Melancholie im Sanatorium...
Der italienische Regisseur Paolo Sorrentino ist zweifelsohne ein
begeisterter Fan von Federico Fellini. Zumindest hat er schon vor
längerer Zeit beschlossen, dessen filmisches Erbe anzutreten, was
bereits in den skurrilen Roadmovie "Cheyenne" sichtbar war. Noch klarer
sind die Ähnlichkeiten zwischen seinem preisgekrönten Rom-Epos "la
grande Belezza" aus dem Jahr 2013. Hier wurden Erinnerungen an Fellinis
"Roma" und auch an diessen "8 1/2" wach. Dafür gabs auch einen Oscar als
bester fremdsprachiger Film des Jahres und auch bei der Vergabe der
europäischen Filmpreise kassierte Sorrentinos Film gleich 4
Auszeichnungen. "Ewige Jugend" ist natürlich auch wieder sehr an Fellini
orientiert und es ist vielleicht Sorrentinos tiefster und bewegendster
Film geworden. Auch wenn der deutsche Verleihtitel m.E. schlecht gewählt
wurde, der Originaltitel "Youth" trifft die Thematik besser. Denn von
ewiger Jugend kann in "Ewiger Jugend" kaum die Rede rein, wenn man die
Schlußsequenz interpretiert, dann geht es auch nicht nur um die Jugend,
sondern um das Leben und vor allem um das unweigerliche Ende: den Tod.
Die Geschichte spielt sich in einem exklusiven Wellnesshotel in Davos
und man wird an Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" erinnert. Denn
dieses Bergsanatorium übt sofort eine eigenartige Faszination auf den
Zuschauer aus. Dort gehören zwei Greise zu den Hotelgästen, die von
Ärzten, Pflegerinnen, Masseusen und den besten Köchen versorgt werden.
Fred Ballinger (Michael Caine), der erfolgreiche Komponist der
legendären "Simple Songs" verbringt dort seine Wellness-Ferien. Genauso
wie sein langjähriger Freund, der Regisseur Mick Boyle (Harvey Keitel),
der auch schon flott die Achzig zusteuert und dort mit jungen
Mitarbeitern sein Drehbuch zu dem geplanten letzten Film, dass sein
Testament werden soll. Die Hauptrolle soll die zweifache Oscargewinnerin
und Diva Brenda Morell (Jane Fonda) spielen, die von Boyle auch täglich
erwartet wird. Der Schauspieler Jimmy Tree (Paul Dano) gehört auch zu
den Gästen, er wurde mit einer Rolle als Roboter weltbekannt - möchte
aber viel lieber durch seine anderen Rollen wahrgenommen werden. Er
bereites sich für einen neuen Film, der in Deutschland gedreht wird,
vor. Ebenfalls im Hotel sind Diego Maradona (Roly Serrano) mit Frau, die
Miss Universum (Madalena Diana Ghenea) und Popstar Paloma Faith (Paloma
Faith), die mit Julian Boyle (Ed Stoppart), dem Sohn von Mick, ein
Verhältnis beginnt. Dabei ist dieser mit Lena (Rachel Weisz), der
Tochter von Komponist Ballinger, verheiratet. Es tut sich da allerhand
in diesem Kosmos "Sanatorium" in den Schweizer Alpen. Auch ein
buddhistischer Priester, von dem man sich erzählt, dass er in der Luft
schweben kann, ist unter den illustren Gästen.
Die beiden Männer trauern der Jugend nach - Die Erotik ist für sie kein
Spielfeld der Eroberung mehr, sondern der Betrachtung. Der Anblick der
Miss Universum, die sich ihnen in exquisiter Blöße im Schwimmbecken
darbietet, ist kein Anlass der Erregung, sondern ein letztes visuelles
Paradies. Stattdessen müssen sich die beiden mit Prostata-Problemen
herumquälen. Die Jugend...ist auch sichtbar. Da wäre die Masseurin (
Luna Zimic Mijovic) übt Hip Hop am offenen Fenster, Paloma Faith ist
eine Kranate im Bett und es darf von der schönen Miss Universe geträumt
werden.
Ein elegantes und amüsanten Treiben, dass dann in dem Moment in die
Tiefe führt, als Fred Ballinger zum zweiten Mal Besuch vom Abgesandten
des Buckingham Palace Besuch bekommt. Noch immer wünscht die Queen zum
Geburtstag von Prinz Philipp, dass Ballinger seine "Simple Songs"
dirigieren soll. Und noch immer lehnt Ballinger aus "persönlichen
Gründen" ab...
Aber er begründet dann erstmal seine persönlichen Gründe, während seine
Tochter Lena hinter ihm sitzt und zu weinen beginnt. Denn mit diesem
persönlichen Bekenntnis lässt er zum ersten Mal sein Gefühl heraus.
Vorher war dies unter einer gewissen Kälte versteckt. Mit dieser Szene
wandelt der Film dann sein Gesicht, aber nicht seine Umgebung.
Sorrentino hat eine ganze Menge von grandiosen Szenen in "Ewige Jugend"
eingebaut. Da gibts den starken 5-Minuten Auftritt von Jane Fonda, der
mit einem Zusammenbruch im Flugzeug endet. Da erscheinen Mick Boyle auf
einer Bergwiese plötzlich alle seine Schauspielerinnen seiner Filme den
jeweiligen Kostümen und sprechen ihre Dialoge. Am Ende singt dann Sumi
Jo die "Simple Songs" und Ballinger sieht seinen Freund in Gedanken.
Jugend ist auch ein Gedanke...deshalb rägt jeder Insasse des Berghotels,
in dem der Film spielt, neben seinem sichtbaren Ich noch ein
unsichtbares, früheres mit sich herum. Der Mann im Pool, dessen Bauch in
keine Hose mehr passt, war einmal ein Maradona, ein Fußballgott. Der
Hollywood Star, den alle nur auf den Roboter Film herunterreduzieren -
er denkt an seine frühere Rolle in einem Low Budget Film da war er mit
sich zufrieden. Und auch der Komponist gibt seine Geheimnis preis, dass
er tief im Herzen trug. Am Ende besucht er seine Frau in ihrer Klinik in
Venedig. Sie ist alt und ihre Gedanken erloschen. Ein trauriger Film...
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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