Dienstag, 19. September 2017

Der diskrete Charme der Bourgeoisie






Regie: Luis Bunuel

Einladungen zum Essen...


Luis Bunuel gehört für mich zu den interessantesten Regisseuren der Filmgeschichte. 1928 debütierte er als Regisseur mit dem skandalumwitterten Film "Der andalusische Hund", den er gemeinsam mit seinem Freund Salvador Dali plante. Mit "Das goldene Zeitalter" ging er in Sachen Provokation noch einen Schritt weiter. Er zeigte beispielsweise Skelettierte Pfarrer oder einen Vater, der seinen Sohn mit einem Jagdgewehr erschießt. Der Skandal war vorprogrammiert. Rechtsgerichtete Gruppen bewarfen damals die Leinwände mit Farbbeuteln. Die Surrealisten jedoch bejubelten den Film.
Seine Filme sind tatsächlich auf einem schmalen Grat zwischen Realismus und Surrealismus angesiedelt, wobei beides nicht beziehungslos nebeneinander steht, sondern immer ineinander übergeht. Von seinem früheren Werken liebe ich "Los Olvidados" aus dem Jahr 1950 und "Das verbrecherische Leben des Archibaldo de la Cruz", der 1955 entstand, ganz besonders.
Sein "Gespenst der Freiheit" begeistert mich vor allem wegen der genialen Szene Essen und Toilette. Seine Bürgertums-Attacke "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" ist aber wahrscheinlich sein witzigster Film überhaupt. Im Grund passiert nicht viel. Den ganzen Film hindurch versuchen drei noble Freunde und ihre Frauen, die in mondänen Wohnungen in Paris oder in luxuriösen Landhäusern in der Umgebung leben, einander zum Essen einzuladen. Leider immer vergebens, wie die Handlung in "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" bald zeigen wird. Die Abendgesellschaft besteht aus dem Ehepaar Senechal (Stephane Audran, Jean Pierre Cassel), dem Ehepaar Thevonet (Delphine Seyring, Paul Frankeur), der jüngeren Schwester von Madame Thevonet (Bulle Ogier) und dem schillernden Don Rafael (Fernando Rey), Botschafter der kleinen südamerikanischen Republik Miranda. Die drei Männer der Oberschicht handeln auch noch mit Kokain. Neben diesen Hauptpersonen kommt auch noch der Bischof Dufour (Julien Bertheau), der sich von den Senechals als Gärtner engagieren lässt und ein Colonel (Claude Piplou) hinzu. Mehrfach versuchen nun diese Freunde, sich zu einem Essen zu treffen, aber dieses einfache Unternehmen misslingt jeweils auf sehr unterschiedliche Weise, teilweise sogar recht spektakulär. Da irrt man sich mal im Datum, dann wieder ist der Inhaber des Restaurants plötzlich verstorben und sein Leichnam ist im Nebenraum des Restaurants aufebahrt oder die Senechals machen lieber eine Runde Sex und verdrücken sich mit der Leiter in den Garten während ihre Gäste im Esszimmer warten. Dann wieder vereitelt ein Manöver den kulinarischen Spass oder es kommt zu gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen den Akteuren. Das lustige und fiese Treiben wird immer wieder von Träumen, die einige Nebenfiguren erzählen (ein Soldat, der im Cafehaus sitzt oder ein Soldat, der während des Manövers allen Gästen einen Traum zum Besten gibt) aufgelockert oder den Realitätsfluß unterbricht und surreale Züge hinzufügt. Bald werden es mehr Träume und das Szenario wird dadurch auch etwas drastischer....



Am Ende treffen sich die Freunde tatsächlich zu einer köstlichen Hammelkeule, das Happy-End scheint nahe zu sein. Doch dann werden Terroristen die Szene beherrschen. Man spürt natürlich einmal mehr, dass Bunuel sehr gerene die bürgerlichen Ordnungsmächte wie Staat oder Kirche gerne gemein attackiert. Für mich ist "Der diskrete Charme der Bourgeosie" ein perfekter Film, ein Meisterwerk des schwarzen und grotesken Humors. Gerechterweise gabs dafür auch den Oscar als bester fremdsprachiger Film des Jahres 1973.




Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen