Leben und Sterben in Russland...
"Doktor Schiwago" von David Lean war eines der letzten großen Filmepen von Metro-Goldwyn-Mayer und zählt zu den größten Kinoerfolgen der 60er Jahre. In der inflationsbereinigten Liste der größten Kassenschlager aller Zeiten in den USA steht er nach "Gone with the Wind", "Star Wars", "Sound of Music", "ET", "Titanic", "Die zehn Gebote" und "Jaws auf Platz 8. Auch in Deutschland gingen damals 12,75 Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser und damit dürfte dem Revolutionsepos auch hierzulande ein fantastischer All Time Top 10 Rang gesichert sein. Mehr Zuschauer verzeichneten lediglich "Das Dschungelbuch" (27 Millionen), Titanic (18 Millionen) und "Spiel mir das Lied vom Tod" (13 Millionen). Der beinahe 200 Minuten lange Film beginnt mit der Rahmenhandlung, in der General Jewgraf Schiwago (Alec Guinness) in einer großen Fabrik nach der schon seit langem vermissten Tochter seines Halbbruders Jurij (Omar Sharif) und dessen Geliebten Lara (Julie Christie) sucht. Er glaubt in einer jungen Arbeiterin (Rita Tushingham) die Frau gefunden zu haben und zeigt ihr ein Buch mit Gedichten seines Bruders, doch der Anblick der Fotos darin lösen bei ihr keine Erinnerungen aus. In einer Rückblende erzählt er der Waisen von ihren möglichen Eltern. Diese Geschichte beginnt im Jahr 1903, wo im tiefsten Ural die Beerdigung von Jurijs (Tarek Sharif) Mutter stattfindet. Da er auch keinen Vater mehr hat, wird er von Alexander (Ralph Richardson) und Anna Gromeko (Siobhan McKenna) nach Moskau mitgenommen und dort großgezogen. Er studiert als junger Mann Medizin, schreibt Gedichte und plant Tonia (Geraldine Chaplin), die Tochter der Gromekos, zu heiraten. Während dieser Zeit lernt er zum ersten Mal die 17jährige Larissa Antipowa kennen, die heimlich ein Verhältnis mit Viktor Komarovskij (Rod Steiger) hat, dem Liebhaber ihrer Mutter. Der ältere Mann hat Lara verführt und von sich abhängig gemacht. Als die Mutter deswegen einen Selbstmordversuch unternimmt, wird Schiwago als Assistenzarzt zum Retter. Lara unternimmt einen Versuch den vermögenden Viktor zu erschießen, doch der Versuch misslingt und stattdessen heiratet sie ihren Jugendfreund Pawel Antipow (Tom Courtenay), den sie aus der Schulzeit kennt und der für die Revolution schwärmt. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird Jurij an der Front gebraucht, wo er Lara wiedertrifft, die sich freiwillig als Krankenschwester gemeldet hat, um ihren Mann zu suchen. Während dieser Zeit erkennen die beiden ihre Liebe zueinander, doch ihre Wege trennen sich. Jurij kehrt zu seiner Frau und seinen kleinen Jungen zurück. Nach einem notwendigen Umzug der Familie von Moskau auf ein ländliches Anwesen in Warykino trifft Schiwago in einer Bibliothek der benachbarten Stadt Jurjatino wieder auf seine geliebte Lara. Diesmal sind die beiden nicht so stark, denn sie beginnen ein heimliches Verhältnis miteinander. Eines Tages - auf dem Weg von seiner Geliebten heim zu seiner Familie - wird der Mediziner von einigen Rotgardisten entführt, die einen Feldarzt brauchen. Der russische Bürgerkrieg tobt und die Revolution fordert sehr viele Opfer...
David Lean galt zu seiner Zeit als der erfolgreichste Regisseur überhaupt. Diesen Ruf hat er seinen erfolgreichen Großproduktionen wie "Die Brücke am Kwai", "Lawrence von Arabien" und auch "Doktor Schiwago" zu verdanken. Diese Filme waren wie gemacht für die große Kinoleinwand und erlebten zahlreiche Wiederaufführungen - es war die Zeit als das Blockbusterkino noch nicht geboren war. Bereits die Anfangssequenz der Beerdigung ist grandios gestaltet - David Lean war ein Meister im Zusammenwirken von Bild und Ton. Man sieht in einer Totalen die herrliche imposante Landschaft, ganz klein zu sehen der Trauerzug, die den Sarg zur letzten Ruhestätte tragen. Inmitten der Trauergäste ein kleiner Junge, der Wind wirbelt die Blätter von den Bäumen. Dann setzt die unvergessliche Musik von Maurice Jarre ein - ein ganz großer Kinomoment. Und solche gibt es im Verlauf der 197 Minuten reichlich. Kein Wunder, dass bei der Oscarverleihung das herrliche Szenebild (John Box, Terence Marsh, Dario Simoni), die beste Kamera (Freddie Young) , die besten Kostüme (Phillys Dalton) und auch die Musik (Maurice Jarre) ausgezeichnet wurden. Sie tragen in extremer Weise für die edle Gestaltung des Monumentalfilms bei. Darüberhinaus gabs auch eine Trophäe für Robert Bolt, der den vielschichtigen Roman von Boris Pasternak für die Leinwand bearbeitete. Dabei legt er den Schwerpunkt auf die Liebesgeschichte, die sich vor dem Hintergrund größter gesellschaftlicher Umwälzungen abspielt. Omar Sharif wurde mit dieser Rolle weltbekannt, auch Julie Christie wurde zum Big Star. Sie gewann im selben Jahr den Oscar als beste Darstellerin - allerdings nicht für ihre unvergessene Rolle als Lara, sondern als Model Diana Scott in Schlesingers "Darling". "Doktor Schiwago" ist und bleibt einer dieser ganz großen, über allen Zweifeln erhabenen Film-Klassiker aus einer längst vergangenen Zeit und ein Triumph seines Machers David Lean, dessen große Zeit mit diesem Film auch zu Ende ging. Auch wenn er mit "Ryans Tochter" im Jahr 1970 und "Reise nach Indien" aus dem Jahr 1984 noch einmal Erinnerungen an das monumentale Kino weckte.
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