Samstag, 23. September 2017

Die Müßiggänger







































Regie: Federico Fellini

Fünf Freunde in der kleinen Stadt

Mit einer Mischung aus subjektivem Realismus, einer ausufernden Bildphantasie und einem Schuß Mystik gelang es Federico Fellini schon in seinen Frühwerken zu faszinieren. Vieles soll autobiographischen Urspurngs sein. "Meine Arbeit ist nichts anderes als das Bekenntnis meiner Sehnsüchte und Wünsche. Es ist ein Spiegel meines Lebens" hat der italienische Filmemacher einmal gesagt und in seinm 1953 entstandenen Film "Die Müßiggänger" ist dies besonders sichtbar, wenn einer der fünf Hauptfiguren die Heimat verlässt. Dies wird Moraldo (Franco Interlenghi) sein, der jüngste der Clique. Er verabschiedet sich am Bahnhof von dem jungen Arbeiter Guido (Guido Martufi), der dann nachdem der  Zug abfährt, fröhlich und hoffnungsvoll auf den Schienen balanciert. Denn der ältere Freund, der fortfährt, hat gemeint, dass er nicht weiß, ob es anderswo besser ist, aber es wird auf jeden Fall anders sein. "Der Müßiggänger" gehört wie "La Strada", "Die Schwindler" oder "Die Nächte der Cabiria" zu Fellinis Filmen mit klarer Handlung und Struktur. Später legte Fellini nicht mehr soviel Wert auf eine Handlung, sondern es war ihm die genaue Beschreibung von Situationen wichtig - diese wurden von ihm dann oft in episodischer oder essayistischer Struktur dargeboten. Für mich ist "I Vitelloni" einer der stärksten Felliní Filme, weil es ihm gelingt die Tristesse des Alltags in einer italienischen Provinzstadt so sehr kraftvoll, lebensecht und poetisch darzustellen. Diese scheinbar unbedeutenden Menschen werden zu interessanten Figuren, man kann sich schnell emotional mit ihnen identifizieren. Als "Vitelloni'" werden in Italien junge Männer bezeichnet, die sich von ihrer Familie unterhalten lassen, keine besondere Lust auf Arbeit haben, sondern ihren Vergnügungen nachgehen und sich oft langweilen. Irgendwie träumen sie von der großen Chance, die wahrscheinlich nie kommen wird. Fellini zeigt dem Zuschauer in der Anfangssequenz einen Schönheitswettbewerb, der am Strand unserer Kleinstadt stattfindet. Fausto (Franco Fabrizi) ist ein unverbesserlicher Frauenheld, dessen Freundin Sandra (Leonora Ruffo) den Contest gewinnt und von ihm ein Kind erwartet. Statt sich der Verantwortung zu stellen, will er nach Mailland abhauen. Doch sein Vater Francesco (Jean Brochard) zwingt ihn aber dazu das Mädchen zu heiraten. Sandras Bruder Moraldo (Franco Interlenghi) ist der Jüngste der Vitelloni und auch der Schweigsamste. Er hat heimliche Sehnsüchte, teilt sie aber den anderen nicht unbedingt mit. Faustos ständiges Aufreißen von Frauen sieht er nicht gerne, er macht sich auch Sorgen um Sandra, die Fausto wirklich liebt. Alberto (Alberto Sordi) ist ein Tagträumer und lebt bei seiner Mutter. Für den Lebensunterhalt der Familie kommt seine arbeitende Schwester Olga (Claude Farell) auf.  Er sieht es nicht gerne, dass sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann hat. Leopoldo (Leopoldo Trieste) ist der Intellektuelle unter den Freunden, er schreibt Stücke und hofft bekannt zu werden. Umso aufgeregter ist er als der bekannte und egozentrische Theaterschauspieler Sergio Natali (Achille Majeroni) in der Stadt gastiert. Riccardo (Riccardo Fellini) singt sehr gut und hält sich immer im Hintergrund. Faustos Schwiegereltern können ihm endlich eine Arbeit besorgen im in einem Antiquitäten- und Devotionaliengeschäft von Michele Curti (Carlo Romano). Doch Fausto kann von anderen Frauen nicht lassen. Im Kino baggert er mit der attraktiven Sitznachbarin (Arlette Sauvage) an und nach dem Karneval findet er auch plötzlich Giulia Curti (Linda Baarova), die ältere Frau seines Chefs verführerisch und stellt ihr nach. Dazwischen immer wieder Treffs mit den Freunden beim Billard oder bei langen Spaziergängen am Strand...




Fünf Männer, deren Jugend schon vorbei ist, die aber noch lange nicht erwachsen werden wollen. Für ein geregeltes Durchschnittsleben wollen sie noch nicht ihren Rest der Unangepasstheit aufgeben. Fellini idealisiert seine Helden nicht, aber er verteufelt sie nie, sondern zeigt sowohl Schwächen als auch Stärken. Lediglich Moraldo zeigt am Ende den Mut einen Schritt in eine neue Zukunft zu wagen. Wir kennen aber seine wahren Sehnsüchte nicht, die bleiben im Dunkel. Dennoch ist gerade Moraldo die interessanteste Figur des Films, trotz der wenig eindeutigen Charakterisierungen. Die lethargische Männergruppe ist auch sehr verwandt mit dem Rebellentum der Jugend in den 50ern. Denn man stellt die Wertvorstellungen der Eltern in Frage. Fellini zeigt einerseits eine bedrückende Stimmung, die er aber durch satirische Einlagen immer wieder aufbricht. So als wollte er sagen "Das leben ist schon schwer genung, also take it easy", durch disen ständigen Wechsel aus Heiterkeit und Pessimismus ensteht diese nicht greifbare Atmosphäre des echten Lebens. Besonder die poetischen Anteile berühren, dazu passt die immer wieder grandiose Film-Musik von Nino Rota perfekt. Am Ende dann wie gesagt ein Zug der abfährt und einem Daheimgebliebenen Hoffnung macht. Sehr schön....



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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