Regie: Volker Schlöndorff
Protest und Verweigerung...
Oscar Matzerath (David Bennent) wird im Jahr 1924 in Danzig geboren. Seine Mutter Agnes (Angela Winkler) wurde auf dem Kartoffelfeld gezeugt, weil ein gesuchter Brandstifter (Roland Teubner) sich erfolgreich vor der Polizei unter den vier Röcken der kaschubischen Bäuerin Anna (Tina Engel) verstecken konnte. Als alte Frau (Berta Drews) wird sie am Schluß des Films sagen, dass die Kaschuben immer den Kopf hinhalten müssen, damit andere draufhauen können, nur halb Polen, nur halb Deutsche - eben nichts Richtiges seien sie, die Kaschuben. Schon als kleines Kind ist der kleine Oscar von der Welt der Erwachsenen äusserst irritiert. Es ist auch nicht mal klar, ob jetzt Jan Bronski (Daniel Olbyrchski), der polnische Cousin der Mutter, oder der einfältige Kolonialwarenhändler Alfred Matzerath (Mario Adorf) der Vater von Oscar ist. Schon bei der Geburt schrie Oscar wie am Spieß und wollte eigentlich lieber wieder zurück in die Wärme des Bauches seiner Mutter, doch das war nicht mehr möglich. Die Mutter verspricht ihm, dass er an seinem 3. Geburtstag eine Blechtrommel erhalten soll - die Aussicht auf dieses Geschenk versöhnt ihn etwas mit der verstörenden Welt, in die er da hineingeboren wurde. Doch er beschliesst an diesem 3. Geburtstag - nachdem er die Blechtrommel geschenkt bekam - sein Wachstum einzustellen. Dies gelingt ihm mit einem Sturz auf der Kellertreppe in die Tiefe. Sein Protest gegen die Welt der Erwachsenen war somit erfolgreich. Fortan artikuliert er eine starke Protesthaltung mit dieser blechernen Kindertrommel, wenn die alte kaputt ist, dann kriegt er im Laden des jüdischen Spielwarenhändlers Sigismund Markus (Charles Aznavour) eine Neue. Wenn man ihm die Trommel wegnehmen will, dann kann sich Oscar durch ganz schrille Schreie wehren, die Glas zersplittern lassen.
Bei einem Zirkusbesuch im Jahr 1936 freundet sich der zwölf Jahre alte und noch immer 94 Zentimeter große Oskar mit dem 53jährigen Liliputaner Bebra (Fritz Hakl) an. Dieser will Oskar für seine Truppe gewinnen, doch Oskar zieht es vor, in Danzig zu bleiben.
Mit dem Siegeszug des Dritten Reiches wird auch
Danzig zum Pulverfass und es weht in der Stadt der Geruch der
Vernichtung. Oscar trifft auf die Korridor-Nazis und ihren Führer
Loebsack (Ernst Jacobi), der sich auf den Aufmarsch seiner
Parteigenossen freut, zu denen auch irgendwann Oscars mutmaßlicher Vater
Alfred gehört. Mit Hilfe seiner geliebten Trommel verwandelt den
Parteiaufmarsch aber zu einer harmonischen Tanzveranstaltung, es wird
nicht der letzte Protest sein, den der kleinwüchsige Protagonist mit der
Trommel und den Schreien formuliert. Er wird älter und immer mehr zum
Aussenseiter. Am Ende - an der Beerdigung von Alfred - entscheidet sich
Oscar wieder zu wachsen...
Der Roman "Die Blechtrommel" von Günter
Grass wurde im Jahr 1959 veröffentlicht und sehr viele Regisseure
wollten die Geschichte fürs Kino verfilmen. Doch erst Volker Schlöndorff
bekam vom Autor den Zuschlag. Es war vielleicht die Begeisterung die
Grass für den Schlöndorff Film "Der junge Törless" empfand, er
bewunderte dessen Adaption des Musil Romans. Daher arbeitete der Autor
auch am Drehbuch mit. Es ist aber vor allem auch die verstörende
Bildsprache, angelegt zwischen Realismus und Surrealismus, dem der Film
seinen großen Erfolg verdankt. Drehbuchautor Jean-Claude Carriere
verfasste vor dieser Arbeit zahlreiche Skripts für den großen Bunuel.
"Belle de Jour", "Die Milchstraße", "Der diskrete Charme der
Bourgeiousie", "Das Gespenst der Freiheit" oder "Dieses obskure Objekt
der Begierde" gehen auf sein Konto.
Immer wieder schockt ode
verwirrt der Film: Der Liliputaner Zirkus im Nachtleben von Paris, ein
abgeschnittener Pferdekopf, aus dem Aale hervorquellen, eine
Nazi-Kundgebung, die mit einem Walzer (An der schönen blauen Donau)
endet, der Sex mit dem Hausmädchen (Katharina Thalbach), die später den
Witwer Alfred heiratet und ein Kind bekommt, dass auch von Oscar sein
könnte.
Schlöndorffs Blick auf das kleinbürgerliche Milieu
fällt sehr kritisch aus, er entlarvt diese Umgebung als extrem
fruchtbarer Nährboden für die NS-Diktatur. "Die Blechtrommel" wurde ein
riesiger internationaler Erfolg und endlich konnte der deutsche Film
auch bei der begehrten Oscar-Vergabe triumphieren. Schlöndorffs Film
über Protest und Verweigerung wurde mit dem Oscar als bester
ausländischer Film ausgezeichnet. Aus heutiger Sicht ist "Die
Blechtommel" immer noch ein Meisterwerk des Erzählkinos, ein
reichhaltiger Bilderbogen der jüngsten deutschen Geschichte, voll mit
schwarzem Humor, Groteske und Perversion. Die pessimistische
Familiensaga wird erst im letzten Moment von einem kleinen
Hoffnungschimmer durchbrochen. Allerdings sind die Bezüge zum Heute und
Hier schwer zu finden. Die Geschichte wirkt merkwürdig zeitfern und als
Zuschauer habe ich das Gefühl, dass ich eine längst vergangene Welt und
Zeit besucht habe. Der Zug, der am Ende zu neuen Ufern aufbricht, führt
irgendwie wieder ans Licht aus einem seltsamen Traum.
Bewertung: 9 von 10 Punkten
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