Die Rebellion des Arthur Seaton...
In der Top 100 Liste des British Film Institute über die besten britischen Filme aller Zeiten belegt Karel Reizs "Samstag Nacht bis Sonntag Morgen" einen hervorragenden 14. Platz und damit auch der angesehendste Vertreter des aus dem "Free Cinema" hervorgegangenenn British New Wave, das Mitte der 50er Jahre ihren Anfang nahm und durch stark dokumentarische Machart auffliel. Diese Filme zeigten die Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse in realistischen, ungeschönten Bildern und sind in vielerlei Hinsicht mit der französischen Nouvelle Vague verwandt. Neben "Samstag Nacht bis Sonntag Morgen" entstanden weitere Meisterwerke der gleichen Sparte: Lindsay Andersons" Lockender Lorbeer", John Schlesingers "Darling", Richard Lesters "Der gewisse Kniff", Tony Richardsons "Die Einsamkeit des Langstreckenläufers" und "Blick zurück im Zorn", Jack Cardiffs "Söhne und Liebhaber", Jack Claytons "Der Weg nach oben" oder Bryan Forbes "Das indiskrete Zimmer" - allesamt Topfilme und die meisten davon sucht man vergeblich als deutschsprachige DVD-Ausgabe. In Karel Reiszs Meisterwerk lernt der Zuschauer den jungen, rebellischen und vor allem unangepassten Arthur Seaton (Albert Finney) kennen. Er verdient seine Brötchen als Maschinist in einer Fabrik Nottingham. Er will einfach das Leben genießen und will auf keinen Fall so werden wie seine braven Eltern, die in ihrer Freizeit nur noch vor dem Fernseher hocken und sich zufrieden berieseln lassen. Der junge Mann verjubelt seine Löhne mit seinem besten Kumpel Bert (Norman Rossington) hautpsächlich an den Wochenenden in den Bars und Kneipen. Sein Motto: Viel Trinken, ne Menge Frauen und eine gute Zei habent. Heimlich hat er eine Affäre mit Brenda (Rachel Roberts), der Frau seines älteren Arbeitskollegen Jack (Bryan Pringle). Er beginnt auch eine Beziehung mit Doreen (Shirley Ann Field), die etwa im gleichen Alter ist. Als Brenda schwanger wird, sucht Arthur erstmal Rat bei seiner Tante Ada (Hylda Baker), die schon Erfahrungen mit den verbotenen Abtreibungen hat. Die neugierige Nachbarin Mrs. Bull (Edna Morris) ahnt, dass "der Halbstarke" ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hat...
"Samstag Nacht bis Sonntag Morgen" ist trotz seines Alters von mittlerweile 55 Jahren aufgrund der universellen Thematik immer noch sehr aktuell. Dabei steht das Wochenende des jungen Arbeiters als Sinnbild für zwei Lebensphasen. Das stürmerisch-drängerische, freie und ungebundene, provokative Leben mit einer gewissen Genußsucht wird in der langen Samstagnacht ausgelebt. Der Sonntag steht für langes Ausschlafen und Ruhe. Unter der Woche herrscht Tristesse. Das Leben junger englischer Arbeiter lässt sich zweiteilen: die trübe, monotone Zeit in der Fabrik und das eigentliche, wilde Leben am Wochenende, das dann aber im zweiten Teil in eine Ruhe und Geborgenheit einmündet. Arthur steht da irgendwie auf einem Scheideweg. Möglich, dass das Leben durch die Bindung an Doreen einerseits Verzicht auf Freiheit bedeutet, andererseits aber auch eine zuverlässige Komponente im Leben bedeutet, nicht zuletzt auch ein Zuwachs an Verantwortung und Sicherheit. Durch die Außendreharbeiten in Nottingham selbst, in dieser Arbeiterwohngegend und den Hinterhöfen erreicht der Film eine große Authentizität. Die großartigen Darsteller Albert Finney, Rachel Roberts und Shirley Ann Fields verstärken den guten Eindruck. Im Jahr seiner Entstehung war der Film sogar überaus erfolgreich an der Kinokasse und erhielt zahlreiche Auszeichnung, darunter den BAFTA Award als bester Britischer Film 1961.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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