Mittwoch, 1. November 2017

Orfeu Negro







































Regie: Marcel Camus

Der Tod beim Karnveal...


Aus heutiger Sicht ist die 1959 entstandene brasilianisch-französisch-italienische Coproduktion "Orfeu Negro" vor allem ein extrem temperamentvoller, schillernden und farbischer Rausch für die Sinne. In seiner Entstehungszeit war er viel mehr - ein Wagnis für die Produzenten und auch für den Regisseur Marcel Camus, denn der Film sollte mit der portugisieschen Originalsprache und ausschließlich dunkelhäutigen Darstellern ein Kinohit werden. Damit ging man genau wie Otto Preminger mit "Carmen Jones" das Risiko ein, die bekannte Oper "Carmen" in das Milieu der Afroamerikaner zu verlegen: Während des 2. Weltkrieges arbeiten dunkelhäutige Frauen in einer Fallschirmfabrik, eine davon ist "Carmen Jones", gespielt von der leider viel zu früh verstorbenen Dorothy Dandrigde. Auch "Orfeu Negro" hat ein berühmtes Vorbild - den antiken Mythos von Orpheus und Eurydike, basierend auf dem Drama "Orfeu da Conceicao" von Vinicius de Moraes. Ein Drama, dass drei Jahre vorher entstand. Schon vor Marcel Camus haben europäische Autoren die antike Geschichte in die Gegenwart verlegt, so zum Beispiel Jean Cocteau, dem mit seinem symbolbeladenen Film "Orphee" ebenfalls ein Welterfolg gelang. Revolutionär war aber, dass Camus genau wie Preminger auf die Wirkung von dunkelhäutigen Darstellern setzte. Die Rechnung ging auf...der Film bekam den Oscar als bester fremdsprachiger Film und wurde ein großer Kinohit. Darüberhinaus war er ein Wegbereiter für das noch in der Zukunft liegende Black Cinema.
Die Hauptrollen wurde mit der US-Schauspielerin Marpessa Dawn und dem brasilianischen Fußballer Breno Mello besetzt. Alle anderen Darsteller waren Laien, die aber großartig agierten und tanzend im Bossa-Nova Rhythmus begeisterten.
Alles fängt am Vortag des Karnevals an. Mit einem Fährschiff kommt die junge Euridice (Marpessa Dawn), ein Mädchen vom Land, in die Großstadt Rio. Sie hat ihr Dorf verlassen, weil sie sich von einem geheimnisvollen Mann verfolgt glaubt. Sie hat das Gefühl, dass er sie töten will. Dies sagt sie auch einem blinden Fahrgast, der sie etwas tröstet. Auf den Straßen der Stadt ist jetzt schon Ausnahmezustand - alle Menschen tanzen sich auf das große Ereignis ein. Sie wirkt verloren und ist auf der Suche nach ihrer Serafina (Lea Garcia), die in Babilonia wohnt, einer Favela oben auf dem Morro. Auch dort herrscht schon extremes Treiben, selbst die Kleinen wie Benedito (Jorge Dos Santos) und Zeca (Aurino Casiano) sind aus dem Häuschen, sie tanzen und lassen einen Drachen steigen. Alles in dieser großartigen Aussicht auf die Stadt. Serafina erwartet ihren Lover Chico (Waldemar de Souza), ein Matrose und hat die Ankunft ihrer Cousine fast vergessen. Die hat inzwischen einen Bus genommen. Dort lernt sie den Straßenbahnführer Orfeu (Breno Mello) kennen, der auf der Linie 49 seinen Dienst verrichtet. Nachdem der attraktive Mann mit ihr ein bisschen geflirtet hat, bekommt sie an der Endstation von Hermes (Alexandro Constantino) , dem Verwalter der Straßenbahn weitere Hilfe bei der Suche. Orfeu ist mit der feurigen Mira (Lourdes de Oliveira) verlobt, sie drängt ihn gleich nach Arbeitsschluß zum Standesamt zu gehen, um das Aufgebot zu bestellen. Als Orfeu seinen Namen nennt, macht der Standesbeamte einen Witz und meint zu Mira "dann heißen sie sicherlich Eurydice", was die extrem eifersüchtige Schönheit gleich erzürnt. Dann kaufen die Verlobten den Verlobungsring und Orfeu löst seine geliebte Gitarre beim Pfandleiher aus, denn er ist schließlich der Sänger und Gitarrenspieler, der "die Sonne aufgehen lässt". Dann beginnt auch schon der Karneval, Orfeu trifft Eurydice zum zweiten Mal und beide verlieben sich unsterblich ineinander. Doch dann taucht ein als Tod kostümierter Mann (Adhemar da Silva) auf...



Und so nimmt das Schicksal tragisch seinen Lauf. "Orfeu Negro" ist nicht nur seine grandios eingesetzte Brazil-Musik (Samba und Bossa Nova) einzigartig, auch die Kameraarbeit von Jean Bougoin ist Weltklasse. Der Cinematograph war auf der Höhe seiner Karriere..ein Jahr vor "Orfeu Negro" war er bereits für Jacques Tatis "Mon Oncle" tätig und entwickelte gemeinsam mit dem Regisseur eine eigene Farbdramaturgie. Das moderne Stadtviertel in "Mon Oncle" wurde in schrillen Farben präsentiert, das Viertel des Helden Monsieur Hulot dagegen in warmen und erdigen Farbkompositionen. Resultat: Der Oscar für den besten Auslandsfilm und ein Jahr danach klappte es bekanntlich wieder. Auch "Orfeu Negro" wurde prämiert und wieder war Bourgoin der Chef der Kamera.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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