Samstag, 18. November 2017

Nosferatu - Phantom der Nacht







































Regie: Werner Herzog

Vom Sterben und der Unsterblichkeit...


Meistens scheitern Remakes von großen, ja überlebensgroßen Filmen auf ganzer Linie. Und im Grunde war es ja auch ein Heranwagen an die heilige Kuh als Werner Herzog sich Ende der 70er Jahre dazu entschied eine Neuauflage des großartigen Murnau Klassikers "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" aus dem Jahr 1922 zu drehen. Doch die Zeit war günstig. Gegen Ende der 70er Jahre hatte der neue Deutsche Film einen seiner größten Höhepunkte zu verzeichnen - grandiose Filme wie "Die Ehe der Maria Braun" oder "Die Blechtommel" sahnten auch international ab und gaben den deutschen Film einen neuen exzellenten Weltruf. Auch Herzogs gothische Horrorpoesie "Nosferatu" darf hier dazu gezählt werden und dieses Trio komplettieren, diese Trias war zu ihrer Zeit das große ultimative Aushängeschild des deutschen Films. Natürlich ist Murnaus Film unerreicht, das wußte Werner Herzog auch. Er hat es allerdings meiner Meinung nach sehr geschickt vermieden eine farbige Kopie des Klassikers zu fabrizieren, auch wenn weite Teile seiner Version als Hommage erkennbar sind. Es sind ähnlich pessimistische Bilder zu verzeichnen - doch Herzogs düstere Bilde rüber Pest, Fäulnis und dem allgegenwärtigen Sterben rufen sogar ein bisschen Apokalypse hervor. Sein Szenario wirkt am Ende verstörend, atmosphärisch, unglaublich schön und ebenso grauenerregend.
An der Geschichte wurde nicht viel verändert: Sie spielt in Wismar des 19. Jahrhunderts. Dort lebt der junge aufstrebende Häusermakler Jonathan Harker (Bruno Ganz) mit seiner sehr sensiblen, beinahe zerbrechlichen Gattin Lucy (Isabelle Adjani), die ihm das Teuerste auf der Welt ist. Daher verlässt er sie nur sehr ungern und bricht eine Reise nach Transilvanien an, mit der ihn sein Vorgesetzter Renfield (Roland Topor) beauftragt. Der Ritt mit dem Pferd soll 4 Wochen dauern, im Osten Europas wartet dann in einem Schloß ein gewisser Graf Dracula (Klaus Kinski), der vorhat in Wismar ein Haus zu kaufen. Die Reise soll sich auch für Harker lukrativ lohnen, er könnte seiner Lucy ein viel größeres Haus kaufen. So macht er sich auf den beschwerlichen Weg. Am Borgo Pass angekommen, warnen ihn die Zigeuner vor der Weiterreise in die sogenannte Schattenwelt, in die Welt des Untoten - des Nosferatu. Doch Harker nimmt die Warnung nicht ernst. Zu Fuß erreicht er das verfallene Schloß, wird Gast des Grafen, der sich als als gequälte Seele zu erkennen gibt. Nichtsdestotrotz wird Harker in den Nächten vom depressiven Blutsauger immer wieder in den Hals gebissen. Der Graf schließt den Häuservertrag ab und eines Nachts sieht Harker, dass der Vampir mit einigen Särgen das Schloß verlässt. Er merkt, dass nun seine Lucy, vielleicht sogar ganz Wismar in großer Gefahr steckt. Er muss ein Weg aus dem Schloß finden, aber der Graf reist auf dem Seeweg und der dürfte nicht ganz so lange dauern. Harker kommt einige Zeit sehr verändert in Wismar an, er erkennt nicht mal seine geliebte Lucy. Auch Graf Dracula ist bereits vor Ort, in seinem Gepäck eine Riesenanzahl von Ratten, die die Pest und somit den Tod in die Stadt bringen...



 Zwar ist Max Schreck viel erschreckender anzusehen als Klaus Kinski. Aber Kinskis Interpretation war so gut, dass er auch - völlig zu Recht - den deutschen Filmpreis zuerkannt bekam. Er ist dabei weniger der böse Killer, sondern ein Wesen, dass nur seinen Instinkten folgt und unsagbar einsam einer verlorenen Welt und einer verlorenen Liebe hinterhertrauert. Keine würde ihn - den Jäger - verstehen, nur die heulenden Wölfe, diese Kinder der Nacht, wie der traurige Vampir sie liebevoll nennt.
So ist die Gestaltung der Dracula Rolle in Herzogs Film ziemlich einzigartig - denn hier bemitleidet der Zuschauer ein Wesen, dass von Einsamkeit und Isolation geplagt ist und unter der Bürde dieser Unsterblichkeit extrem leidet. Dieses Leid deutet sich schon im Vorspann des Films an, wo Herzogs großartiger Kameramann Jörg Schmidt-Reitwein das Geschehen auf die Nahaufnahmen von verfallenen Gesichtern mumifizierter Leichen legt - einige davon haben vor Angst den Mund weit aufgerissen, bei den anderen zieren Reste von einer Haarpracht das wächserne Fleisch. Es sieht alles nach Entmenschlichung aus, die Zeit löscht alles unerbittlich aus. Das Überleben aber ist genauso Alptraum, ein Kreis, aus dem es kein Entkommen gibt. Die wunderschönen, morbiden Bilder sind schaurig untermalt von Wagners "Rheingold", ergänzt werden diese klassischen Themen durch die Gruppe Popol Vuh, die die gotische Machart von Herzogs zweitbestem Film nach "Aguirre" zusätzlich unterstreicht. Die Ankunft des Grafen in der Hansestadt wird zum Symbol für den großflächigen Tod einer Gesellschaft. Der Totentanz dauert bis zum Hahnenschrei und besiegt das Böse durch ein Opfer. Doch genauso wie in meinem Lieblingsfilm, Polanskis Tanz der Vampire, ist das Böse schon wieder geboren und verbreitet sich nun weiter in die Welt. Ein sehr starker und sinnicher Film mit betörenden Bildern des Untergangs, der sich täglich vollzieht.




Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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