Regie: Jean-Pierre Melville
Jeff Costello....
"Was sind sie für ein Mensch ?" - diese Frage wird die junge Pianistin
Valerie (Cathy Rosier) im Laufe des Films "Der eiskalte Engel" an den
stillen, geheimnisvollen und geräuschlosen Berufskiller Jeff Costello,
gespielt von Alain Delon, stellen. Dabei ist sie sehr interessiert
daran, was dieser Fremde vorhat und spielt dabei mit dem Feuer, ja sogar
mit dem eigenen Leben. Denn sie ist für den Kommissar (Frrancois
Perier) die wichtigste Zeugin in dem zu ermittelnden Mordfall. Valerie
hat den Mörder aus dem Zimmer des toten Nachtclubbesitzers kommen sehen.
Und Jeff Costello ist an der schönen Frau auch deshalb interessiert,
weil er wissen will, warum sie ihn bei der Gegenüberstellung der Polizei
hat die dunkelhäutige Schönheit vorgegeben ihn noch nie gesehen zu
haben.
Dabei hat der zynische und perfektionistische kommissar eine massive
Großrazzia durchgeführt, wo Costello mit ca. 400 anderen üblichen
Verdächtigen des Milieus mehr oder weniger zufällig auf der Polizeiwache
landeten und den wenigen Zeugen gegenübergestellt wurden. Nun ist Jeff
Costello frei - dank der Pianistin und dank seiner Geliebten Jeanne
(Nathalie Delon), die obwohl liiert mit dem Killer eine heimliche
Affäre pflegt.
Jean-Pierre Melvilles Meisterwerk "Der eiskalte Engel" ist eine Art
Hommage an die schwarze Serie, auch wenn Melville den präzise
ablaufenden Kriminalfilm in großartige farbiger Optik inszeniert hat.
Eine Weltklasse Kameraarbeit von Henri Decae. Und Alain Delon liefert
als dieser eiskalte Engel tatsächlich die beste Rolle seiner Laufbahn
ab. Im Original heißt der Film "Le Samurai" und deutet damit auch die
Machart des kühlen Großstadtreißers an. Jeff Costello, die Hauptfigur
ist eine Kino-Kunstfigur, deren Schicksal präzise und uanusweichlich
nach festen Regeln und vor allem nach Ritualen und einem Ehrenkodex
abläuft. Der Gangsterfilm mit deutlichen Anleihen zur griechischen
Tragödie. Als Motto dient der Satz "Es gibt keine größere Einsamkeit als
die des Samurai, es sei denn die des Tigers im Dschungel" - und auf
Jeff Costello treffen beide Begriffe zu. Er geht bei seiner Arbeit
methodisch vor, wirkt asexuell und ist offensichtlich ein Mann ohne
Moral - aber mit einem Sinn für Ehre. Alles beginnt in seiner schäbigen
Pariser Wohnung. Nur ein Vogel in einem Käfig, der ständig zirpt, ist
sein Mitbewohner. Einen beigen Trenchcoat, ein grauer Hut mit schwarzem
Rand - fertig ist das Outfit für seinen Auftrag, den er nun in einer
Jazzbar ausführen muss. Dabei hat er alles minutiös geplant, deshalb
haben die Auftraggeber auch genau ihn ausgewählt. Als er am anderen Tag -
nach dem Mord und nach der Polizeirazzia - am verabredeten Treffpunkt
sein Honorar abholen wird, kann er nur mit viel Glück seinem eigenen
Killer entkommen. Er begreift, dass er für seine Auftragsgeber zum
Sicherheitsrisiko geworden ist. Ausserdem hat er die Pianistin als
Augenzeugin nicht erledigt, das macht ihn zusätzlich erpreßbar. Aus dem
Killer ist nun der Gejagte geworden. Der kommissar mit dem guten Riecher
hat ihn - trotz Alibi - auch noch als Hauptverdächtiger im Visier...
Das rythmische Film-Meisterwerk läuft präzise wie ein Uhrwerk ab und
fasziniert von Anfang bis Ende. Faszinierend seine Filmfiguren und
faszinierend das kühle Paris mit einem sehr amerikanischen Einschlag.
Jazzbars, Hinterhöfe und Metrostationen - alles läuft fast still und nur
wenigen Dialogen ab. Melville selbst hat einmal angegeben, dass sein
Jeff Costello mit dieser ausdruckslosen Mine und mit einer Emotion unter
dem Gefrierpunkt alle Voraussetzungen für das Krankheitsbild des
schizoiden Persönlichkeitsgestörten mit sich bringt. Durch den erfunden
Verweis auf das Bushido Buch hat der Film seine abstrakte, mythische und
zeitlose Aura bereits angelegt. Der Schlußteil in der Bar vollendet
dann auch perfekt die Studie über Einsamkeit.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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