Regie: Luis Bunuel
Einladungen zum Essen...
Luis Bunuel gehört für mich zu den interessantesten Regisseuren der
Filmgeschichte. 1928 debütierte er als Regisseur mit dem
skandalumwitterten Film "Der andalusische Hund", den er gemeinsam mit
seinem Freund Salvador Dali plante. Mit "Das goldene Zeitalter" ging er
in Sachen Provokation noch einen Schritt weiter. Er zeigte
beispielsweise Skelettierte Pfarrer oder einen Vater, der seinen Sohn
mit einem Jagdgewehr erschießt. Der Skandal war vorprogrammiert.
Rechtsgerichtete Gruppen bewarfen damals die Leinwände mit Farbbeuteln.
Die Surrealisten jedoch bejubelten den Film.
Seine Filme sind tatsächlich auf einem schmalen Grat zwischen Realismus
und Surrealismus angesiedelt, wobei beides nicht beziehungslos
nebeneinander steht, sondern immer ineinander übergeht. Von seinem
früheren Werken liebe ich "Los Olvidados" aus dem Jahr 1950 und "Das
verbrecherische Leben des Archibaldo de la Cruz", der 1955 entstand,
ganz besonders.
Sein "Gespenst der Freiheit" begeistert mich vor allem wegen der
genialen Szene Essen und Toilette. Seine Bürgertums-Attacke "Der
diskrete Charme der Bourgeoisie" ist aber wahrscheinlich sein witzigster
Film überhaupt. Im Grund passiert nicht viel. Den ganzen Film hindurch
versuchen drei noble Freunde und ihre Frauen, die in mondänen Wohnungen
in Paris oder in luxuriösen Landhäusern in der Umgebung leben, einander
zum Essen einzuladen. Leider immer vergebens, wie die Handlung in "Der
diskrete Charme der Bourgeoisie" bald zeigen wird. Die Abendgesellschaft
besteht aus dem Ehepaar Senechal (Stephane Audran, Jean Pierre Cassel),
dem Ehepaar Thevonet (Delphine Seyring, Paul Frankeur), der jüngeren
Schwester von Madame Thevonet (Bulle Ogier) und dem schillernden Don
Rafael (Fernando Rey), Botschafter der kleinen südamerikanischen
Republik Miranda. Die drei Männer der Oberschicht handeln auch noch mit
Kokain. Neben diesen Hauptpersonen kommt auch noch der Bischof Dufour
(Julien Bertheau), der sich von den Senechals als Gärtner engagieren
lässt und ein Colonel (Claude Piplou) hinzu. Mehrfach versuchen nun
diese Freunde, sich zu einem Essen zu treffen, aber dieses einfache
Unternehmen misslingt jeweils auf sehr unterschiedliche Weise, teilweise
sogar recht spektakulär. Da irrt man sich mal im Datum, dann wieder ist
der Inhaber des Restaurants plötzlich verstorben und sein Leichnam ist
im Nebenraum des Restaurants aufebahrt oder die Senechals machen lieber
eine Runde Sex und verdrücken sich mit der Leiter in den Garten während
ihre Gäste im Esszimmer warten. Dann wieder vereitelt ein Manöver den
kulinarischen Spass oder es kommt zu gewaltvollen Auseinandersetzungen
zwischen den Akteuren. Das lustige und fiese Treiben wird immer wieder
von Träumen, die einige Nebenfiguren erzählen (ein Soldat, der im
Cafehaus sitzt oder ein Soldat, der während des Manövers allen Gästen
einen Traum zum Besten gibt) aufgelockert oder den Realitätsfluß
unterbricht und surreale Züge hinzufügt. Bald werden es mehr Träume und
das Szenario wird dadurch auch etwas drastischer....
Am Ende treffen sich die Freunde tatsächlich zu einer köstlichen
Hammelkeule, das Happy-End scheint nahe zu sein. Doch dann werden
Terroristen die Szene beherrschen. Man spürt natürlich einmal mehr, dass
Bunuel sehr gerene die bürgerlichen Ordnungsmächte wie Staat oder
Kirche gerne gemein attackiert. Für mich ist "Der diskrete Charme der
Bourgeosie" ein perfekter Film, ein Meisterwerk des schwarzen und
grotesken Humors. Gerechterweise gabs dafür auch den Oscar als bester
fremdsprachiger Film des Jahres 1973.
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