Sonntag, 29. Oktober 2017

Night on Earth







































Regie: Jim Jarmush

Im Taxi...

Jim Jarmusch ist einer der bekanntesten Independentfilmer der USA. Sein Hauptthema ist das Aufeinandertreffen unterschiedlichster Menschen, meistens mit verschiedenen kulturellen Wurzeln. Bekannt wurde er durch "Permanent Vacation" aus dem Jahr 1980, es folgten die Kultfilme "Stranger than paradise" und "Down by law". Beide Filme wurden im atmosphärischen schwarz-weiß gedreht, mit "Mystery Train" wagte er sich an den Farbfilm heran. Dabei wählt er meistens aussergewöhnliche Konstellationen aus. So verirrt sich eine Ungarin im winterlichen Cleveland (Stranger than paradise), italienische Knackis flüchten in die Sümpfe von Louisiana (Down by law) oder japanische Elvis Fans besuchen Memphis (Mystery Train). Der 1991 gedrehte Episodenfilm bietet gleich fünf solcher interessanter Begegnungen, alle finden im Taxi statt und für den Soundtrack hat Jim Jarmush einmal mehr den unvergleichlichen Tom Waits engagiert, der die treffende Atmosphäre in sämtlichen Episoden auffängt und die besondere Stimmung von "Night on Earth" noch zusätzlich perfektioniert. Im Grunde ist "Night on Earth" trotz seiner Melancholie ein leichter Film, fast schon eine Fingerübung. Und vielleicht gerade deswegen ein Highlight des 90er Jahre Filmjahrzehnts. "Night on Earth" - Nacht auf Erden mit fünf Geschichten aus den fünf Städten Los Angeles, New York, Paris, Rom und Helsinki. Alle spielen zur selben Zeit - denn wenn es in Los Angeles (1. Episode) 19 Uhr 07 ist, dann ist es in Helsinki (letzte Geschichte) 5 Uhr 07 am frühen Morgen.
Es dämmert also in der 1. Geschichte, die auf dem Flughafen Terminal von Los Angeles beginnt. Eine Castingagentin (Gena Rowlands) ist auf dem Weg nach Hause, sie hat bereits einige junge Talente ins Auge gefasst, die im neuen Film eine Hauptrolle spielen könnten. Sie steigt ins Taxi der jungen coolen Corky (Winona Ryder) - ein Mädchen, dass weiß was sie will und durchs Kettenrauchen auffällt. Corky hat Freude am Taxifahren und will Mechanikerin werden. Ein Blick im Fahrzeugspiegel und die Agentin ist sich sicher, dass genau dieses Mädchen mit dem Schlabberlock eine Karriere machen könnte.
In New York ist es zu diesem Zeitpunkt bereits 22 Uhr 07, der dunkelhäutige Yoyo (Giancarlo Esposito) ist in Manhattan auf der Suche nach einem Taxi. Doch alle scheinen den Mann in der Dunkelheit zu ignorieren, die vielen gelben Taxis fahren an ihm vorbei. Endlich hält ein Taxi, der Fahrer ist der Ostdeutsche Helmut Krokenberger (Armin Mueller-Stahl) und dessen Fahrkünste sind katastrophal. So überlässt er dem versierteren Gast das Steuer und Helmut erzählt, dass er in der DDR Clown war. Um dies zu untermauern spielt er eine kleine melancholische Einlage auf der Flöte. Auf dem Weg nach Brooklyn steigt auch noch eine Angela (Rosie Perez) mit frechem Mundwerk ein.
Währenddessen ist es 4 Uhr 07 in Paris. Zwei dunkelhäutige Fahrgäste (Pascal Nzonsi, Emile Abosolo M´bo) machen sich über den ebenfalls dunkelhäutigen Fahrer (Issach de Bankole) lustig, der setzt die lästigen Gäste kurzerhand an die Luft und nimmt stattdessen eine blinde Frau (Beatrice Dalle) als Fahrgast mit. Die scheint immer selbstbewusster und errät sogar die Herkunft (Elfenbeinküste) des Fahrers. Was den Taxifahrer überrascht.
Gleiche Zeit in Rom. Der geschätzige Taxifahrer (Roberto Benigni) auf der Suche nach einem Fahrgast. Er fährt durch die Straßen und entdeckt dann tatsächlich einen Priester (Paolo Bonacelli) der ein Taxi braucht. Als Vollblutitaliener nimmt der Taxifahrer dann auch kein Blatt vor den Mund und drängt dem Geistlichen eine Beichte auf. Jugendsünden mit einem Schaf, die hemmungslose Liason mit seiner Schwägerin...all das ist zuviel für den Gottesmann, der es zudem auf dem Herzen hat. Er wird die Fahrt nicht überleben.
Noch trauriger ist natürlich Helsinki um 5 Uhr 07 in der Früh. Der Taxifahrer Mika (Matti Pellonpää) nimmt drei betrunkene Männer (Kari Väänänen, Sakari Kusmanen, Tomi Salmela) mit, die ein Taxi bestellt haben. Einer davon ist so betrunken, dass er nicht mehr ansprechbar ist. Die beiden Anderen erzählen von dem Schicksal ihres Kumpels, der am heutigen Tag seinen Job verloren hat. Der Pechvogel hatte den schwärzesten Tag seines Lebens, denn auch seine Frau hat ihn verlassen. Doch Mika setzt in Sachen Traurigkeit noch einen drauf. Erschütterung am frühen Morgen in der finnischen Hauptstadt...






Trotz Melancholie und Tristesse - die Geschichten sind locker und haben viel Lokalkolorit zu bieten. Dabei hat sich Jim Jarmusch in einigen Episoden an den Stil anderer Indepedent-Filmer herangewagt. In Los Angeles mit Gena Rowlands denkt man an John Cassavettes. Spätestens durch das äusserst lockere Mundwerk von Rosie Perez tauchen Gemeinsamkeiten mit Spike Lee auf und Helsinki um 5 Uhr Morgens ist eindeutig Aki Kaurismäki. Die fünf Episoden sind jeweils in Landessprache gedreht und dauern etwa 25 Minuten. Alle Episoden sind gut gelungen und es ist schwierig einen Favoriten auszumachen. Ein bisschen tendiere zu Paris, aber Helsinki ist auch großartig. In alle Episoden hat Jim Jarmusch Wert darauf gelegt, dass nicht nur das Kennenlernen zwischen Taxifahrer und Gästen interessant bleibt - er schafft Atmosphäre, weil die Kamera von Frederic Elmes grandiose Bilder von nächtlichen Metropolen einfängt und sie detailreich dem Zuschauer präsentiert. Dazu die Tristesse der Tom Waits Songs...ein Stück Großstadt in der Nacht wird in "Night on Earth" ganz unkompliziert und fast schon beiläufig eingefangen. Menschen begegnen sich kurz und dann trennen sie sich gleich wieder. Die Gespräche wie immer bei Jarmusch lakonisch und nüchtern.






Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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