Samstag, 30. September 2017

Unter den Brücken







































Regie: Helmut Käutner

Auf dem Lastkahn Liese-Lotte..


"Unter den Brücken" von Helmut Käutner entstand von Mai bis Oktober 1944, in der Schlußphase des zweiten Weltkriegs. Die Dreiecksgeschichte um zwei Havelschiffer, die sich in die gleiche Frau verlieben, zeigt völlig unerwartet sommerlich-idyllische Flußlandschaften in der Umgebung von Berlin. Man könnte meinen in einer Landschaft zu sein, die ganz weit weg ist von Tod und Zerstörung. Eine bessere Welt, eine neue Hoffnung ? Jedenfalls muss man Käutners Film sowohl von Inhalt als auch von der Form zum "Poetischen Realismus" zählen, denn die Nähe zu den Meisterwerken von Marcel Carne, Jean Renoir oder Rene Clair ist unbestreitbar - am meisten erinnerte mich "Unter den Brücken" aber an Jean Vigos "L´atalante", der ebenfalls auf einem Binnenfrachter spielt.
Dennoch ist "Unter den Brücken" ein großartiges, eigenständiges Werk - denn der eher lethargisch-melancholische Inhalt der französischen Vorbilder wird mit Witz und Bodenständigkeit verbunden, ja sogar oft unterbrochen und schafft so einen eigenständigen deutschen Verwandten.
Lockerheit und Freiheitsgefühl schimmert immer wieder durch.
Schade, dass das deutsche Kino nach dem Krieg ganz auf Heimatkitsch und Kriegsverdrängung umgeschaltet hat. Mit großartigen Filmemachern wie Käutner oder Staudte wäre das Potential dagewesen den deutschen Film schon viel früher in eine neue Blütezeit zu bringen.
Kurz nach Beginn der Dreharbeiten startete die Invasion in der Normandie, kurz vor Drehende hatten die Amerikaner schon Aachen besetzt und die Rote Armee stand vor Ostpreußen. Die Filmcrew hatte daher mitVerzögerungen und Ausfällen zu kämpfen und der Film konnte erst im März 1945 fertiggestellt und von der Zensur freigegeben werden.  Die Kinopremiere fand aber erst 5 Jahre nach dem Krieg statt, seine Uraufführung erlebte "Unter den Brücken" auf den Filmfestspielen von Locarno.
Käutner selbst gab an, dass die Geschichte eine friedliche Demonstration der eigenen Wünsche war. "Wir lebten verträumt neben der Zeit und lenkten uns durch die Arbeit von all dem Schrecken ab" - der keine Autostunde weit entfernt entfesselt war.
Für mich ist dieser wunderschön fotografierte und poetische "Überläufer" film einer der besten deutschen Filme aller Zeiten. Der Kameramann Igor Oberberg ist schon in den ersten Filmminuten großartig, wenn er von der Perspektive des Kahns aus die Menschen auf den zahlreichen Brücken einfängt. Vor allem die Frauen, die dort oben flanieren, haben das Interesse der Männer auf dem Kahn. Mit diesen kontrastreichen Schwarz-Weiß Bildern liegt der Film auf einer Höhe zu seinen französischen und auch italienischen Vorbildern.
Neben der markanten Ausleuchtung von Kränen und Hafenanlagen, die die Atmosphäre der Geschichte maßgeblich bestimmen, sind es vor allem die Gesichter der Protagonisten denen die Szenen gehören.
Diese drei Hauptfiguren sind einfach da. Sie weinen mal, dann lachen sie wieder. Sie schwimmen ne Runde, sie kochen, sie putzen. Alles wirkt sehr authentisch. Alle drei Darsteller haben den Menschen verinnerlicht, den sie spielen sollen. Man vergisst den Schauspieler und empfindet die Typen als echt.
Hendrik Feldkamp (Carl Raddatz) und sein bester Freund Willy (Gustav Knuth) arbeiten auf ihrem gemeinsamen Schleppkahn. Sie sind Besitzer des Binnenfrachters und gleichzeitig auch Mannschaft. Sie fahren auf der Havel und haben hier und dort mal eine Freundin. Alles nichts festes...Die zwei Freunde reden aber immer wieder davon . Es fallen Sätze wie "Mädchen oder Kahn?"  Die Antwort folgt schnell:  "Kahn, da weisste wenigstens, wo du dran bist". Aber träumen darf man. Von der großen Liebe und auch von einem eigenen Schiffsmotor. Denn sie sind von den Schiffen abhängig, die sie von Hafen zu Hafen schleppen. Eines Abends beobachten sie eine junge Frau (Hannelore Schroth), die auf der Brücke steht. Und sie wirkt mehr als traurig. Es könnte sogar sein, dass sie sich offenbar von der Brücke ins Wasser stürzen will. Doch ins Wasser fällt nur ein Zehnmarkschein. Dennoch ist ab sofort das Interesse an dem Mädchen geweckt und sie sprechen die geheimnisvolle Unbekannte an, die bereits wieder die Brücke verlassen hat. Erst wehrt sie sich gegen die Annäherung der beiden fremden Männer, aber dann steht sie plötzlich vor dem Schleppkahn und will von Hendrik und Willy als "Passagier" nach Berlin, wo sie eine Wohnung hat, mitgenommen werden. Beide Freunde verlieben sich in den weiblichen Gast...




 Und schippern mit einer unendlichen Leichtigkeit und einer schönen Prise Poesie bis zum Happy-End. Alles ist so selbstverständlich, wie wenn es vorbestimmt wäre. Und entdeckt wird die wahre Liebe, aber genauso die treue Freundschaft der beiden Männer. Es muss nicht immer zwangsläufig den Verlierer geben, wenn zwei Männer um eine Frau werben. Der vermeintliche Verlierer kann auch wieder etwas gewinnen.
Eingebettet in Bilder von beinahe unwirklicher Schönheit. Alles strahlt eine Melancholie aus, als wollten die Macher mit der Kamera festhalten, was in der Realität schon zerstört war, aber wert genug ist, es auch wieder auferstehen zu lassen.
Helmut Käutner hat in der Zeit des zweiten Weltkriegs einige große deutsche Filme gemacht: 1940 den leider etwas unterbewerteten Heinz Rühmann Klassiker "Kleider machen Leute", den leider etwas in Vergessenheit geratenen "Romanze in Moll" aus dem Jahr 1943 und den populären Hamburg Klassiker "Große Freiheit Nr. 7" mit Hans Albers für den er mit dem damaligen Reichspropagandaminister Goebbels in Streit geriet. Sein bester Film ist aber dieses Hochschauen "Unter den Brücken". Darüberhinaus spiegeln solche Klassiker auch in perfekter Weise die damalige Zeit wider. Diese heile Welt auf dem Kahn und damit die komplette Ausblendung der Kriegsrealität sorgt für einen interessanten Effekt im Hier und Heute: Man fühlt sich ständig daran erinnert.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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