Die 3.
Geschichte ist die vielleicht skurrilste ist. Wohl auch deshalb, weil
der König von Highills (Toby Jones) ein sonderbarer Vogel ist, der einen
Floh großzieht, der immer größer wird und den er heimlich vor der
Öffentlichkeit versteckt. Irgendwann stirbt das ominöse Haustier, genau
zu der Zeit als seine Tochter Prinzessin Violet (Bebe Carver) sich
vermählen möchte. Doch wo ist der Traumprinz ? Der Vater schmiedet einen
Plan, damit er seine Tochter noch länger für sich behalten kann und
veranstaltet ein Turnier, bei dem der Sieger die Tochter zur Frau haben
kann. Die Freier müssen erraten welchem Tier die Haut gehört, die er
ihnen zeigt. Natürlich ist es äusserst unwahrscheinlich, dass jemand die
richtige Antwort "Floh" errät. Doch ein menschenfressender Oger
(Guillaume Dellanay) hat einen guten Geruchsinn...
Am Ende treffen sich die Geschichten in der Schluss-Sequenz, die wie
alles vorher äusserst edel und erlesen ist und stimmungsvoll und
atmosphärisch zu Ende geht. Selten gab es in den letzten Jahren einen
ähnliche guten Historienfilm, auch wenn es sich nicht auf einen realien
Hintergrund bezieht, sondern in den Geschichten schwelgt, die man sich
vor langer zeit erzählte...als jedes Haus noch einen Hausgeist hatte. Es
war einmal. Garrones Film gehört jetzt schon zu den großen Filmen
dieses Jahres.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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