Regie: Orson Welles
Als das Auto in die Stadt kam...
Als das Auto in die Stadt kam...
Am 17. März 1942 wurde Orson Welles "Der Glanz des Hauses Amberson" in
einem ersten Preview vorgeführt. Das Publikum bestand eher aus Teenager
und daher wird es keinen sonderlich überraschen, dass dieses düstere
Filmepos über die Geburt des neuen Amerikas eher ablehnend aufgenommen
wurden. Der Film wurde etwas verändert und gekürzt - bei dem zweiten
Preview wurde schon besser beurteilt. Doch bei der RKO war bereits eine
echte Panik ausgebrochen. Der Film verschlang Kosten von 1 Million
Dollar und Studiochef George J. Schaefer befürchtete nun, dass die
Familienchronik im Kino floppen würde. Robert Wise wurde beauftragt dem
Film mehr Mainstream zu verpassen Es kam zu einer starken Kürzung von
131 Minuten auf 88 Minuten. Auch das Ende, das Welles für grandios
hielt, wurde "verschönert" und das HappyEnd als neue Szene hinzugefügt.
Welles meinte später sein Thema wäre die bittere Zeitenwende gewesen. Er
wollte zeigen, wie das Auto als Symbol für die Industrialisierung die
gesamte Familie und auch die ganze Stadt runiniert. Aber "die böse,
schwarze Welt sollte den Leuten nicht zugemutet werden".
Bei den Nominierungen für die Oscars 1943 sahs aber dennoch nicht
schlecht aus. Der umstrittene Torso, von dem sich Welles distanzierte,
brachte es auf 4 Nominierungen: Kameramann Stanley Cortez für seine
hervorragende Arbeit, Agnes Moorehead für die Rolle als Tante Fanny.
Ausserdem das beste Szenenbild und gar in der Hauptkategorie "Bester
Film" hatte "Der Glanz des Hauses Amberson" Chancen die Trophäe zu
gewinnen. Er unterlag aber William Wylers "Mrs. Miniver".
Die Geschichte spielt um 1870 in Indianapolis. Die reichste und vor
allem angesehendste Familie der Stadt sind die Ambersons. Major Amberson
(Richard Bennett) ist der Patriarch. Seine hübsche Tochter Isabel
(Dolores Costello) liebt den etwas verrückten und leichtfertigen Eugene
Morgan (Joseph Cotten), der sich an neuen Erfindungen versucht. Er
verscherzt es aber seiner Angebeteten als er eines Nachts vor ihrem
Fenster ein Ständchen bringt - im betrunkenen Zustand. Sie distanziert
sich von ihrer großen Liebe und heiratet den ehrbaren Kaufmann Wilbur
Minafer (Don Dillaway). Aus der Ehe geht der Sohn George (Tim Holt)
hervor, der bereits als kleiner Junge (Bobby Cooper) als
eigensinnigster und frechster Balg in der Stadt galt. Der Bengel hatte
keinen Respekt vor erwachsenen Personen und viele hätten ihm gerne mal
eine Abreibung gewünscht. Doch von der Mutter wird George verwöhnt.
Zwanzig Jahre später kommt Eugene mit seiner hübschen Tochter Lucy (Anne
Baxter) zurück in die Stadt. Inzwischen ist aus Eugene ein
erfolgreicher Auto-Fabrikant geworden. Wobei diese neuzeitlichen
Fortbewegungsmittel von einigen immer noch sehr belächelt werden, den
Pferde sind da viel zuverlässiger. Der verwöhnte George verliebt sich in
Lucy und auch Isabel und Eugene kommen sich nach dem plötzlichen Tod
von Wilbur wieder näher....
Auch mit Kürzung ist "Der Glanz des Hauses Amberson" für mich ein großes
Meisterwerk. Sogar ebenbürtig mit Welles Meisterwerk "Citizen Kane".
Die beiden Filme sind für mich sogar ein bisschen mit einander verwandt.
Beide Filme beschäftigen sich mit dem amerikanischen Kaptitalismus. In
Citizen Kane steigt der Zeitungsmagnat Charles Foster Kane zum reichsten
und einflussreichsten Mann seiner Zeit auf. In "Glanz des Hauses
Amberson" geht eine goldene Welt zu Ende als der Siegeszug des
Automobils beginnt. Der alte Geldadel verschwindet langsam - ohne, dass
sie sich darauf vorbereitet hätten. Sieger in der neuen Welt sind die
Industriellen.
"Der Glanz des Hauses Amberson" ist auch ein großartiger
Schauspielerfilm, eine total geglückte Ensembleleistung. Leider wird man
auch in Zukunft den Film nur in seiner zurechtgeschnittenen Fassung
sehen können. Die fehlenden Teile gelten als verschollen. Und damit
teilte "Der Glanz des Hauses Amberson" das gleiche Schicksal wie nach
ihm Sam Peckinpahs "Sierra Charrieba" oder Samuel Fullers "The Big Red
One". Meisterwerke, die von inkompetenten Studiobossen durch Kürzungen
in ihrer Qualität beeinträchtigt wurden. Dennoch: Es spricht für "Der
Glanz des Hauses Amberson", dass er trotz dieser massiven Schnitte immer
noch als Meisterwerk überzeugen kann. Wie genial wäre der Film wohl
erst in seiner ursprünglichen Version.
Bewertung: 10 von 10 Punkt
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