Regie: Elia Kazan
Am Hafen von Hoboken...
Es brauchte nur zwei Filme um aus dem Method Acting Darsteller Marlon
Brando einer der größten Leinwandstars der 50er Jahre zu machen. Und in
beiden Filmen "Endstation Sehnsucht" und "Die Faust im Nacken" führte
Elia Kazan Regie, der bereits für "Tabu der Gerechten" im Jahr 1948 den
Oscar als bester Regisseur erhielt. Der zweite Treffer gelang ihm 1955
als "Die Faust im Nacken" acht seiner zwölf Oscar-Nominierungen in Siege
umwandeln konnte. Einen ging an Elia Kazan, als Schauspieler durfte
sich Marlon Brando freuen. Die junge Eva Marie Saint wurde als beste
Nebendarstellerin ausgezeichnet, ausserdem gewann der Film den
Hauptpreis als bester Film und siegte in den Kategorien Drehbuch,
Szenenbild, Kamera und Schnitt. Wie großartig das gesamte
Schauspielensemble war, kann man daran erkennen, dass auch die
Nebendarsteller Karl Malden, Lee J. Cobb und Rod Steiger nominiert
waren. Auch Leonard Bernstein mit seiner Filmmusik hatte auf einen
Oscar gehofft. Auch die Kinokassen klingelten im Jahr 1954. Der Film war
in den Kinojahrescharts der USA auf Platz 4 - hinter "Das Fenster zum
Hof", "Die Gladiatoren" und "Die Caine war ihr Schicksal".
Inzwischen ist der Film 60 Jahre alt und er ist bemerkenswert jung
geblieben - der Rebell Terry Malloy, den Marlon Brando darstellt, ist
auch heute noch glaubwürdig und ein interessanter Typ. Damals war dieser
Typ noch neuartig fürs Kino, doch er hat das Kino nachhaltig
beeinflusst und heute ist diese rebellische Figur im Kino überhaupt
nicht mehr wegzudenken. Marlon Brando war - zusammen mit James Dean -
der Vorreiter sozusagen. Hervorragend ist die Atmosphäre der Straße
eingefangen, der Film wurde an Originalschauplätzen in Hoboken gedreht.
Die Stadt liegt am Hudson River, direkt neben Manhattan.
Die Dockarbeiter sind machtlos gegen eine korrupte Gewerkschaft, die von
dem rücksichtslosen Gangster Johnny Friendly (Lee J. Cobb) und dessen
Kompagnon, der Rechtsanwalt Charley Malloy (Rod Steiger) geleitet wird.
Um überhaupt Arbeit zu bekommen, müssen die Arbeiter aus der sozialen
Unterschicht bezahlendes Mitglied dieser Gewerkschaft sein. Arbeiter,
die sich gegen dieses System auflehnen werden bestraft. Sie bekommen
keine Arbeit mehr - im schlimmsten Fall findet man irgendwann die
Leiche. "Es war ein Unfall" heißt es dann. Charley Malloys jüngerer
Bruder Terry (Marlon Brando) ist ein gescheiterter Boxer und lebt
irgendwie in den Tag hinein. Durch seinen Bruder bekommt er immer wieder
kleinere Jobs und genießt ein paar Privilegien durch die Gewerkschaft,
wenn er denen kleine Gefälligkeiten macht. So führt er auch unwissend
den jungen Joey Doyle in eine tödliche Falle. Terry, der wenig gebildet
ist, macht sich im Hinterher Vorwürfe, fühlt sich aber auch loyal, weil
die Gewerkschaftler ja immer gut zu ihm waren und ihm halfen. So
schweigt er über sein Wissen und hält dicht. Nach dem Mord lernt er
Terrys Schwester Edie (Eva Marie Saint) kennen, die nicht glaubt, dass
ihr Bruder einen Unfall hatte. Auch die anderen Bewohner glauben dies
nicht - zu oft gabs schon Tote. Immer dann, wenn ein Arbeiter mit den
Polizisten kooperieren wollte und gegen Friendlys Gang aussagen wollte.
Trotz seiner harten Schale hat Terry auch einen sehr sensiblen Kern. Er
züchtet oben auf dem Dach, gemeinsam mit dem jungen Jimmy (Arthur
Keegan) Tauben. Durch Edie, in die er sich bald verliebt, gerät er bald
in einen Gewissenskonflikt und natürlich auch zwischen die Fronten. Auch
Pater Berry (Karl Malden) hat das Ziel gegen die Gewerkschaft
vorzugehen, aber ein weiterer Arbeiter, der auspacken will, wird Opfer
eines "Unfalls"...
Damals müssen die Filme von Elia Kazan wie eine Explosion gewirkt haben,
denn sie haben das US-Kino und deren Figuren und Helden nachhaltig
verändert. James Deans erster Film "Jenseits von Eden" ist auch ein
Kazan Film. Und ein Jahr vorher war es Marlon Brando, der amerikanischen
Alltag und Realität in die Kinos brachte - als Kämpfer gegen korrupte
Gewerkschaften. So glich sich Hollywood auch an den Realismus
europäischer Filme ein, die Italiener waren ja Vorreiter dieses Stil des
kleinen Mannes. Natürlich hat die Hollywood Variante aber im Hauptteil
noch eine besonders dramatische Variante parat, denn nach einer
Gerichtsaussage ist die Macht des Bosses schon zerbrochen. Aber der
Showdown, bei dem Terry von einer Überzahl dieser Mobster zu einem
blutigen Klumpen Fleisch zusammengeschlagen wird, liefert die Action,
die das Publikum begeistert. Am Boden zerstört und trotzdem wieder
aufstehen. Mit diesem Bild wird der Rebell zum Held und zum Vorbild für
die Hafenarbeiter, die bisher geschwiegen haben und es zeichnet sich
eine bessere Zukunft ab. Der Schluß vielleicht zu pathetisch und
sicherlich zu hoffnungsvoll, aber er ändert auch nichts mehr daran, dass
"Die Faust im Nacken" eines der großen Filmmeisterwerke der 50er Jahre
ist. Zu hervorragend sind die vielen vorangegangenen Szenen, die auch
eine starke poetische Kraft inmitten dieser Tristesse sichtbar werden
lässt. Etwa die Szenen mit den Tauben auf dem Dach und die Annäherung
Terrys an Edie. Das ist alles total klasse inszeniert und packt auch
heute noch. Und von dieser Qualität gibt es sehr viele Szenen, wenn ich
da an die Autofahrt der beiden Brüder denke - einer der unvergesslichen
Höhepunkte in einem bis heute legendären Film.
Gedreht wurde im winterlichen Hoboken in New Jersey mit den vielen häßlichen Hafenhäusern vor scheinbar ewig grauem Himmel.
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