Regie: Alejandro González Iñárritu
Meditation...
Neben seinem ersten Filmerfolg "Amores Perros" aus dem Jahr
2000 ist das 2006 gedrehte Episodendrama "Babel" sicherlich die beste
Arbeit des zweifach oscarpreisgekrönten Regisseurs Alejandro Gonzalez
Inarritu. "Babel" galt auch bei der Oscarwahl 2007 als einer der großen
Favoriten - und man traute dieser faszinierenden Geschichte über
kulturell-gesellschaftliche Verständnisprobleme in der heutigen globalen
Welt durchaus zu der Nachfolger von "L.A. Crash" zu werden, der als
Epsisodenfilme ein Jahr zuvor überraschend in der Oscarnacht als bester
Film des Jahres 2006 triumphierte. Doch leider konnte "Babel" von den
ingesamt 7 Nominierungen (Nebendarstellerinnen: Adriana Barazza, Rinko
Kikuchi, bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch, bester Schnitt)
lediglich den Preis für die beste Filmmusik (Gustavo Santaolalla)
gewinnen. Sehr gerechtfertigt, da gerade der Einsatz der Musik eine
meditative Note beisteuert, dennoch hätte der Film viel mehr gewinnen
müssen.
"Babel" glit als moderne Parabel auf den biblischen Turmbau und
beschäftigt sich mit kulturellen Codes und mit der Schwierigkeiten sich
zu verständigen. Durch die Aufteilung der Story in drei Geschichten aus 3
Kontinenten wird die Völkerverständigung in den Mittelpunkt gerückt,
aber darüberhinaus zeigt Inarritu auch die Unfähigkeit des Menschen den
Anderen in seiner unmittelbaren Gegend zu verstehen. Ein Gefühl, dass
sich im Laufe des 142 Minuten langen Films breit macht: Diese gewisse
Unfähigkeit wirklich miteinander kommunizieren zu können - trotz oder
vielleicht gerade wegen der immer hochentwickelteren Technik. Der Mensch
scheint einer unsichtbaren oder vielleicht auch höheren Macht
ausgeliefert zu sein. Menschen isoliert in ihrer Einsamkeit - das
Verhältnis von Eltern und Kindern, der Kontakt zu den Nachbarn bis hin
zu globalen Dimensionen. Für mich eine perfekte Studie über das
biblische Bild des berühmten Turmbaus.
Denn interessanterweise sind die Schicksale von Menschen aus
Marokko, San Diego, Mexiko und Tokio miteinander verquickt. Und ein
Schuß aus einem Winchester-M 70 Jagdgewehr löst eine Verkettung
tragischer Ereignisse aus. Die beiden minderjährigen Brüder Ahmed (Said
Tarchani) und Yussef (Boubker Ait El Kaid) werden von ihrem Vater
Abdullah (Mustafa Rahidi) beauftragt die Ziegenherde der Familie zu
hüten und vor allem vor den Schakalen zu schützen. Abdullah gibt dabei
den Jungs ein Gewehr mit, dass er einen Tag zuvor von seinem Nachbarn
Hassan (Abdelkader Bara) gekauft hat. Hassan selbst bekam das Gewehr vor
einigen Jahren von dem japanischen Geschäftsmann und Großwildjäger
Yasujiro Wataya (Koji Jakusho) geschenkt. Als die Brüder das Gewehr
ausprobieren und dabei gedankenlos auf einen Reisebus zielen, wird die
Amerikanerin Susan (Kate Blanchett) von einer Kugel getroffen. Susan
befindet sich mit ihrem Mann Richard (Brad Pitt) in der letzten Etappe
einer Urlaubsreise durch Marokko. Die Beziehung der beiden ist
angespannt, weil man den Verlust eines Kindes immer noch nicht
verarbeiten konnte. Während dieses schwerwiegenden Unfalls, bei dem
zuerst von den Behörden in Marokko und in den USA ein terroristischer
Anschlag vermutet wird, passt zuhause in San Diego die zuverlässige
Haushälterin Amelia (Adriana Barraza) auf die beiden anderen Kinder des
Ehepaars auf. Amelia hält sich bereits 16 Jahre illegal in den USA auf
und will zur Hochzeit ihres Sohnes nach Mexiko fahren. Nun verzögert
sich alles, Richard bittet Amelia am Telefon doch weiter auf die Kinder
aufzupassen. Amelias Neffe (Gael Garcia Bernal) hat da die zündende
Idee: Einfach die Schutzbefohlenen mit nach Mexiko zur Hochzeit
mitzunehmen. Ein fataler Fehler, denn die US-Grenzpolizei macht bei der
Wiedereinreise in die USA Schwierigkeiten. Zur gleichen Zeit versucht im
fernen Tokio die taubstumme Chieko (Rinko Kikuchi) den Selbstmord der
Mutter zu verarbeiten. Das Verhältnis mit ihrem Vater Yasujro ist mehr
als angespannt. Das Mädchen ist auf der Suche nach Kontakten. Gemeinsam
mit ihrer Freundin Mitsu (Yuko Murata) versucht sie Jungs kennenzulernen
und stürzt sich ins Nachtleben...
Interessanterweise sind alle Szenen des Films mit der Handkamera gedreht - und dies fällt dem Zuschauer zu keiner Zeit auf. Großartig sind die stimmungsvollen Landschafts- und Großstadtpanoramen von Kameramann Rodrigo Prieto. Das Schauspiel-Ensemble lieferte eine hervorragende Arbeit ab. Besonders hervorzuheben sind die Japanerin Rinko Kikuchi und die Mexikanerin Adriana Barraza, die ja beide auch für den Oscar vorgeschlagen wurden. Der Film beginnt mit diesem Schuß und die Ereignisse enden leider auch dramatisch. Eine der Figuren verliert ihre Existenz, die andere sogar das Leben. Filmtechnisch begeistert die verschachtelte Inszenierung der drei Geschichten, der Zuschauer kann das Mosaik irgendwann zusammenfügen, ohne dass er aber Antworten auf die aufgeworfenen Fragen erhalten wird. Rein oberflächlich gesehen eine filmische Abhandlung über die Schmetterlingstheorie, aber durch die Zerbrechlichkeit der Figuren auch eine gewisse Innenschau.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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