Regie: Matthieu Kassowitz
Ein Tag im Viertel...
"Hass - La Haine" - ein Film von Matthieu kassowitz entstand 1995 und
ist eine europäische Antwort auf die zu dieser Zeit sehr beliebten
Ghettomovies der USA wie beispielsweise "Boyz N the Hood" von John
Singleton oder "Menace II Society" von Albert und Allen Hughes. Optisch
geht dieser französische Beitrag aber andere Wege, denn durch die
scharz-weiß Kamera von Pierre Aim wirkt das Geschehen beinahe schon wie
ein Film Noir.
Schauplatz des Geschehens ist die Cite de Noe, Chanteloup-les-Vignes,
ein Vorort, eine Randzone von Paris. Dort im Banlieue leben auch die
Jugendlichen Vinz (Vincent Cassel), der arabischstämmige Said (Said
Taghmaoui) und der dunkelhäutige Hubert (Hubert Kounde). Vinz sieht zwar
wie ein Skin aus, aber er ist jüdischer Herkunft und mit den beiden
anderen Jungs befreundet. Arbeit haben alle drei keine - Hubert verkauft
etwas Haschisch, er gibt das Geld aber seiner Mutter (Felicite Wouassi)
und seiner kleinen Schwester (Fatou Thioune), die gerne auf eine
weitere Schule gehen würde, aber das Geld für die Schulbücher fehlt. Die
drei leben so in den Tag hinein und Action gibt es auch ständig im
Viertel. Vor allem aktuell, denn am Vortag tobte in den Banlieues ein
echter Straßenkampf, bei dem Abdel (Abdel Ahmed Ghili), ein Freund des
Trios, ganz schwer während eines Polizeiverhörts verletzt wurde und
seitdem im Krankenhaus um sein Leben kämpft. Der Freund liegt im Koma
und dies macht Vinz, der eine jüdische Herkunft hat, immer mehr zu einer
tickenden Zeitbombe. Er will sich bei der Polizei für diese Gewalt
rächen. Und nun hat er auch noch die Knarre gefunden, die einer der
Polizisten bei dem Einsatz verloren hat. Hubert ist auch sehr
enttäuscht, denn durch den Kampf wurde auch die Boxhalle komplett
ausgebrannt, somit haben die Jugendlichen einen Ort, wo sie sich
aufhalten können und ihren Frust etwas rauslassen können, verloren.
Hubert ist auch der besonnene der drei Freunde und warnt Vinz, als
dieser seinen beiden Freund stolz die Waffe zeigt. Der Film schildert
fast schon dokumentarisch einen Tag im Leben dieser Protagonisten auf
der Verliererstraße. Es ist immer was los und überall herrscht
Aggression - auch in den Familien, im Umgang miteinander. Die Menschen
hier sind an diese Struktur der alltäglichen Gewalt gewohnt und es
scheint als wäre die Polizei (dein Freund und Helfer) der Todfeind Nr.
1, weil deren brutale Methoden im Umgang sich inzwischen überhaupt nicht
mehr vom Verhalten der Kleinkriminellen unterscheidet. Nach dem Trouble
mit der Polizei, weil einige der jungen Typen des Viertels, auf dem
Dach eines der Hochhäuser eine Grillparty veranstalten, laufen unsere
drei Freunde herum und Hubert erkennt, dass Vinz zu unreflektiert ist,
inwieweit sein Vorhaben, falls Abdel stirbt, nach dem Motto "Auge um
Auge" einen Polizisten zu killen an der trostlosen Realität im Ghetto
irgendetwas ändern könnte. Die drei beschließen mit der Stadtbahn in die
Innenstadt zu fahren...
Huberts öfters genannter Spruch lautet "ein Mann fällt vom Hochhaus und
an jedem Stockwerk, an dem er vorbeifliegt, sagt er sich "Soweit ging
es ja noch gut" - Fazit: Nicht das Fallen ist wichtig, sondern die
Landung. Und landen werden die drei Protagonisten am Ende dieser Nacht
in einer total auswegslosen Situation. Matthieu Kassowitz gelang es
sogar eine Art Arthaus Gangsterghettofilm zu drehen. Dies verdankt er
der innovativen Kameraarbeit und der mehr als hervorragenden
Darstelelrleistung des damals noch sehr jungen Vinzent Cassel und seine
Mitspieler Hubert Kounde und Said Taghmaoui sind genauso gut. Ein
bisschen erinnert mich "Hass" auch an einen meiner Lieblingsfilme von
Luis Bunuel: "Los Olividados" - ebenfalls ein Zustandsbericht eines
sozialen Brennpunktes in Mexico-City. Beide wirken etwas
semi-dokumentarisch und dies macht das Geschehen noch viel dichter und
authentischer. Leider gelang dem Regisseur bislang nie wieder so ein
Meisterwerk. "Hass - La Haine" darf man sicherlich zu den 90er Jahre
Meilensteine des französischen bzw. europäischen Kinos zählen. Zum Lohn
gabs einen Cesar und den Europäischen Filmpreis als bester "Young
European Film".
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