Regie: Franco Zefirelli
Fünf Tage im Sommer....
"Romeo und Julia" ist eine der berühmtesten Tragödien von William
Shakespeare, die er vermutlich in den Jahren zwischen 1594 und 1596
schrieb. Die Handlung selbst umfasst den kurzen Zeitraum von nur 5
Tagen, die sich in der Spätrenaissance zur Sommerzeit in der
norditalienschen Stadt Verona abspielt. Dieser weltberühmte Theaterstoff
wurde mehrfach verfilmt. Meistens mit Darstellern und Darstellerinnen,
die die dreißig Jahre schon längst überschritten hatten. Daher war die
1968er Verfilmung von Franco Zefirelli auch beinahe schon revolutionär,
weil die beiden Hauptdarsteller Olivia Hussey und Leonard Whiting bei
den Dreharbeiten fast so jung waren, wie das Original es tatsächlich
vorsieht. Denn damals gabs ganz andere Normen wie heute, wenn man Julias
Mutter zu ihrer beinahe 14jährigen Tochter sagen hört: "Gut, es ist
nun Zeit daran zu denken; es gibt hier in Verona jüngere als ihr, und
Frauenzimmer von Stand und Ansehen, die schon Mütter sind. Bei meiner
Ehre, in dem Alter worinn ihr noch ein Mädchen seid, war ich schon eure
Mutter. Ich will's also kurz machen, und euch sagen, daß sich der junge
Paris um euch bewirbt". Gerade diese Wahl von zwei ganz jungen
Protagonisten machte den Zefirelli Film auch zu einem riesigen Erfolg.
Der farbenprächtige Historienstreifen, der an Originalschauplätzen in
Italien gedreht wurde, spielte 1968 alleine in den USA 39 Millionen
Dollar ein und war nach "2001 - Odyssee im Weltraum" und "Funny Girl"
der dritterfolgreichste Kassenhit des Kinojahres. Es ist auch noch heute
die mit Abstand beste Verfilmung des Stoffes für mich, denn sie deckt
gleich drei Komponenten perfekt ab: Einerseits ist alles an diesem Film
so authenisch, dass er es spielend schafft den Zuschauer in eine andere
Zeit hineinzuversetzen. Ein Kunststück, dass sicher nicht allein
Historienfilm so spontan und spielend gelingt. Andererseits ist "Romeo
und Juila" auch ein zeitgenössisches Kinostück, denn es spiegelt
irgendwie auch die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts perfekt ein.
Diese Zeit des Umbruchs, den Siegeszug der Jugend durch die Popmusik und
drittens muss man Heute feststellen, dass der Film keine Spur gealtert
ist. Trotz des nostalgischen Soundtracks von Nino Rota, der ein bisschen
an die Kinomelancholie eines Dr. Schiwago erinnert und noch einen
tragischen Filmsong "A rose will bloom" von Bruno Filippini beisteuert,
schmälert nichts diesen Eindruck des Ewig Aktuellen. Zwei Liebende und
eine feindlich gesinnte Umwelt, die das Glück verhindert. Zefirelli
Präsentiert hier mit wunderschönen Kostümen und Kulissen, so dass der
Zuschauer über die komplette Laufzeit gut unterhalten wird. Die
Familienfehde und die Liebesgeschichte wird hier mit sehr schönen
Bildern (Kameramann: Pasqualino de Santis) erzählt, für mich hat
Zeffirelli mit diesem Film ein kleines Meisterwerk geschaffen. Das
Verhängnis fängt an einem Sonntag, mitten im heißen Juli in Verona an.
Die reichen Familien der Montagues (Antonio Pierfederici, Esmeralda
Ruspoldi) und Capulets (Paul Hardwick, Natasha Parry) einschließlich
ihrer Verwandten und Anhönger liegen schon seit langem im dauerhaften
Streit. Immer wieder kommt es zum Streit auf den Straßen der Stadt.
Benvolio (Bruce Robinson), ein Neffe der Montagues, befindet sich wieder
einmal im Streit mit Tybalt (Michael York), dem Neffen der Carpulets,
der so arg ausartet, dass der Prinz von Verona (Robert Stephens)
öffentlich die Androhung der Todesstrafe verhängt, wenn es weitere
Kämpfe gibt. So haben sich die Feinde daran zu halten, dass ab sofort
eine Pause des Familienkrieges herrscht. Der leidenschaftliche
17-jährige Romeo Monague (Leonard Whiting) hat sich nicht an diesem
Kampf beteiligt, denn er hat andere Sorgen. Er hat Liebeskummer wegen
einer Rosalind und wurde von ihr abgewiesen. Im Hause der Capulets hat
Graf Paris (Roberto Bisacco) um die Hand der fast 14jährige Tochter des
Hauses, die schöne Julia (Oliva Hussey) angehalten. Eltern und Amme (Pat
Heywood) sind entzückt und auch Julia scheint nicht abgeneigt, da sie
eine artige Tochter ist, allerdings noch nichts von der Liebe weiß. Um
Julia Gelegenheit zu geben Paris kennenzulernen, geben die Capulets ein
großes Fest, von dem die Montagues erfahren. Benvolio und Romeos bestem
Freund Mercutio (John McEnery) kommt der Einfall maskiert auf diesen
Fest zu erscheinen. Auch der junge Romeo geht mit und sieht dort Julia.
Es ist bei beiden Liebe auf den ersten Blick. Als beide die Identität
ihrer neuen Liebe erfahren, ist die Kraft der Liebe natürlich größer als
die unüberwindbare Brücke dieser Feindschaft der Familien. Die beiden
Liebenden treffen sich heimlich, werden von Pater Lorenzo (Milo O´Shea)
heimlich vermählt, was vielleicht den Krieg endgültig beilegen könnte.
Doch dann gibt es auf den Straßen von Verona wieder Streit. Ein Streit
mit tödlichem Ausgang...
Spätestens hier wird aus dem Drama eine katastrophale Tragödie, die
nicht mehr gut ausgehen wird. Ja, das ist natürlich eine total bekannte
Geschichte, aber sie wird hier von Zefirelli meisterhaft erzählt. Die
jungen und extrem attraktiven Hauptdarsteller tragen die Geschichte
mühelos und nach wie vor packt der Film auf ganzer Linie. Die Verse von
Shakespeare wurden zwar gekürzt, aber die Poesie bleibt immer gewahrt:
Es war die Nachtigalle und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges
Ohr durchdrang. Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort, Glaub,
Lieber, mir: Es war die Nachtigall". Was sich in manch einer anderen
Shakespeare Verfilmung gestelzt anhört, erwacht hier zum echten Leben.
Und man wünscht sich fast, dass diese schöne Sprache auch heute noch
existieren würde.
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