Die tiefsten Abgründe im politischen System...
Der amtierende Staatspräsident Jary (Gabriel Cattand) hat die Wahl gewonnen und steht unmittelbar vor seiner zweiten Amtsperiode, die gebührend gefeiert werden soll. Eine riesige Menschenmenge hat sich vor dem Regierungspalast versammelt, um dem Wiedergewählten zuzujubeln, der jeden Moment mit seinem Tross in einer offenen Limousine der Menge immer näher kommt. Begeisterte Zuschauer stürzen auf den Wagen, wollen ihren beliebten Präsidenten feiern, doch dann fallen plötzlich Schüsse. Der Präsident ist getroffen, was eine sofortige Massenpanik auslöst. Einer der Zuschauer will einen Schützen auf dem Dach des Hochhauses entdeckt haben.
Tatsächlich wollte der Einzelgänger Karl Eric Daslow (Didier Sauvegrain) das Attentat ausführen, aber er musste feststellen, dass er betrogen wurde und nur als Strohmann fungieren sollte. Er wird auf seiner Flucht von einem unbekannten Mann hingerichtet, aber es sieht eindeutig danach aus, dass der Psychopath Daslow sich selbst nach der Ausführung des Attentats suizidiert hat, um der Festnahme zu entgehen.
So jedenfalls sieht es ein Jahr später die extra ins Leben gerufene Heiniger Kommission unter der Leitung von Frederic Heiniger (Michel Etcheverry), seines Zeichens Justizminister in diesen fiktven westlichen Staat.
Diese Untersuchungskommission bestand aus 6 Leuten, einer davon ist der Staatsanwalt Henri Volney (Ives Montand), der als einziger Zweifel an den Schlussfolgerungen des Reports anmeldet und somit laut Reglement den Fall Jary neu aufrollen muss.
Dabei wird bei der Sichtung von privaten Filmaufnahmen, die er zugeschickt bekommt, dass ein Amateurfilmer wahrscheinlich sehr aufschlussreiches Filmmaterial anzubieten hat. Dies kostet Geld, aber auch die Erkenntniss, dass die neun Zeugen auf den Aufnahmen alle - bis auf einen - aufgrund tragischer Unfälle bereits verstorben sind.
Die allen gefällige Theorie des geistesgestörten Einzeltäters kommt damit ins Wanken, es wird Zeit sich damit auseinanderzusetzen, dass der Präsident einer Verschwörung zum Opfer fiel...
Henri Verneuils "I wie Ikarus" aus dem Jahr 1979 orientiert sich etwas an der Ermordung Kennedys und stellt Fragen wie "Für welche Politik stand der ermordete Präsident ein?" "Wem hätte diese Politik Schaden oder Nachteile bringen können?"
Darüberhinaus gibt er in der berühmten Sequenz, die das Milgram Experiment vorstellt, Aufschluss darüber, wie ein Mensch zu einer bestimmten Tat angestift werden kann. Es braucht laut diesem Experiment eine Autorität, die der Betreffende als solche anerkennt und dann Befehle bis zum Äussersten ausführen kann.
Und genau dieser Autorität kommt der Staatsanwalt in seinen Ermittlungen sehr nahe, keine Frage, dass dies sehr gefährlich werden kann.
1980 war I wie Ikarus in den Kategorien bester Film, Hauptdarsteller (Yves Montand), Drehbuch, Filmmusik (Morricone) und Szenenbild für den César nominiert, konnte sich aber damals nicht gegen die harte Konkurrenz wie Polanskis "Tess" durchsetzen.
Heute zählt "I wie Ikarus" unbestritten zu den ganz großen Beiträgen des Politthrillers und weist eine ähnlich hervorragende Qualität wie Costa Gavras "Z" aus.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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